Börsenzeitung vom 16. April 2006, Seite 10
"Wir haben fast neun Monate verloren"
Eigenständigkeit soll trotz jüngster Probleme erhalten bleiben - Kölner Breitbandanbieter könnte Mehrheit an ausgegliedertem Netz jedoch abgeben
Herr Schlobohm, 2007 war für QSC ein desaströses Jahr. Sie mussten im Oktober Ihre Jahresprognose zurückschrauben. Ihr Aktienkurs ging auf Talfahrt und hat sich bislang nicht wieder erholt. Hat QSC in dem sich konsolidierenden Breitbandmarkt überhaupt eine Chance eigenständig zu bleiben?
Aus unserer Perspektive ja. Wir stellen uns so auf, dass QSC als Mittelständler langfristig bestehen kann und zwar selbständig. Wir sind Dienstleister für Geschäftskunden, und für uns ist usner DSL-Netz Mittel zum Zweck. Wir haben dort zuletzt viel investiert, haben uns mit Tele2 einen Partner hereingeholt, ihn gegen eine Einlage von 50 Mio. Euro mit 32,5% an der Netzgesellschaft Plusnet beteiligt, weil wir erkannt haben, dass die Nachfrage im Wholesale-Bereich groß sein wird. Unsere Strategie ist nach wie vor richtig. Wir bauen das Netz intelligent aus mit einem Partner, mit dem wir uns sonst nicht in die Quere kommen - nämlich einem Massenmarktanbieter. Wir vermieten das Netz darüber hinaus an weitere DSL-Anbieter, unsere Wholesale-Kunden. Wir werden dieses Netz auf Ebit- und Cash-flow-Ebene sehr schnell zum Break-Even führen. Dann können wir auf das Netz in unserem Geschäftskundensegment zu Grenzkosten zugreifen und sind dann sehr wettbewerbsfähig.
Was lieft in den vergangenen Monaten schief? Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir den Rohstoff Teilnehmeranschlussleitungen - die sogenannte letzte Meile - nicht in ausreichendem Umfang von der Telekom bekommen. Das war der Unfall. Wir haben durch Nichtlieferung der Telekom fast neun Monate verloren, und diese Verzögerung versuchen wir jetzt gerade auf zwei Quartale zu reduzieren.
Dem Kunden ist es ja eigentlich egal, warum er die angeforderte Leistung nicht bekommt. Wie viele Kunden haben Sie durch Ihre Probleme verloren? Wir haben keine Kunden verloren, wir haben nur nicht so viele neue gewonnen. Wir hatten einen Auftragseingang, der sich im letzten Jahr von 0,5 Mio. Euro im Januar auf 1.1 Mio. Euro im Dezember mehr als verdoppelt hat. Im selben Zeitraum lieferte uns die Telekom weniger als die Hälfte der bestellten Leitungen.
Hat das alle Segmente betroffen? Das ist das Fatale daran. Die Telekom konnte nicht unterscheiden, ob es eine Leitung für den Massenmarkt oder das Geschäftskundensegment war. Insofern waren alle Segmente betroffen. Es haben auch Geschäftskunden warten müssen. Weil wir die nicht verlieren wollten, mussten wir teure Mietleitungen in Anspruch nehmen.
Wie schützt sich QSC vor einer Wiederholung solcher Ereignisse? Was sagen die Investoren? Die Telekom hat enormen öffentlichen Druck erfahren, nicht nur durch uns, sondern auch durch andere und die Bundesnetzagentur, und sie hat eingelenkt. Sie liefert jetzt mindestens 330000 Leitungen fr die Wettbewerber im Monat. Außerdem gibt es einen neuen Teilnehmeranschlussvertrag, so dass die Telekom bei Nichtlieferung Strafe zahlen müsste. Die neuen Regeln machen uns sehr, sehr zuversichtlich, dass die Telekom sich so etwas nicht mehr leisten kann.
Hat das QSC Management diesen Engpass denn nicht sehen können? Das ist unternehmerisches Risiko. Wir haben den enormen Bedarf gesehen. Das ist ein zeitliches Rennen, der Markt wird jetzt verteilt. Wir wollten heute da sein, wor wir jetzt erst in zwei Quartalen sein werden. Wir hätten sonst schon einen Breakeven auf Cash-flow-Ebene, wenn die Telekom so geliefert hätte, wie wir das erwartet hatten.
