Ein Auszug aus einem anderen Forum
Das Geschäftsmodell der Wirecard
(Es sind weitere Kapitel in Planung, Ergänzungen würden dann hier erwähnt)
Viele hier verfolgen den Aktienkurs der Wirecard genau, weniger bekannt ist, was die Wirecard genau macht. Weil Journalisten nur schwer ins Detail gehen können (die Leserschaft könnte ja gelangweilt sein) mache ich das hier. Ja, es wird etwas technisch. Aber danach versteht ihr mehr. Die Wirecard hat als Payment-Service-Provider (PSP) angefangen. Der PSP ist die Verbindung zwischen dem Endkunden (Consumer), dessen Bank (Issuer), dem Händler und dessen Bank (Acquirer) sowie den Card-Schemes, wie z.B MasterCard oder VISA. Bestellt der Consumer auf einer Webseite eines Händlers einen Artikel, gibt er dort seine Kartendaten ein, tatsächlich befindet er sich bereits auf einem Plug-In von Wirecard: Einem virtuellen Terminal. Das virtuelle Terminal sendet verschlüsselt alle Kreditkartendaten zu Wirecard. Wirecard baut eine Verbindung zum jeweiligen Card-Scheme auf und prüft ob die Kartendaten echt, die Karte geblockt oder bereits Geld reserviert ist. Danach werden die Informationen an den Acquirer geschickt, der die Zahlung akzeptiert oder zurückweist. In definierten Zeitabständen rechnen die Banken ihre Forderungen gegenüber auf und überweisen den Differenzbetrag: Clearing nennt sich das. Was ich hier so verallgemeinert beschrieben habe, variiert. Jeder Acquirer will andere Infos, besteht auf eigenen Protokollen (Https, ISO8583, Fimi, GICC) Es gibt keinen Standard.
Die Wirecard vertreibt auch echte Terminals. Das nennt sich POS und steht für Point of Sale. Jedes POS wurde vorher konfiguriert mit z.B. einer VU-Nummer, dass ist die Vertragsnummer zwischen Händler und Acquirer. Schaut euch das nächste mal mit Kartenzahlung (auch EC) die vielen Zahlenkolonnen drunter an, eine davon ist mit Sicherheit die VU-Nummer.
- Komparativer Kompetenzvorteil-
Der Händler müßte nun für jedes Card-Scheme wie Visa, MasterCard, Diners, Amex eigene Verträge abschliessen, was eine Menge Aufwand bedeutet. Die Wirecard hat mittlerweile über zwei Dutzend integriert. Soviel wie kein anderer PSP. Darunter auch so Exoten wie die japanische JCB oder die chinesische CUP. Alles aus einer Hand. Dem Händler bringt es vielleicht kein Geld viele Karten anzubieten, die Karten aber nicht anzubieten bedeutet aber sicher Geld zu verlieren. btw: Bei einem indischen Uber-Konkurrenten hatten die Taxis kleine Aufsätze die aus einem Smartphone ein Kartenterminal machten. So konnte mit wenig Einsatz aus einem Privat-PKW ein Uber mit Bezahlterminal gemacht werden. Der Händler kann auf einem Portal jederzeit den Status bzw eine Übersicht über die Zahlungen sehen. Jetzt sind die Zahlungen allein natürlich wenig hilfreich, falls ein Kunde eine Frage zu einer Zahlung hat oder man als Händler einfach nicht den Überblick verlieren möchte. Deswegen können zu jeder Zahlung mehrere Dutzend Informationen mitgespeichert werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass Airlines andere Informationen benötigen als ein Technomarkt, ein Hotel oder ein Fashionstore. Das Hotel z.B. kann einen anderen Zahlungsverlauf haben als ein Store. Nämlich dann wenn der Kunde das Hotelzimmer zuerst reserviert. Dann kann das Hotel den Rechnungsbetrag auf der Karte reservieren, um nicht am Ende des Aufenthalts einen Kunden mit leerer Kreditkarte zu haben. Dieser Transaktionstyp nennt sich 'Authorisierung' oder 'Preauthorisierung.. Das Geld bleibt dann für z.B. 21 Tage geblockt und kann vom Consumer nicht anderweitig verwendet werden bis es dann schlußendlich mittels Transaktionstyp 'Capture' eingezogen wird. Wirecard kassiert übrigens für Beide Transaktionstypen Gebühren.
