So. Da bin ich mal wieder mit einem Update. Habe den Geschäftsbericht durch und die wichtigen Zahlen waren ja auch schon bekannt.
Was ist mir nochmal bewusst geworden? Die jetzt folgenden Zeilen werden wenig Bilanzzahlen (weil ja schon seit mehreren Wochen bekannt) oder Kursbetrachtungen (weil für mich irrelevant) enthalten, wen das ausschließlich interessiert, der braucht gar nicht weiterlesen.
Ich würde gern einsteigen bei Seite 37 des GB - der Situation der weltweiten Biotech-Branche. Das Management ist der Ansicht, dass weltweit die Forschungsausgaben aller Konzerne/Institutionen immer weiter steigen, bei derzeit zu beobachtender sinkender Effizienz der Pharmaunternehmen. Auf Seite 38 sieht man dann zwei Diagramme die zwar stark steigende F&E-Aufwendungen weltweit zeigen, während gleichzeitig die weltweiten Umsätze praktisch gleich geblieben sind, in den letzten 10 Jahren. Es wird also immer mehr investiert - nur bahnbrechende Forschungsdurchbrüche mit den dann zu erwartenden Rekordumsätzen lassen zu wünschen übrig. Es gibt Erfolge und Fortschritte ja,- aber in Relation der eingesetzten Mittel sind diese zu langsam am. Es kommt zu wenig bis zum Markt durch.
Es wird anschließend aufgelistet wie die Branche weltweit diesem Problem begegnen will:
- Einsatz von KI und Maschinellem Lernen (ML) - personalisierte Medizin - Zell und Gentherapie
Für diese Wege werden junge Unternehmen ausgegründet um mit neuen Ansätzen Fortschritte zu erzielen.
Was Evotec so direkt nicht schreibt - die alten Rezepte,/die alten Methoden sind so ziemlich ausgereizt. Auf Seite 37 am Anfang des Kapitels ist von auslaufenden Patenten und Reduzierung (!) der Forschungsabteilungen der großen Pharmariesen die Rede, auf Seite 78 im abschließenden Resümee, schreibt das Management vom ungebrochenen Trend des Outsourcings von Forschungsaktivitäten um fixe Kosten in der Bilanz der Pharma-Riesen zu variablen Kosten zu machen. Wer Forschungskosten senken will, wo doch gerade steigende F&E nötig sind - der wird um externe Dienstleister oder Ausgründungen nicht herum kommen. Das passiert wenn in Forschungsbranchen Controller die Macht übernehmen. Man ruht sich auf vergangenen Erfolgen aus, genießt die Patente der Vergangenheit, zahlt dicke Dividenden und wähnt sich im defensiven Gesundheitssektor zuhause - man merkt dann aber nicht, dass der Sektor vor einem Technologiesprung steht...
Steigende F&E-Kosten, langsamere (sichtbare) Fortschritte im Zulassungsprozess, stagnierende Umsätze und auslaufende Patenrechte sind Zeichen der Stagnation der Pharma-Riesen.
Exkurs: Ja man kann sich mal schnell zusammenraufen, um als Pfizer mal schnell Corona zu bekämpfen - aber nur weil man Kontakt zu einem innovativen von Forschern (!) betriebenes Unternehmen wie Biontech hatte und mit denen zusammen schnell die Produktion hochskalieren konnte. Weil jemand anderes vorher die F&E grundsätzlich erledigt hatte und dann nur noch die letzten 10% gegangen werden musste.
Pfizer allein hatte kein Präparat.
Dieser Exkurs zu Corona hat deutlich gemacht, wie die Kooperation der Zukunft aussieht. Ein kleines, wendiges Unternehmen mit fähigen Wissenschaftlern an der Spitze forscht an Wirkstoffen/an der Heilmethode für Marktzulassung und schnelles Skalieren der Produktion ist dann der große Partner/der pharma-Riese zuständig. Und ja, die Behörden müssen dann für die Zulassung auch noch mitspielen. Da hatte es der Corona-Impfstoff relativ leicht.
Nun ist Biontech bis jetzt ein One-Hit-Wonder. Die Pipeline ist klein und kurz und wenn da bei einem der anderen Kandidaten was schiefgeht, dann wird Biontech es natürlich verschmerzen können - viele andere Biotech-Firmen können es nicht. Dann ist das Licht fast schon aus oder man muss Rechte an bereits erfolgreichen Wirkstoffen abgeben oder neue Wirkstoffkandidaten einkaufen, um die Pipeline wieder zu füllen...Morphosys lässt grüßen. Riskant. Sehr riskant.
Das Management von Evotec weiß um diese Entwicklungen und hat sich daher bewusst gegen die risikobehaftete eigene Wirkstoffentwicklung von Präklinik bis zur Zulassung entschieden. Man will vielmehr Dienstleister sein für die Forschungsaktivitäten anderer (Execute/"Fee-for-service") und zeitgleich für eigenen Forschungsansätze Partner suchen, die nach der Präklinik praktisch allein Kosten (und damit Risiken) tragen und im Erfolgsfall (Zulassung) erhält Evotec Umsatzbeteiligungen und auf dem Weg dahin Meilensteinzahlungen (Innovate).