QSC wird auf dem heutigen Kursniveau zum Übernahmekandidaten. Wie reagieren Sie? Wenn jemand übernehmen möchte, muss er zunächst mit den Großaktionären reden. Die heißen Baker Capital, die beiden Gründer - Gerd Eickers und ich - und Sal. Oppenheim mit 5%. Wir sehen das Unternehmen als völlig unterbewertet an. Wir haben mit der Gewinnwarnung Investorenvertrauen verspielt, das ist das Problem. Wir müssen jetzt zwei, drei Quartale hinlegen, die wieder Vertrauen in unsere Aktie bringen. Allein wenn jemand unsere Ebita Prognose von 50-60 Mio. Euro für 2008 glauben würde - die sehr konservativ ist, denn wir wollen ja nicht noch mal auf die Nase fallen - und das mit einem Multiple von 6 oder 8 versähe, dann wäre man schon bei einer Unternehmensbewertung von rund 400 Mio. Euro. Das ist deutlich mehr als das aktuelle Niveau.
Sie haben sich grundsätzlich bereit erklärt, sich von Ihren Anteilen zu trennen. Welches Niveau müsste der Kurs denn dazu erreichen? Ich glaube, da bin ich falsch verstanden worden. Grundsätzlich bereit zu sein, bei der Konsolidierung mitzuspielen, sollte jeder Shareholder, und das bin ich auch. Das heißt aber nicht, dass ich einen Käufer für QSC suche und schon gar nicht bei der aktuellen Bewertung. Dieses Jahr ist das Jahr des organischen Wachstums bei QSC. Wir haben sonst ja auch immer kleinere Akquisationen gestemmt, das werden wir dieses Jahr nicht tun. Ich beschäftige mich derzeit weder mit Kauf- noch mit Verkaufsabsichten.
In den verganenen Wochen spekulierte der Markt alle paar Tage über einen Einstieg von Apax, die ja auch schon Großaktionär bei Ihren Konkurrenten Versatel ist Wir führen derzeit keine Gespräche mit Apax.
Sie haben bisher immer prognostiziert, es würden mittelfristig vier Breitband-Netzanbieter in Deutschland übrig bleiben. So haben Sie gerade erklärt, Sie wollten als mittelständisches Unternehmen für Geschäftskunden eigenständig bleiben. Wie passt das zusammen? So können Sie ja kaum zu den großen vier Netzbetreibern gehören? Ich glaube tatsächlich, dasss es künftig nur noch drei bis vier Netze geben wird. Wir haben mit Plusnet ein Konstrukt geschaffen, das uns weitere Freiheitsgrade ermöglicht. Heute gehören uns 67,5%. Bei der anstehenden Konsolidierung muss ja nicht komplett über QSC reden. Man könnte über einen dritten Partner für Plusnet nachdenken - es gibt ja auch viele Kabelnetzbetreiber, die aus ihrer regionalen Begrenzung raus wollen. In Frankreich hat schon ein Kabelnetzbetreiber einen DSL-Netzprovider gekauft. Meine Antwort lautet - und da habe ich ein bisschen dazugelernt: Wir brauchen Zugriff auf ein Netz. Dieses Netz muss uns nicht 100% gehören. Wenn es uns gelänge, einen dritten Partner hineinzunehmen, wäre dieses Unternehmen hier ad hoc profitabel.
Sie wären also durch bereit, die Mehrheit am Netz bzw. an der Netzgesellschaft Plusnet abzugeben? Das muss man sich ganz genau überlegen. Aber solange ich mir Zugriff auf ein großes Netz zu Selbstkosten sichern kann, würde ich mir das durch den Kopf gehen lassen.
Sie sind in konkreten Verhandlungen mit einem potentiellen dritten Partner für Plusnet? Da würde ich jetzt ungern mehr sagen. Jeder spricht in dieser Branche mit jedem. Was ich nur möchte, ist die Fantasie anregen, dass Konsolidierung nicht unbedingt immer auf kompletter Unternehmensebene stattfinden muss. Plusnet ist - despektierlich gesagt - ein dummes Netz. Es bietet Anschlüsse in der Fläche. Aber die Intelligenz, die bestimmte Service erst ermöglicht, das Know-how und der Werkzeugkasten dafür sitzen bei QSC, und die brauchen wir zu 100% im Zugriff um in Zukunft all die gefragten Mehrwertdienste anbieten zu können, die überschrieben sind mit dem Begriff "unified communications".
