Aus: Der Aktionär
3U Telecom: Die Schlammschlacht
Bei 3U Telecom bahnt sich die Rückkehr des Ex-Vorstandsvorsitzenden Udo Graul an. Die Hauptversammlung am 19. Mai verspricht turbulent zu werden. DER AKTIONÄR hat im Vorfeld exklusiv beide Parteien befragt.
Von Michael Lang
Vom TecDax-Anwärter zum Pennystock: das Jahr 2004 hätte für die Marburger 3U Telecom kaum schlechter verlaufen können. Mit einem Jahresverlust von 29,2 Millionen Euro rutschte das einstige Vorzeigeunternehmen tief in die roten Zahlen.Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich unter den Aktionären Unmut breit macht. Einer hat sich nun zum Handeln entschlossen: Udo Graul, mit 16 Prozent zweitgrößter Anteilseigner der Marburger und selbst langjähriger 3U-Vorstandsvorsitzender, möchte zurück an die Spitze der Gesellschaft.
Aus diesem Grund soll auf Antrag Grauls auf der Hauptversammlung am 19. Mai in Frankfurt ein neuer Aufsichtsrat gewählt werden. Der Ex-Vorstand hofft, genügend Verbündete hinter sich zu vereinen, um ein ihm wohlgesonnenes Kontrollgremium einsetzen zu können. Die Fronten gegenüber dem jetzigen Vorstand, der rund 23 Prozent der Anteile hält, scheinen verhärtet, denn Graul erhebt schwere Vorwürfe. Auf rund 25 Millionen Euro beziffert Graul die Schäden, die der Gesellschaft nach seinem Ausscheiden zugefügt worden sind.
Die Spannung steigt, ... und gleichzeitig der Aktienkurs. Mehr als 40 Prozent hat die 3U-Aktie seit der aktionärs-Empfehlung in Ausgabe 16/2005 bereits zugelegt. Obwohl das Papier im Vorfeld der Hauptversammlung weiterhin im Mittelpunkt des Interesses stehen dürfte, sollten bei Kursen von über 1,40 Euro allenfalls noch kurzfristig orientierte Trader mit engem Stopp zugreifen. Oberhalb von 1,60 Euro bieten sich erste Gewinnmitnahmen an. ------------ 3U Telecom: "Zurück zur alten Stärke"
DER AKTIONÄR stellt in einem exklusiven Doppelinterview die Statements von Vorstand und Ex-Vorstand zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der 3U Telecom AG dar! Im zweiten Teil legt der 3U-Ex-Vorstand Udo Graul seine Gründe für die geplante Rückkehr in den 3U-Vorstand offen.
Will zurück auf 3U-Chefsessel: Ex-Vorstand Udo Graul
DER AKTIONÄR: Herr Graul, nachdem Sie im Jahr 2004 aus dem Vorstand der 3U Telecom ausgeschieden sind, wollen Sie nun auf der Hauptversammlung am 19. Mai 2005 mit Hilfe einer Kampfabstimmung Ihre Rückkehr vorbereiten. Was hat Sie zu diesem radikalen Schritt bewogen?
Udo Graul: Mit der wirtschaftlichen Entwicklung von 3U und dem Verlauf des Aktienkurses bin ich äußerst unzufrieden. Ich möchte selber eingreifen um den Wert der Firma rasch wieder zu steigern. Ich sehe bei 3U ein riesiges Potential, das durch entsprechende Maßnahmen sehr schnell freigesetzt werden kann. Ziel ist es, das von den Aktionären in 3U gesetzte Vertrauen dadurch zu belohnen, dass durch eine klare Strategie und die operative Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen innerhalb kurzer Zeit die Firma so aufgestellt ist, dass sich das auch in einer Steigerung des Aktienwerts widerspiegelt. Ich bin selber mit 16% Großaktionär von 3U und weiß, was es für jeden einzelnen Aktionär bedeutet, wenn sich der Wert des Investments so stark verringert, wie es seit meinem Weggang bei 3U der Fall gewesen ist.