Das kongeniale Zusammenspiel der beiden Segmente ermöglicht übrigens, dass Pipeline-Partner von Innovate durchaus auch Forschungsdienstleistungen der Execute-Sparte in Anspruch nehmen können oder andersherum zufriedene Dienstleistungskunden irgendwann auch Pipeline-Partner von einem frühen Innovate-Wirkstoffkandidaten werden können... Beide Segmente füttern sich sich also implizit gegenseitig. Dabei sorgt das wie geschmiert laufende Dienstleistungsgeschäft dafür, dass hier jeder Investor ruhig schlafen kann und dass Innovate (und damit auch die Pipeline-Partner) die Zeit bekommt, um einen Wirkstoff Richtung Zulassung zu bringen, dann mit entsprechendem Upside-Potenzial im Erfolgsfall.
Soweit ist das ja schon ein paar Jahre bekannt. Im Branchenvergleich risikoarmes Geschäftsmodell, welches profitabel ist und gleichzeitig immer mehr Forschungsausgaben in Krankheitsbekämpfung ermöglicht. Das ist Evotec.
Wir erinnern uns an das Problem der Branche oben: Steigender F&E-Kostendruck bei stagnierenden Umsätzen weil Zulassungen zu langsam kommen...
Evotec hat nicht nur NICHT dieses Problem - es bietet die Lösung und profitiert damit von diesem Zustand der weltweiten Branche.
Evotec IST der Dienstleister an den Forschung ausgelagert wird (S.37 - jährliche Wachstumsrate bis 2028 7,4% der weltweiten Forschungsauslagerung) - und derzeit ist da vor allem die Frühphasenforschung (also 10-15% des Weges eines Wirkstoffen) betroffen. Das Management hält es für möglich, dass bis zu 80% des Entwicklungsprozesses eines neuen Wirkstoffes bis hin zur Zulassung zukünftig ausgelagert werden können. Der Kostendruck wird ja weiter zunehmen. Execute sieht also rosigen Zeiten entgegen, WENN der Dienstleister sich dem stetigen Innovationsdruck stellt und mit seinen Lösungen den anstehenden Technologiesprung bewerkstelligen kann. Deswegen investiert Evotec HEUTE so viel in die eigenen Plattformen und in die unverpartnerte F&E, weil damit die Umsätze von morgen und übermorgen generiert werden.
Wenn also das heute Kleingeister das mangelnde Ebitda-Wachstum bemängeln oder dass der Jahresüberschuss 21 vor allem auf Bewertungsaufschlägen (ergo nicht-betrieblich) von Beteiligungen beruht - dann sehen diese Leute einfach nicht das größere Bild und den Zustand der Branche - weswegen sie ja auch zurecht Kleingeister genannt werden dürfen...
Nur mit innovativen Plattformen die KI einbinden (J.HAL) und mittels ML riesige Datenmengen analysieren können, kann zukünftig überhaupt noch in nachvollziehbarer Zeit ein Fortschritt erzielt werden. EVOpanOmics, EVOgenes, EVOcells tauchen nicht "plötzlich" in der Strategie für 2025 als eigene Elemente auf, weil man mal schnell einen Aktionsplan ausgetauscht hat (wie einige Nebenluftzieher hier im Forum behaupten) sondern weil diese das Innovationspotenzial von morgen erst möglich machen, das Management dies erkannt und konsequenterweise in einen neuen Aktionsplan 2025 gegossen hat.
Weil es eben keine Controller oder zittrige Zertifikat-Inhaber sind - die morgen oder am besten heute noch Rendite sehen wollen, -...weil morgen ja ...ja, weiß ich auch nicht was dann wäre...Rendite so schnell wie Steinhoff eben oder Delivery Hero, nicht wahr? ... Danach wäre man bestimmt zufrieden.
Nein es sind Wissenschaftler. Und sie haben einen Plan, um das Unternehmen, welches heute schon gut funktioniert und profitabel arbeitet, fit für die neue Zukunft zu machen, in der Innovationen und Schnelligkeit in der Entwicklung die Gewinne bringen werden. Um das zu erleben braucht man nur die Aktien langfristig zu halten.
Ihr wisst vielleicht wer Cathie Wood ist, hier eine Audiodatei von ihr:
https://www.youtube.com/watch?v=eOYJbMuJvdU
Sie spricht explizit darüber wie Analysten des Gesundheitssektors Technologie nicht verstehen und wie Technologie-Analysten Vorbehalte gegenüber dem Gesundheitssektor haben. Biotechnologie ist leider beides. Und steht, wie gesagt, an der Schwelle eines zivilisatorischen Technologiesprungs...
Man kann also heute weiter rumjammern, warum die Performance der Aktie hinkt und dass andere Werte ja super laufen und dass die eigenen Scheinchen vom Ausfall bedroht sind. ... -
Oder man versucht wenigstens hier in den weiten des Internets die Möglichkeiten der eigenen Bildung zu nutzen und versucht die Entwicklungen der Branche einzuschätzen und die Gründe dafür zu verstehen, warum der ganze Biotech-Sektor derzeit vielleicht nicht gerade im Fokus ist, was aber für den langfristigen Investor GUT ist, weil er ja dann mehr Zeit hat sich mit Anteilen vollzusaugen BEVOR Mr.Market den Technologiesprung erkennt und dann die Werte je nach Zukunftsfähigkeit neu bepreist...
Ich wünsche euch diese Weitsicht. Macht euch euer Bild.
Euer Connaisseur |