- Risk and Fraud - Und damit kommen wir zu einem weiteren Geschäftsfeld der Wirecard. Dem Risiko bzw. Fraud. Fraud ist zweierlei: Ein Kunde der Geld hat, aber nicht zahlen will, oder ein Kunde der zwar zahlen will, aber kein Geld hat. Ein solcher Kunde führt dann nämlich zum un-angenehmsten in diesem Business, dem Chargeback. Doppelt unangenehm, weil einerseits ein Gewinn ausfällt und andererseits weil mit einem Chargeback sehr viel manuelle Arbeit involviert ist. Und die ist teuer. Die Wirecard bietet dabei viele verschiedene Dienste an, von einem einfachen IP-Check bis hin zur kompletten Risikoübernahme. Von eigenen Services bis zu 3rd Party Services wie z.B. einem Schufa-Check. Wie können solche Dienste aussehen? Den IP-Check habe ich schon erwähnt, einerseits können damit Kunden aus Ländern geblockt werden mit denen kein Handel erlaubt ist oder es können über die ASN Nummer Institutionen geblockt werden. Über Hotlisten können einzelne Kunden geblockt werden, über Scoring kann man Kunden die passenden Bezahlart anbieten. Interessant ist aber auch der Velocity-Check und hier kommen wir zu den Anfangstagen der Wirecard.
- Early Adopters - Die ersten Kunden der Wirecard die den Wert von Internethandel erkannt haben, waren Glücksspielanbieter und Anbieter von Digital-Content. Dem ein oder anderen auch als Porno bekannt. Weil Glücksspiel auch süchtig machen kann, kommt es in diesem Bereich zu erhöhten Fraud-Versuchen und wenn ein und dieselbe Person versucht sich mit verschiedenen Daten anzumelden, so bleibt ihre IP-Adresse doch gleich und kann - weil mitgeloggt - zu erhöhter Vorsicht führen. Manche Versuchen sich mit erfundenen Adressen und da hilft dann z.B. in den USA der Adress-Verification-Service. btw: NIemand hat gerne >>XXX - der Pornoanbieter ihres Vertrauens << auf seiner Kreditabrechnung. Deswegen wird dort ein anderer, unverdächtiger Name angeben.
Angefangen hatte die Wirecard als einfacher PSP. Die nächste Strategie von Dr. Markus Braun war aber, die gesamte Wertschöpfungskette im Bezahlvorgang abzudecken und sowohl als Acquirer, Issuer und PSP aufzutreten. Dies war aber nur mit einer Banklizenz möglich. - Banklizenz - Mit der Banklizenz waren nun auch neue Produkte möglich: Konten und Kreditkarten. Angeboten wurde als erstes eine virtuelle Kreditkarte, die man online erstellen konnte wie man sich auch z.B. eine neue eMail-Adresse erstellt und per Überweisung "geladen" wurde. Damit war es technisch eine Debit-Karte, die dann aber auch Personen mit negativer Schufa ausgestellt werden konnte. www.mycard2go.com Bei Kaufland hab ich auch mal eine Kreditkarte zum mitnehmen gesehen. Ob es die noch gibt, weiss ich nicht. Haupteinsatz ist aber die Firmenkreditkarte auf die dann bequem der Monatslohn überwiesen werden kann, wenn der Mitarbeiter kein Girokonto hat. Nicht vergessen: Die Wirecard ist weltweit tätig! - TecDax -
Nach der Banklizenz 2005 war 2006 der nächste Meilenstein erreicht: Die Aufnahme in den TecDax. Die Wirecard war keine Klitsche mehr. 2006 oder 2007 kündigte Dr. Markus Braun das nächste Ziel an: Die Aufnahme in den DAX! Da Dr. Braun nie länger als 5 Minuten spricht, wenn er eine Rede hält, ist jeder Satz mit bedacht gewählt. Umso bemerkenswerter sind die Ankündigungen von 2019, der größte Wert im DAX zu werden bzw einer Verzehnfachung des Umsatzes in den nächsten 10 Jahren. btw: Die Wirecard hatte auch mal ein Konkurrenzprodukt zu Paypal im Portfolio: Click2Pay. Das Problem war aber, dass zuwenig Händler es anboten um für Kunden interessant zu sein und zu wenig Kunden es nutzen um für Händler interessant zu sein. Witzigerweise war es in der Türkei eingermaßen erfogreich. - Strategiewechsel - Dieses Jahr auf der Hauptversammlung hat Dr. Braun einen Strategiewechsel angekündigt. Das von mir beschriebene Geschäftsmodell ist derzeit noch die Cash-Cow bei Wirecard, aber es muss damit gerechnet werden, dass mehr Wettbewerber in den Markt drängen und der technische Fortschritt und die Marktanteile schmelzen. Im Fokus steht nicht mehr, was technisch machbar ist sondern was dem Kunden den Bezahlvorgang angenehmer macht. Und je komfortabler das bezahlen, desto mehr Geld lässt der Kunde im Geschäft. Das neue Buzzword ist B2B2C. Hier weiß ich bislang nur von Studien wie dem Handflächenscanner, dem "smarten" Spiegel oder der "Bezahlkabine" bei die Ware durch die Entnahme gekauft wird. Das Wirecard-Management ist fest entschlossen, den nächsten Payment-Trend nicht zu verpassen, ihn besser noch selbst zu setzen.
Meine Damen und Herren, Ich bleibe investiert!
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