Wie hoch schätzen Sie die Erfolgswahrscheinlichkeit ihrer Initiative ein? Werden Sie genügend Stimmen für eine HV-Mehrheit zusammenbekommen?
Ich bin vom Erfolg meiner Initiative überzeugt. Mehrere bedeutende Investorengruppen haben mir Ihre Unterstützung auf der Hauptversammlung bereits zugesichert. Überwältigend ist aber auch die Resonanz der Kleinaktionäre, die mich durch Übertragung ihrer Stimmrechte ebenfalls unterstützen. Jetzt, wo es darauf ankommt, stehen alle Aktionäre eng zusammen. Über meine Homepage www.graul.de haben mich bereits unglaublich viele Aktionäre darüber unterrichtet, dass sie mich durch die Übertragung der Stimmrechte auf mich unterstützen. Dort ist auch beschrieben, wie man die Stimmrechte auf mich übertragen kann. Besonders freut es mich, dass selbst Aktionäre, die nur über wenige Aktien verfügen, auf diese Weise ihre Rechte auf der Hauptversammlung wahrnehmen. Hier zeigt es sich, dass die Gemeinschaft aller Aktionäre die Geschicke der Gesellschaft auch gegen die Eigeninteressen von großen Aktionären durchsetzen können. Jede Stimme zählt.
Nehmen wir an, Ihnen gelingt die Palastrevolution im Hause 3U. Was wären Ihre ersten Schritte als neuer Unternehmenslenker?
Zuerst muss 3U wieder auf die alten Werte zurückgeführt werden, die die ursprüngliche Stärke von 3U ausgemacht haben: Effizienz, Konzentration auf das Kerngeschäft und Vorreiter beim Einsatz neuster Technologien, wie z.B. Internettelephonie. Dazu ist es erforderlich, dass LambdaNet verkauft wird. LambdaNet ist eine viel versprechende Firma mit Zukunft. Leider versteht es das derzeitige Management nicht, die Firma entsprechend zu entwickeln. Bis auf den Bereich Vertrieb sind alle Vorstandsposten bei LambdaNet mit Vorständen von 3U besetzt. LambdaNet braucht ein Management, das sich voll für das Unternehmen einsetzt. Das ist keine Tätigkeit, die man mal so nebenbei ausüben kann, zumal bei 3U der volle Einsatz dringend benötigt würde. Das haben die Mitarbeiter von LambdaNet nicht verdient. Ich gehe davon aus, dass nach einem Verkauf von LambdaNet vom neuen Besitzer ein hoch qualifiziertes und engagiertes Managementteam eingesetzt wird, das die Entwicklung der Firma mit Schwung vorantreibt.
Bei 3U selber werden umgehend Restrukturierungsmaßnahmen durchgeführt, um neben der notwendigen Kostensenkung das geplante Wachstum realisieren zu können. Ein erfahrenes Managementteam von hochkarätigen Spezialisten, die sich detailliert mit der Situation bei 3U auskennen, wird mir dabei zur Seite stehen. Dazu gehört auch Herr Dr. Michael Späth, der letztes Jahr, nach meinem Ausscheiden bei 3U, als Generalbevollmächtigter eingestellt wurde und der nach kurzer Zeit von sich aus wieder gekündigt hatte, weil er daran gehindert wurde, die für das Wohl der Gesellschaft notwendigen Maßnahmen umzusetzen. Umso mehr freue ich mich, dass Herr Dr. Späth seine Mitwirkung als Finanzvorstand zugesagt hat. Insbesondere seine bisherigen Erfolge in der Telekommunikationsbranche als Turnaroundmanager und bei M&A-Transaktionen sind ein Garant dafür, dass die anstehenden Veränderungen zügig durchgeführt werden können.
Für den Erfolg der geplanten Maßnahmen ist die technische Basis die Voraussetzung. Hier wurde die Entwicklung vom jetzigen Vorstand verschlafen. Die beiden Technikvorstände werden durch einem einzelnen Technikvorstand ersetzt, der mit den neuesten Technologien vertraut ist und der neben seiner Erfahrung im Telephoniebereich auch insbesondere über das notwendige Know how im Bereich Internettelephonie verfügt. Neben dem traditionellen Endkundengeschäft wird umgehend das Wholesale- und Resellergeschäft vorangetrieben. Insbesondere Im Internettelephoniebereich bieten sich dabei optimale Chancen für 3U.
