NoTax: Du hast es vielleicht falsch verstanden, ich heiße das Ganze nicht gut, ich beschreibe nur, was passiert und wieso es passiert. Lohndumping z.B. ist nicht das Ziel sondern nur eine vorübergehende Konsequenz. Ich finde es auch nicht gut, aber es ist nun mal so. Es gibt Produkte, die relativ wenig Know How erfordern, und lohnintensiv hergestellt werden müssen. Dafür sind wir in Deutschland zu teuer, das können andere billiger. Sei ehrlich, wenn du dir einen Wecker kaufst, nimmst du nicht den teuersten, sondern maximal einen günstigen Markenartikel, egal wo er gebaut wurde. Ich finde es scheinheilig zu behaupten, dass es unfair sei, mit Niedriglohnländern konkurrieren zu müssen, aber gleichzeitig kauft man gerne die Produkte aus diesen Ländern. Wenn man trotzdem das Gegenteil versucht, also die Produktion von Billigartikeln in Deutschland zu behalten, wird man auf protektionistische Mittel angewiesen sein, aber dazu später. Mittelfristig bedeutet dies, dass zuerst, um ein Abwandern des betreffenden Unternehmens zu verhindern, die Löhne und Abgaben bis zur Schmerzgrenze gesenkt werden. Irgendwann hilft aber auch das nichts mehr und das Unternehmen wird pleite gehen oder die Produktion verlagern. Alles andere ist Augenwischerei. Ein Beispiel hierfür ist die Textilindustrie, auch wenn es hier immer noch einen einsamen Rufer in der Talkshowwüste gibt. Eine der nächsten Industrien, die abwandern werden, wird die Automobilindustrie sein. Derzeit dürften wir wohl aufgrund des hohen Automatisierungsgrades und der hohen Prozeßkomplexität noch in etwa pari sein mit anderen Standorten. Aber durch die Satellitenwerke wird das Produktions- und Prozeß- und Entwicklungsknowhow seit Jahren sukzessive exportiert. Deswegen bin ich mir sicher, dass in 20 Jahren in Deutschland kein Otto-Normal-VW mehr vom Band rollen wird. In Nordamerika ist derselbe Prozeß zu beobachten. Die einheimischen Werke verlieren eine Fahrzeuggeneartion nach der anderen. Das ist der Zug, den wird keiner aufhalten, solange die halbwegs freie Marktwirtschaft existiert. Ob er wünschenswert und gut ist, ist eine ganz andere Frage. Das einige, was mir Sorge macht, ist, dass in Deutschland nichts Großartiges nachkommt, kein Strukturwandel mehr stattfindet.
@BeMi Es ist ein Irrglaube, wenn der deutsche Export als Beweis für die Wettbewerbsfähigkeit der ganzen Industrie herangezogen wird. Der deutsche Exportüberschuß besteht im wesentlichen aus Wechselkurseffekten und dem Erfolg von Mainstreamtechnologie, wie Automobilbau und Maschinenbau. In beiden Branchen gehört Deutschland mit zu den Marktführern, vor allem im Maschinenbau haben wir immer noch eine Spitzenstellung. Die kommt aber nicht von den günstigen Preisen, sondern sie rührt daher, dass diese Produkte meist besser als die der ausländischen Konkurrenz sind. Und das ist Deutschlands einzige Chance. Solange der technologische Vorsprung sichergestellt ist, können höhere Preise erzielt und höhere Löhne gezahlt werden. Aber vor allem im Automobilbau ist dieser Vorsprung praktisch nicht mehr vorhanden. Das Know How ist mittlerweile weltweit verteilt. Die Qualitätsniveaus egalisieren sich langsam und es wird zunehmend schwieriger, für deutsche Autos - vom Premiumsegment vorerst mal abgesehen- höhere Preise zu verlangen. Und das ist ja das Traurigste an der ganzen Geschichte. Der Technologievorsprung, der vor allem aus der besseren Bildung und auch aus der mittelständischen Struktur entwachsen ist, schmilzt zusehends, weil das Bildungswesen sukzessive verkommt. Ohne es zu merken, sägen die Deutschen an dem dünnen Zweig, auf dem sie noch sitzen. Für mich ist Globalisierung kein Schreckgespenst und ich sehe auch den Strukturwandel als konstanten Prozeß der Geschichte an. Nur leider behindert eben die soziale Marktwirtschaft mit all ihren Subventionen diesen notwendigen Strukturwandel. Wir befassen uns immer noch mit dem Kohleabbau oder künstlich hochgezüchteten Industrien wie der Windkraft anstatt uns mit wirklich Neuem zu beschäftigen. Das ist zwar für die dort Beschäftigten eine Zeitlang ganz angenehm aber langfristig schädigt es unsere ganze Gesellschaft, da wir den Anschluß verlieren. Und aus dem schmerzhaften Eingriff, der angfangs erforderlich gewesen wäre, wird eine Totalamputation.
@reab Deine Vorschläge zur Verbesserung teile ich zu 100%. Aber selbst die werden langfristig nicht ausreichen, da wir damit bestenfalls effizienter werden und andere Länder entweder in diesen Punkten schon einen Schritt weiter sind oder nachziehen werden. Langfristig kann für das rohstoffarme Deutschland nur eines zählen und das sind neue Märkte. Es hilft mir aber nichts, wenn ich mit den höchsten Preisen und nur der marktüblichen Leistung neue Märkte erobern kann. Das wird nicht sehr erfolgreich sein. Die Preise dürfen/müssen höher sein, aber die Produkte müssen top sein. Made in Germany muß restauriert werden, und da hilft nur Bildung, Bildung, Bildung und massive Investitionen in Forschung und Entwicklung. Die Minischritte der Regierung in dieser Richtung sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.
Deine Forderungen nach größeren Märkten und Zöllen sowie anderen Schutzmechanismen widersprechen sich aber. Protektionismus bedeutet automtisch kleinere Märkte, da der Markt keine Einbahnstraße ist. Welches Land er Erde ist auf Dauer bereit, aus Deutschland massenweise Waren zu importieren und selbst für den Export nach Deutschland Riesenzölle zu zahlen? Das haut nicht hin. Nachhaltiges Wachstum gibt es nur über freie Märkte und bessere Produkte.
Die Konsequenzen, die ich persönlich daraus ziehen würde, sind: Kurzfristig Eier zusammenquetschen und durch die Scheiße waten. Heißt: Einschnitte bei Lohn/Kündigungsschutz etc. kurzfristig dort mitmachen, wo es sein muß, um wenigstens vorübergehend nicht weitere Arbeistplätze zu verlieren. Gleichzeitig den Strukturwandel vorantreiben, Subventionen radikal streichen, Sozialsysteme den wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen (das ist wohl der schwerste und schmerzhafteste Brocken), Steuern vereinfachen und nominal senken, Neuverschuldung sukzessive senken bis zum positiven Beitrag, Bildung, Forschung und Entwicklung massiv ausbauen. Daran wird eine Generation über einige Jahr(zehnt)e hinweg zu knabbern haben, aber dann dürfte es wieder bergauf gehen. Andernfalls wird wohl der schleichende Abstieg nicht zu stoppen sein.
Aber wahrscheinlich kommt sowieso alles anders, als man denkt und irgendein externes Ereignis (revolutionäre Neuerfindung, Naturkatastrophe, Krieg) bringt eine unerwartete Wende. |