Dieser Beitrag erscheint (voraussichtlich) erst morgen in der "Hamburger Morgenpost" M30.10.2006DROGEN Den Kiffern geht der Stoff aus Konsumenten klagen: Viele Marihuana-Quellen sind versiegt MATHIS NEUBURGER
Unter Hamburgs Kiffern macht sich Unruhe breit: Seit Wochen gibts kaum noch "Gras" in der Stadt. Die Marihuana-Tüten bleiben leer, die Preise explodieren - und was noch "vertickt" wird, ist mit Vogelsand, Haarspray oder Küchenkräutern gestreckt. Insider wissen: Eine äußerst ungewöhnliche Lage, denn obwohl der Konsum von Cannabis illegal ist, ist die Droge in der Stadt weit verbreitet. Wer sie kaufen will, fand immer Nachschub. Das ist jetzt anders - dabei haben weder Politik noch Polizei den Druck erhöht.
Altona, Schanze, Wilhelmsburg, Harburg, Jenfeld oder Barmbek - überall laufen die Telefonate der Konsumenten gleich ab: "Hast du was?" "Nee, vielleicht in ein paar Tagen." Seit der WM haben Dealer Lieferprobleme: Wegen verstärkter Grenzkontrollen wurde kaum "Gras" aus Holland an die Elbe geschmuggelt.
Erst vor wenigen Tagen gingen der Polizei an der holländischen Grenze drei Kuriere mit 40 Kilo Marihuana in die Falle. Die Drogen waren für den Verkauf in Hamburg und Hannover bestimmt. In Hamburg vereitelten Fahnder parallel die Übergabe von elf Kilo Marihuana. Die Ursache für den total leergefegten Markt können diese abgeschöpften Mengen nach Einschätzung von Polizei und Zoll jedoch nicht sein.
Der rätselhafte Engpass bringt viele Großlieferanten auf Ideen: "Man bekommt plötzlich nur Zeug, das mit Vogelsand verlängert ist. Eklig", klagt ein Kleindealer aus Harburg. Die winzigen Sandkristalle lassen die Droge harzig aussehen und machen sie schwerer - da Marihuana nach Gewicht gehandelt wird, ein geldwerter Vorteil. Oder Blüten werden mit Haarspray besprüht - mit dem gleichen Effekt.
Unerfahrene Raucher veräppeln die Dealer mit einem Griff in den Küchenschrank: "Wir mussten viele Kräuter und grüne Tees aus dem Angebot nehmen. Die Leute haben damit ¸Gras` gestreckt", so die Mitarbeiterin eines Fachgeschäfts für Hanffreunde in Eimsbüttel.
In der Szene munkelt man, dass die Menge klein gehalten wird, um die Preise hochzutreiben: Der Grammpreis liegt "normalerweise" bei rund sechs Euro. Derzeit ist unter zehn Euro nichts zu bekommen.
Zudem sprießen illegale "Shops" aus dem Boden - Bars, in denen es zur Cola "Gras" gibt. "Da zahlt man dann das Doppelte", schimpft Kiffer Niklas S. (26) aus Horn, der vermutet, dass hinter den Kulissen Dealer den Markt neu ordnen.
Der unfreiwillige Entzug bringt die sonst eher antriebsschwachen "Gras"-Raucher auf die Palme: "So was habe ich in meiner achtjährigen Kifferzeit noch nie erlebt.", sagt Alexander S. (24) aus Jenfeld. "Wir leiden."
Info: HASCH RISIKEN UND HILFE
Gras gilt als "weiche Droge". Eine Fehleinschätzung, wie Dr. Rainer Thomasius von der Drogenambulanz für Jugendliche am UKE warnt "Cannabis kann Folgeschäden wie Depressionen, Angstzustände und schlimmstenfalls sogar Schizophrenie auslösen."
Selbst wenn es nicht zum Schlimmsten kommt Zu den Folgen eines dauerhaften Cannabis-Konsums gehört zunehmende Antriebsschwäche. Gewohnheitskiffer fühlen sich den Anforderungen der Leistungsgesellschaft immer weniger verpflichtet, aber auch immer weniger gewachsen - und das schadet zumindest dem Schulabschluss.
Cannabis-Konsumenten unter 26 Jahren und ihre Eltern finden Hilfe bei der Drogenambulanz für Jugendliche und junge Erwachsene am UKE Tel. 428 03 42 17 (Terminabsprache) oder werktags von 9 bis 11 Uhr (ohne Termin).
Auch die Suchtberatung "Drei" (Grindelallee 41) hilft Jugendlichen, wenn das Kiffen plötzlich wichtiger als Freunde und Hobbys wird. Tel. 422 90 86.
Zitat: »So was habe ich in acht Jahren Kiffen noch nicht erlebt« |