Wo stände die 3U Telecom unter der Leitung von Udo Graul in zwei bis drei Jahren?
Technik und Markt können sich innerhalb dieser Zeit komplett verändern. Durch das Spezialistenteam, das die Leitung bei 3U übernimmt, sind wir in der Lage, die Entwicklungen auf allen Gebieten nicht nur mit zu verfolgen, sondern auch aktiv mit zu gestalten. Insbesondere muss es uns gelingen eine kritische Größe zu erreichen. Das kann durch das geplante organische Wachstum geschehen, oder aber auch z.B. durch den Zusammenschluss mit anderen Unternehmen. Da ist alles offen. Egal, ob als selbständiges Unternehmen, oder aber in einem Unternehmensverbund, 3U wird in zwei bis drei Jahren zur Spitze der Telephonieanbieter gehören, wobei auch insbesondere die europäische Ausrichtung des Unternehmens eine bedeutende Rolle spielen wird. Ich könnte mir vorstellen, dass andere Gesellschaften an einer solchen Basis starkes Interesse haben.
Was würden Sie bei einer Niederlage tun? Wäre in diesem Fall auch ein Verkauf Ihres Aktienpaketes denkbar?
Im Falle einer Niederlage würde ich mich in meiner Eigenschaft als Aktionär weiter bemühen, die Entwicklung von 3U mit zu gestalten. Im Interesse der Gesellschaft wäre es dann sicherlich von Vorteil, wenn rasch eine Gesellschaft gefunden würde, die 3U mehrheitlich übernimmt, damit auch ohne mein operatives Eingreifen die von mir geplante Entwicklung umgesetzt werden kann. Zusammen mit anderen Investoren würde ich bei Interesse ein größeres Aktienpaket schnüren und dieses an eine geeignete Gesellschaft verkaufen. Dadurch könnte es zu einem öffentlichen Übernahmeangebot an die Aktionäre kommen.
Herr Graul, wir bedanken uns für das Gespräch. Das Interview führte Michael Lang. ------------------------- 3U Telecom: "Eine Rückkehr wäre fatal!"
DER AKTIONÄR stellt in einem exklusiven Doppelinterview die Statements von Vorstand und Ex-Vorstand zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der 3U Telecom AG dar! Im ersten Teil steht der jetzige Finanzvorstand des Unternehmens Berth Hausmann Rede und Antwort.
Schließt eine erneute Zusammenarbeit mit Udo Graul aus: 3U-Finanzvorstand Berth Hausmann
DER AKTIONÄR: Herr Hausmann, 3U-Ex-Vorstand Udo Graul will mit Hilfe einer Kampfabstimmung auf der Hauptversammlung seine Rückkehr in den 3U-Chefsessel vorbereiten. Was sind Ihrer Ansicht nach die wahren Beweggründe Grauls?
Berth Hausmann: Seine persönlichen Beweggründe kenne ich nicht. Fakt ist jedoch, dass Herr Graul öffentlich ankündigt, das Unternehmen zu zerschlagen. Durch den Verkauf der LambdaNet wäre die technologische und ökonomische Grundlage der 3U TELECOM AG entscheidend beeinträchtigt. LambdaNet arbeitet in einem wachstumsstarken und zukunftsträchtigen Segment. Eine Rückkehr von Herrn Graul wäre daher fatal für die Gesellschaft und die Aktionäre.
Wie hoch schätzen Sie die Erfolgswahrscheinlichkeit der Graul-Initiative ein?
Sehr gering. Seine Strategie ist schädlich und widersprüchlich. Ein nachhaltiges Interesse an einer langfristigen und für die Aktionäre wertgenierenden Strategie ist nicht erkennbar. Die Mehrheit der Aktionäre steht hinter uns und vertraut dem neuen Management. Wir haben die Fehler der Vergangenheit behoben und das Unternehmen wieder auf den Erfolgskurs gebracht.
