http://www.rohstoff-welt.de/news/artikel.php?sid=23822Ausblick 2011 für Getreide, Sojabohnen, Baumwolle
12.01.2011 | 13:00 Uhr | WEINBERG, EUGEN, COMMERZBANK AG
Das erste Halbjahr des vergangenen Jahres war bei Getreide und Ölsaaten gekennzeichnet durch Angebotsüberschüsse infolge der in den beiden Vorjahren erzielten Rekordernten. Zudem bestand die Erwartung, dass erneut sehr gute Ernten im Erntejahr 2010/11 zu einem Anstieg der Lagerbestände führen werden. Aufgrund dessen standen die Preise für Weizen, Mais und Sojabohnen zunächst unter Druck und erreichten im Frühjahr 2010 ihre Tiefstände. Zur Jahresmitte setzte zunächst bei Weizen ein massiver Preisanstieg ein, welcher im Herbst auch die Preise für Mais, Sojabohnen und Baumwolle erfasste (Grafik 1).
Diese Trendwende wurde durch eine Reihe ungünstiger Wetterverhältnisse ausgelöst. In Kanada gab es im vergangenen Frühjahr zuviel Regenfälle, in Russland im letzten Sommer eine Jahrhundertdürre, in Pakistan im Herbst und zuletzt auch in Australien verheerende Überflutungen, in Lateinamerika und Teilen der USA dagegen zu wenig Regen. In der Folge blieben die globalen Erntemengen bei Weizen und Mais deutlich hinter den im vergangenen Frühjahr gehegten Erwartungen zurück. Zudem werden negative Auswirkungen auf die in diesem Jahr zu erwartenden Ernten befürchtet.
Neuerliche Ernteausfälle könnten angesichts der robusten Nachfrage in den Schwellenländern und niedriger weltweiter Lagerbestände für weiteren Preisauftrieb sorgen. Dies gilt insbesondere für Mais, wo das globale Lager-Verbrauchs-Verhältnis am Ende des laufenden Erntejahres mit 14% nur noch knapp über dem im Jahr 2007 erreichten 30-Jahrestief liegen soll. Etwas komfortabler ist die Situation bei Weizen mit einem prognostizierten Lager-Verbrauchs-Verhältnis mit über 20%, bei Sojabohnen mit 17% und bei Baumwolle mit 28%. Bei den meisten Agrarrohstoffen sind die Lagerbestände zudem auf wenige Anbieter konzentriert, und stehen wie im Falle von China dem Weltmarkt nicht zur Verfügung. Da nahezu alle Agrarrohstoffe im Preis ähnlich stark gestiegen sind, dürfte es auch schwierig sein, die Anbauflächen hinreichend auszuweiten, sofern man nicht auf zuvor brach liegende Anbauflächen zurückgreifen kann. Wir rechnen daher für die meisten Agrarrohstoffe mit weiteren Preissteigerungen.
Weizen: Skepsis trotz erwarteter Ausweitung der Anbauflächen
Die Weizenpreise haben im zweiten Halbjahr 2010 zu einem Höhenflug angesetzt, welcher bis zuletzt anhielt. Zu Beginn des Jahres 2011 wurden an der CBOT Preise von mehr als 8 USD je Scheffel erreicht. Dies entspricht einem Preisanstieg um knapp 80% seit Ende Juni. Der an der LIFFE gehandelte Weizenpreis legte im selben Zeitraum sogar um mehr als 90% auf 252 EUR je Tonne zu. So teuer war Weizen zuletzt im Frühjahr 2008. Zwei der fünf größten Weizenexportländer hatten bzw. haben in diesem Erntejahr mit extremen Witterungsbedingungen zu tun.
Zunächst war es die Jahrhundertdürre in Russland, die zu massiven Ernteausfällen und einem von der russischen Regierung verhängten Exportstopp führte. Derzeit kämpft Australien mit den Folgen einer Flutkatastrophe. 10 Mio. Tonnen bzw. 40% der australischen Weizenernte dürften aufgrund von Qualitätsmängeln nur noch als Futterweizen Verwendung finden. In der Folge dürfte es zu weiteren Abwärtsrevisionen der Ernteprognosen kommen (Grafik 2).
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Der Mangel an hochwertigem Mahlweizen dürfte sich in einem Rückgang der weltweiten Weizenvorräte niederschlagen. Nach zwei Jahren des Lageraufbaus soll die Reichweite der weltweiten Weizenvorräte laut USDA-Schätzung im laufenden Erntejahr 2010/11 um 10% auf 11,7 Wochen des Verbrauchs fallen. Dabei sind die Auswirkungen der Flutkatastrophe in Australien u.E. noch nicht hinreichend berücksichtigt. Zudem sind die Vorräte ungleich verteilt. Während im weltgrößten Exportland USA die Lagerreichweite trotz eines Rückgangs um sieben Wochen noch immer 18 Wochen betragen soll, dürfte die Reichweite in der EU als zweitgrößtem Weizenexporteur Ende des Erntejahres nur noch vier Wochen betragen. Das wäre der niedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen vor fünfzig Jahren.
Somit erklärt sich auch die unterschiedliche Entwicklung der Weizenpreise in Chicago und Paris. Während der Preis für LIFFE-Weizen momentan nur noch 12% unter dem im Frühjahr 2008 verzeichneten Rekordhoch notiert, trennen den CBOT-Preis davon trotz des Preisanstiegs noch immer knapp 40%.
Angesichts der deutlich gestiegenen Weltmarktpreise dürfte es im Herbst zu einer merklichen Ausweitung der Anbauflächen gekommen sein. Der International Grains Council (IGC) erwartet einen weltweiten Anstieg um 4%. Nachdem die Winterweizenfläche in den USA im vergangenen Jahr aufgrund der niedrigen Preise auf den tiefsten Stand seit fast 100 Jahren gefallen war, prognostiziert der IGC eine Ausweitung um 18%. Mit einem Zuwachs von 17% soll auch Kanada wieder in etwa eine dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre entsprechende Fläche mit Weizen bestellen und damit den v.a. zugunsten von Raps in den vergangen Jahren erfolgten Flächenrückgang stoppen. In der EU erwartet der IGC dagegen nur eine um 1% steigende Weizenfläche. Diese Annahme scheint zu pessimistisch, bedenkt man, dass Frankreich als größter Weizenproduzent innerhalb der EU seine Weizenfläche um 4% steigern soll.
Der Markt schaut dennoch mit einiger Skepsis auf das nächste Erntejahr. In Russland ist aufgrund der dürrebedingten Verzögerung bei der Aussaat mit einem Rückgang der Anbaufläche für Winterweizen zu rechnen. Von daher ist nicht auszuschließen, dass der Exportstopp über den 1. Juli 2011 hinaus verlängert