Sehen Sie für QSC Optionen, mit Kabelnetzbetreibern zu kooperieren? Wie könnte das aussehen? Kabelnetzbetreiber wie Unity Media und Kabel Baden-Württemberg dringen verstärkt in unseren Markt ein und rüsten auf, wobei ich glaube, dass sie langfristig nicht mehr als 10-12% Marktanteil gewinnen werden. Die Produkte, die diese Konkurrenten anbieten - das sogenannte Triple Play - lassen sich über DSL genauso anbieten. Wenn ein Kabelnetzbetreiber über seine Region hinaus anbieten möchte, könnte er sich eines DSL-Netzes bedienen.
Das heißt, ein Kabelnetzbetreiber könnte ein Wholesale-Kunde von Ihnen werden? Das ist durchaus denkbar.
Wird es dieses Jahr noch neue große Wholesale-Kunden von QSC geben? Davon gehe ich aus. Mindestens einen.
#16927 von ORACLEBMW 17.04.08 03:15:12 Beitrag Nr.: 33.904.308 Dieses Posting: versenden | melden
Der Kurs wird sehr schnell wieder auf altem Höchstniveau stehen, denn mit der Apaxspekulation wurde die Kurspflege wieder angestoßen. Mit dem umfassenden Interview von Schlobohm ist die massive Unterbewertung von QSC deutlich geworden. Jeden Tag kann es nun passieren. Erstens werden noch weitere Wholesalepartner genannt, mindestens einer und zweitens könnte ein dritter Plusnetpartner QSC sofort profitabel machen. Und die 50-60 Mio. Ebita sind auch sehr vorsichtig geschätzt. Ich empfehle jedem, das Interview zweimal zu lesen. Ich hoffe, dass vor allem für braxter und toelzerbulle diese Nachricht als willkommene News für etwas Erleichertung sorgen. Schön ist vor allem, die nicht Erwähnung von Versatel. Versatel ist passe. Die Möglichkeit, dass ein neuer Plusnet-Partner, wie z.b. ein Kabelnetzbetreiber einsteigen könnte bringt enorm viel Potential in diese Aktie. Wäre QSC durch die Telekom TAL Bereitstellung nicht ins Trudeln gekommen und QSC diese Nachricht vorher kommmuniziert, so stände die Aktie bei über 12 Euro. Ich glaube sehr stark daran, dass der Kurs sehr, sehr schnell hochgezogen wird, das geht schneller als man denkt. Von Analystenseite heisst es dann plötzlich: "Die Aktie war sehr stark unterbewertet", "QSC hatte aufzuholen". Schlobohm reagiert nicht auf Analysten, der Typ hat sein Ding durchgezogen und lässt sich von Finanzinvestoren wie Apax und Co nicht einnullen. Er hätte auch vor Jahren Plusnet weiter veräussern bzw. verwäassern können, aber je länger er wartet, desto attraktiver wird QSC.
Weiter steht in der Zeitung ein Profil von Schlobohm.
Zur Person "Geduldiger Breitband-Fan" Was die Unternehmensführung angeht, wahrt QSC äußerste Kontinuität: Seit dem Börsengang im Jahr 2000 sind Bernd Schlobohm und sein Finanzchef Markus Metyas ein Team - mit funktionierender Aufgabenteilung. Der 48-jährige Schlobohm ist der Techniker des Duos. Nach seiner Promotion 1992 arbeitete der Ingenieur der Informationstechnik zunächst als Berater in der Telekommunikationsbranche und wurde wenig später Geschäftsführer der Spaceline Communications Services, einem Gemeinschaftsunternehmen der Thyssen AG und Itouchu. 1994 übernahm er die Verantwortung für die Technik der Thyssen Telecom AG. Als der Stahlkonzern das Interesse an der Sparte verlor, machte sich Schlobohm 1997 zusammen mit Gerd Eickers, der heute im Aufsichtsrat von QSC sitzt, selbständig. Er selbst hält gut 10% des Grundkapitals der Gesellschaft, deren Vorstandschef er seit 1999 ist. Schlobohm ist auf seine Art ein Überzeugungstäter. QSC hat seit dem IPO mehrere hundert Mio. Euro in das deutschlandweiter hochmoderen Breitbandnetz investiert. Das Geschäftsmodell war von Anfang an sehr langfristig ausgelegt. Die Investoren mussten und müssen eine Menge Geduld mitbringen. 2009 soll es endlich netto richtig schwarze Zahlen geben. |