Graul erhebt schwere Vorwürfe gegen die jetzige Unternehmensführung. Dem Unternehmen sei nach seinem Ausscheiden ein Schaden von mehr als 25 Millionen Euro entstanden. Was ist dran an diesen Vorwürfen?
Der Vorwurf ist falsch und zeigt die mangelnde Sensibilität von Herrn Graul für wirtschaftliche und bilanzielle Sachverhalte. Sein Vorwurf bezieht sich offensichtlich auf den Jahresfehlbetrag 2004. Dieser beruht in erster Linie auf Entscheidungen und Maßnahmen, die von Herrn Graul als ehemaligem Vorstandsvorsitzenden zu verantworten sind. So hat er es z.B. als Vorstand für Produktentwicklung sowie Marketing & Vertrieb versäumt, die für Juni 2004 angekündigte Produktoffensive umzusetzen. Auch eine Marketing- und Vertriebsstrategie wurde nicht entwickelt. Ebenso vermochte er nicht, die zur Jahresmitte 2003 erworbene OneTel zu integrieren. Dies hatte eine Drittelung der Umsätze des Tochterunternehmens zur Folge. Zudem versäumte er, die erforderlichen Strukturen in den Auslandsgesellschaften zu schaffen, was Verluste in Millionenhöhe zur Folge hatte.
Alles läuft auf einen Showdown auf der HV hinaus. Oder wäre ihrer Ansicht nach auch eine Zusammenarbeit des jetzigen Vorstandes mit Udo Graul noch denkbar?
Wir gehen nicht von einem Showdown aus. Zu Ihrer Frage: Klares Nein! Dies scheidet aufgrund der von Herrn Graul gezeigten Defizite aus. Auch im Interesse unserer Mitarbeiter und Aktionäre wäre dies die falsche Lösung.
Die Geschäftsentwicklung im Jahr 2004 blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Was waren die Gründe für das enttäuschende Abschneiden?
Ursächlich hierfür waren unzureichende Marketing- und Vertriebsaktivitäten sowie nicht stattgefundene Produkteinführungen. Im Übrigen wurden die Erwartungen bis zur Jahresmitte von Herrn Graul kommuniziert und standen nicht mit der tatsächlichen Unternehmensentwicklung in Einklang. Die im ersten Halbjahr sich fortsetzenden Umsatz- und Ertragsrückgänge konnten im zweiten Halbjahr 2004 nicht mehr kompensiert werden. Das neue Management hat nun die Voraussetzungen und Strukturen geschaffen, damit der 3U-Konzern wieder wachsen kann.
Graul strebt im Erfolgsfall einen sofortigen Verkauf der Tochter LambdaNet und eine Konzentration auf das ursprüngliche Kerngeschäft an. Wie stehen Sie dieser Strategie gegenüber?
Wir halten diese Strategie für falsch und nicht zukunftsweisend. Eine Konzentration auf das wettbewerbsintensive und insgesamt rückläufige Marktsegment der Festnetztelefonie schafft für Aktionäre keine Werte, sondern unnötige Risiken. Mit dem Kauf der LambdaNet hat der 3U-Konzern in einen wachsenden Markt investiert, die technologische Basis für neue Produkte erworben, neue Kundensegmente erschlossen und somit Potenzial für die langfristige Wertsteigerung geschaffen. Diese Meinung hat Herr Graul im Übrigen auch bei der Akquisition der LambdaNet als damaliger Vorstandsvorsitzender aktiv vertreten. Der Meinungsumschwung kann daher nur persönliche Motive haben.
Angenommen, der jetzige Vorstand bleibt im Amt. Wo steht die 3U Telecom in zwei bis drei Jahren?
Der 3U-Konzern wird zum einen nachhaltig profitabel arbeiten, eine starke Marktposition erreicht haben und innovative Produkte in den Bereichen Telefonie und Datendienste für Privat- und Geschäftskunden anbieten. Somit werden wir langfristig Wert für unsere Aktionäre schaffen.
Herr Hausmann, wir bedanken uns für das Interview. Das Interview führte Michael Lang. |