www.wallstreetjournal.de/article/...7323894704578112460927480972.html Blessing ist bei diesen Entscheidungen noch nicht im Fahrersitz. Vielmehr fallen sie in die Verantwortlichkeit des damaligen Bank-Chefs Klaus-Peter Müller. Der sonnt sich inzwischen in seiner Position als Aufsichtsratschef und beaufsichtigt, wie sich Blessing mit der Beseitigung seiner Fehler abmüht. Das Urteil ist nicht verwunderlich. Blessing plant sein Bankhaus zur Multikanalbank umzukrempeln. Zwei Milliarden Euro sollen dafür investiert werden – bei gleichbleibenden Kosten. „Wir müssen diese Investitionen aus der Bank rausschwitzen", erklärt er dazu im Interview mit dem Wall Street Journal. Soll im Klartext heißen, dass Mitarbeiter den Stuhl vor die Tür gestellt bekommen. Wie viele genau, dazu will der Bankchef noch nichts sagen. Aber es kursieren Gerüchte, dass es bis zu 6.000 Mitarbeiter treffen könnte. Entlassungen in dieser Größenordnung durchzuboxen, wird nicht leicht werden. Beim größten Sorgenkind der Commerzbank, dem Privatkundengeschäft, soll sich am meisten verändern. „Hier haben wir Fehler gemacht", räumt Blessing freimütig ein, dass Trends hin zu sicheren Anlageprodukten und mehr Online-Angeboten schlichtweg verschlafen wurden. Jetzt soll der operative Gewinn bis 2016 auf 500 Millionen Euro gesteigert werden – bei geplanten 12 Millionen Kunden. In den ersten neun Monaten 2012 waren es bislang 215 Millionen Euro mit 11 Millionen Kunden. Nur zum Vergleich: Die Deutsche Bank verdiente – inklusive der Postbank – mit ihren 24 Millionen Privatkunden binnen neun Monaten 1,5 Milliarden Euro. Das Ziel ist für die Commerzbank ambitioniert, im Vergleich zur Konkurrenz aber fast ein wenig lasch. Richten soll es die Kernbank aus Privatkundengeschäft, Mittelstandsbank, Investmentbanking und Osteuropageschäft. Hier sollen die operativen Gewinne steigen und die Mittel bereitzustellen, um die Kosten stabil zu halten und gleichzeitig mehr zu investieren. Das Heilmittel der Commerzbank klingt ein wenig nach der Quadratur des Kreises. Kein Wunder, dass die Experten erst einmal Erfolge sehen wollen, ehe sie wieder Zutrauen in die Bank schöpfen. "Neue Normalität"Die Planung des Geldhauses lässt zudem darauf schließen, dass die Frankfurter auf die Erholung der Märkte setzen, um ihre Ziele erreichen zu können. Aber wenn man eines aus der anhaltenden Schulden- und Finanzkrise gelernt haben sollte, dann doch bestimmt, dass inzwischen nichts mehr so ist wie es einst war. Selbst die Commerzbank redet von der „neuen Normalität". Begriffen scheint man das aber nicht unbedingt zu haben. Auch wenn die Kritik an den Zukunftsplänen schon laut wird und sich der Aktienkurs seit Bekanntgabe der Strategie auf Talfahrt befindet: Blessing selbst will den Umbau der Bank „bis zum Ende" begleiten. Sein Vertrag läuft noch bis Oktober 2016. Aber wird er den wirklich absitzen können? Auf der Hautpversammlung fordern die Kleinaktionäre mit schöner Regelmäßigkeit seinen Kopf. So lange Blessing die Unterstützung aus Berlin hat, ist das für ihn unkritisch. Bisher steht der Staat, der 25 Prozent plus eine Aktie an dem Bankhaus hält, hinter dem Vorstandschef. Doch die neue Strategie muss bald Früchte tragen. 6 Euro je Aktie hat der Bund 2009 für die Commerzbank-Aktie bezahlt. Aktuell ist seine Beteiligung weniger als ein Viertel wert. Trotzdem bleibt den Aktionären keine andere Wahl als abzuwarten. Erst wenn die Politiker die Geduld verlieren oder Blessing den Staat wieder aus der Commerzbank draußen hat, können Aktionäre auf Veränderungen hoffen. Welcher Fall zuerst eintritt – darüber darf spekuliert werden. |