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Eine riesige Menge an Dokumenten, die der internationalen Presse zugespielt wurden, könnte demnächst mehr Licht ins Dunkel verschlungener Finanzgeschäfte bringen, als manchen lieb ist. Der Datensatz umfasse rund zwei Millionen E-Mails und die Namen von 130.000 Personen, die ihr Geld in zehn Steueroasen gebunkert haben, berichtete am Donnerstag etwa die „Süddeutsche Zeitung“. Das Spektrum reiche „vom Plutokraten bis zum Präsidenten“, schrieb der britische „Guardian“. Aus den Dokumenten werde auch klar, wie Geld verschoben wird. Weltweite Ermittlungen könnten ein „Erdbeben“ in der diskretesten Branche der Finanzindustrie auslösen.
Vom Waffenschieber bis zum Präsidenten
Das Thema „steuerschonender“ Veranlagungen ist gerade erst durch die Bankenkrise in Zypern wieder aktuell geworden. Nun folgt der Knalleffekt: Dutzende internationale Medien veröffentlichten am Donnerstag gleichzeitig Berichte über ein riesiges Netzwerk von Briefkastenfirmen und Steuersündern. Grundlage sind Daten, die der Presse zugespielt wurden.
Diese vertraulichen Dokumente belegten, auf welchen geheimen Wegen Reiche und Kriminelle Briefkastenfirmen und etwa Trust-Konstruktionen nutzten, um ihr Vermögen vor den Steuerbehörden zu verstecken, aber auch „zweifelhafte Geschäfte“ zu verschleiern, schrieb am Donnerstag die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“). In Deutschland seien die Daten exklusiv der Zeitung und dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) zur Verfügung gestellt worden.
Insgesamt veröffentlichten am Donnerstag Medien in fast 50 Ländern erste Ergebnisse aus der Analyse der Datensätze, die eine anonyme Quelle bereits im Vorjahr dem Internationalen Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) in Washington zugespielt hatte - und diese können sich sehen lassen.
Rund 2,5 Millionen vertrauliche Dokumente
Die Datenmenge aus insgesamt zehn Steueroasen umfasse 260 Gigabyte, es handle sich um 2,5 Millionen Dokumente, und darin würden die Namen von rund 130.000 Personen aus mehr als 170 Ländern aufgelistet. Die Dokumente stammen laut dem Londoner „Guardian“ von zwei in Großbritannien ansässigen Firmen, die auf die Errichtung von Offshore-Gesellschaften spezialisiert und weltweit auf diesem Gebiet führend sind. Im konkreten Zusammenhang sind damit Briefkastenfirmen in diversen Steuerparadiesen wie etwa auf den British Virgin Islands in der Karibik gemeint.
In den Unterlagen zeige sich ein breites Spektrum von Steuerflüchtigen, vom Waffenschieber über den Oligarchen bis zu höchstrangigen Politikern, so die britische Zeitung, „vom Plutokraten bis zum Präsidenten“, von der Tochter eines Diktators bis zu einem britischen Milliardär, der sein Vermögen an den Steuerbehörden - und seiner Ex-Frau - vorbei in die Karibik geschleust habe. Das gesamte in Steueroasen geparkte Vermögen schätze das Consultingunternehmen McKinsey auf umgerechnet rund 25 Billionen Euro, so der „Guardian“.
„Seismische Schockwelle“ im diskreten Geschäft
Die Daten könnten nun eine weltweite „seismische Schockwelle im boomenden Offshore-Geschäft auslösen“. In Erklärungsnot seien Jean-Jacques Augier, ein Freund von Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande, ebenso wie der frühere mongolische Finanzminister und Parlamentspräsident Bayartsogt Sangajav mit seiner Legend Plus Capital Ltd.
Unter den Namen auf der Liste fänden sich auch die von Regierungsbeamten und reichen Familien aus Kanada, den USA, Indien und Pakistan sowie Russland bzw. früheren Sowjetrepubliken, unter anderen die der aserbaidschanischen Präsidentenfamilie Alijew und jener der Frau des stellvertretenden russischen Ministerpräsidenten Igor Schuwalow, Olga Schuwalowa, sowie jener der Tochter des früheren philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos, Maria Imelda Marcos Manotoc.
„Gentleman-Playboy“ und seine „Millionenspiele“
Laut „SZ“ und NDR belegen die E-Mails und vertraulichen Dokumente auch, dass Hunderte Deutsche ihr Vermögen via Briefkastenfirmen „steuerschonend“ veranlagt haben. Der prominenteste Fall sei der des 2011 verstorbenen Industriellenerben und Playboys Gunter Sachs.
Er habe zeitlebens eine „weiße Weste“ behalten, aber nun hätten die Recherchen seine „Millionenspiele“ und „eine neue Seite“ des oft „Gentleman-Playboy“ genannten Sachs zutage gefördert: „die des gewieften Finanzjongleurs, der Millionen in Steueroasen in der Südsee und der Karibik versteckte und das über Jahrzehnte“ - über Scheinfirmen mit klingenden Namen wie Triton Limited, Tantris Limited, Espan Water Trust, Parkland Oak Trust und einige andere mehr.
Weitere Daten werden veröffentlicht
Experten sprächen, so die „SZ“ angesichts der geleakten Daten, vom „größten Schlag gegen das große schwarze Loch der Weltwirtschaft“, der „etliche Steueroasen in Turbulenzen“ bringen würde. Nicht nur das: Auch der eine oder andere Steuersünder dürfte in den kommenden Tagen schlecht schlafen, da „SZ“, „Guardian“ und Dutzende weitere internationale Medien in den kommenden Tagen mehr und mehr von dem vertraulichen Material publizieren wollen. Das ICIJ veröffentliche bereits eine umfangreiche Onlinedokumentation unter dem Titel „Vertraulichkeit zu verkaufen. Das globale Offshore-Geldnetzwerk von innen“.
In welchem weiteren Umfang Österreicher in der Liste verzeichnet sind, war am Donnerstag noch unklar. Allein in der Schweiz sollen laut Ex-SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter 16 bis 20 Mrd. Euro Schwarzgeld aus Österreich auf Konten liegen. Das Finanzministerium interessiert sich offenbar für die aufgetauchten Daten: „Wir gehen der Sache nach“, hieß es auf Anfrage der APA. Mehr wollte man allerdings nicht sagen. |