Guten Abend liebe Mitleidenden,
bisher war ich stiller Mitleser, doch das soll sich heute Abend ändern. Wirecard war die Hoffnung im Dax und hat mich bis insbesondere auch durch Herrn Braun überzeugt. Demgemäß sind auch bei mir im Depot ganze 2750 Stück zu einem Einkaufspreis von 131,50€ bei mir im Depot zu finden... Von Beruf bin ich Rechtsanwalt und auch auf Kapitalmarktrecht spezialisiert. Aus diesem Grund erlaube ich mir auch eine kurze Betrachtung zum KPMG Bericht abzugeben:
Vorweg, es ist nicht alles so negativ, wie es medial dargestellt wird. Schließlich handelte es sich um eine forensische Prüfung von KPMG, die sicherlich auch bei anderen Zahlungsdienstleistern aufgrund der schieren Masse an Transaktionsdaten zu Problemen geführt hätte. Ein Zahlungsabwickler, der global tätig ist, prüft sich eben anders als der Italiener von nebenan. Ich vermute, dass selbst KPMG von den ungeheuren Datenmengen und der Komplexität überrascht war, die es Zahlungsdienstleistern wie WDI überhaupt ermöglicht ihr Geschäft gewinnbringend zu betreiben.
Allerdings ist das keine Entschuldigung für die Tatsache, dass KPMG - in einer von WDI selbst in Auftrag gegebenen Prüfung - die Kooperationsbereitschaft rügt. Ferner ist der Umstand, dass nach fast 6 Monaten Prüfung ein Untersuchungshemmnis zu den schlimmsten öffentlich erhobenen Vorwürfen festgestellt wurde, eine Frechheit seitens WDI. Insbesondere dann, wenn man die Tweets und Aussagen der letzten Monate von Markus Braun berücksichtigt.
Sehr positiv zu werten ist allerdings die Tatsache, dass WDI die internen Systeme seit 2019 überarbeitet hat und in dem Zuge auch die "Elastic Engine" zur Bilanzprüfung implementiert wurde. KPMG sieht dies sicherlich ähnlich, sonst hätte man keinen Platz im Bericht für den Hinweis verschwendet. Im Spiegel, ManagerMagazin etc. habe ich jedoch keinen Hinweis zu der Elastic Engine gelesen, was bestimmt nicht daran liegen wird, dass keiner der Redakteure den Bericht vollständig gelesen hat ;) Die ausführliche Reuters Meldung war wohl für die meisten ausreichend, um sich ein Urteil zu bilden.
Hinsichtlich der 2019er Prüfung sollte man deshalb auch nicht all zu negativ sein. Der Monat Dezember wird einen großen Teil der Weihnachtsumsätze enthalten und forensisch auf die Authentizität geprüft. Ich bin mir relativ sicher, dass die Umsätze in den anderen Monaten/Quartalen korrekt verbucht wurden, wenn sich im Dezember keine Abweichungen feststellen lassen. Von KPMG gab es diesbezüglich ja auch schon eine leichte Entwarnung, da bisher keine Abweichungen, zu den von WDI ausgewiesenen Umsätzen festgestellt werden konnten. Somit ist die Prüferweiterung erstmal nicht negativ.
Negativ ist jedoch die Kapitalmarktkommunikation von WDI. Sorry, aber das geht gar nicht. Man kann doch keinen Bericht veröffentlichen, den 99% der Marktteilnehmer nicht verstehen und dann im Laufe des Tages KEINE Pressemeldung mit Erklärungen zu den Einzelheiten abgeben!! Hinzukommt noch ein Markus Braun, der Wirecard in einer kurzfristig angesetzten Telefonkonferenz vor Analysten als ENTLASTET ansah. Stattdessen hätte Braun lieber Einzelheiten zur Elastic Engine und dem Buchungssystem erläutern können. Mich als Aktionär hätte das jedenfalls etwas mehr beruhigt. Den PR Beratern von WDI fällt wohl ohnehin nichts mehr ein. Unfassbar.
Obwohl ich weiterhin vom Geschäftsmodell überzeugt bin, habe ich meinen Glauben an Herrn Braun verloren und werde in den kommenden Wochen wohl die Reißleine ziehen. Ich bin mir aber sicher, dass der Bericht etwas zu negativ wahrgenommen wurde.
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