Interview aus der heutigen FAZ . Bemerkenswert fand ich die Aussage im letzten Absatz: Auf den Wohnungsmärkten sind die Finanzmakler auch heute noch unterwegs und bieten 100 oder 120 Prozent Finanzierungen für Einfamilienhäuser an, immer noch ohne Bonitätsnachweis der Darlehnsnehmer. Wenn das so flächendeckend gilt, wird die Finanzindustrie in den USA noch länger an ihren Problemen laborieren, als ich bisher dachte. Ausblick auf die Märkte „Immobilien sind keine Wachstumsbranche mehr“ 19. Januar 2009 Herr Rüger, Sie sind seit den Jahren des Wirtschaftswunders im internationalen Immobiliengeschäft tätig. Was erwarten Sie angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise vom deutschen Immobilienmarkt? Lassen Sie mich mit Blick auf fast fünfzig Jahre Tätigkeit auf den Immobilienmärkten sagen: Immobilien sind angesichts der stagnierenden Bevölkerungsentwicklung keine Wachstumsbranche mehr; aber Immobilien haben sich nicht nur in den vergangenen 50 Jahren, sondern zu allen Zeiten als die solideste Kapitalanlage erwiesen. Auch in jüngster Zeit: So haben die Kurse vieler Aktien allein im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren, Immobilien in Deutschland dagegen allenfalls einen Bruchteil. Und heute? Ist es Zeit für den Einstieg? Vorsicht! Zum einen muss zwischen Gewinner- und Verliererregionen und zum zweiten zwischen den konjunkturanfälligen Büromärkten und den konjunkturell widerstandsfähigen Wohnungsmärkten unterschieden werden. Unsere Wohnungsmärkte haben sich zehn Jahre nicht bewegt und keinen Höhenflug erlebt, da wird es auch keinen Absturz geben. Die Büromärkte in den deutschen Großstädten aber sind in der Tat heiß geworden. Dennoch erwarte ich keinen Absturz, sondern eher ein Jahr der Stille auf den Märkten. Einige der großen Vermögensberater sagten Preiskorrekturen von 20 bis 30 Prozent voraus? Wenn es in diesem Jahr eine Pleitewelle in der Wirtschaft geben sollte - und es spricht leider viel dafür -, werden die Märkte mit einer Welle von Arbeitslosigkeit konfrontiert. Das heißt zwangsläufig, dass die Büromieten fallen werden. Ein solches Szenario verführt zwangsläufig dazu, die Werte der Gebäude ebenfalls im Sturzflug zu sehen, wenn sie verkauft werden müssen. Wenn der Investor sie aber behält, führt das nur zu einem vorübergehenden Ertragseinbruch. Tatsächlich ist moderner Büroraum knapp und teuer. Für attraktive Gebäude an bevorzugten Standorten - ob hier in Köln oder bei Ihnen in Frankfurt - gibt es keinen Mangel an Interessenten, vor allem dann nicht, wenn die Mieten gesunken sind. Nicht die modernen Gebäude sind das Problem, sondern die weniger attraktiven, aus denen die Mieter ausziehen. Die alten Gebäude stehen dann leer. Sind beste Objekte (Prime Property) in den Bürohochburgen immun gegen Preisverfall? Natürlich nicht - das haben die vergangenen Wirtschaftskrisen gezeigt. Aber heute ist die Situation eine völlig andere. Zum einen wird seit Jahren wenig gebaut. Zum anderen gibt es eine Erwartungskluft zwischen Anbietern und Anlegern von Immobilien. Die einen warten auf Notverkäufe in der Hoffnung auf günstige Gelegenheiten, die anderen setzen auf eine Besserung des Marktes. Niemand wird Objekte auf den Markt werfen aus Furcht vor einem Preiskollaps. Es sei denn, es handelt sich um Fonds und Investoren, die dringend liquide Mittel brauchen. Zum Teil werden die Banken - wenn sie es sich finanziell leisten können - die Bestände halten und erst am Markt anbieten, wenn er sich verbessert hat. Ich erwarte ein Jahr mit äußerst geringen Umsätzen auf den Immobilienmärkten. Stille auch auf den Wohnungsmärkten? Wir müssen klar unterscheiden zwischen Regionen mit Abwanderungstendenzen und Ballungszentren mit Zuzug und gesunder Entwicklung. In vielen ostdeutschen Regionen liegen die Märkte wegen der Abwanderung der jungen Menschen brach, in Westdeutschland ist in den ländlichen Regionen allenfalls Stagnation anzutreffen. In den Ballungszentren aber wird trotz steigender Haushaltszahlen seit Jahren so wenig gebaut, dass in Ansätzen schon wieder Wohnungsknappheit entsteht. Doch auch hier warne ich: Die Wohnungsmieten, die seit Jahren unterhalb der Inflationsrate liegen, werden keineswegs in die Höhe schießen, sondern die Nebenkosten. In Berlin liegen die Kaltmieten je Quadratmeter bei 4,50 Euro im Monat - die Nebenkosten aber bereits bei 4 Euro je Quadratmeter. Wer das nicht mehr zahlen kann, zieht in den Plattenbau, wo die Mieten bei 2,50 Euro liegen und die Nebenkosten bei 4 Euro - zugegebenermaßen eine perverse Situation. Aber auch dort werden die Mieten allenfalls minimal steigen. Und wer gar seinen Arbeitsplatz verliert, muss sich in Deutschland nun gar keine Gedanken mehr um seine Wohnungsmiete machen. Hartz-IV-Empfängern zahlt die öffentliche Hand die Mieten und Nebenkosten. Also auch hier keine Chance für Mietsteigerungen. Sie gelten als Pionier des deutschen Beteiligungsmarktes und haben Hotels in aller Welt hochgezogen, Kliniken und das Ostseebad Damp 2000 gebaut. Wie geht es weiter mit der Fondsindustrie? Damals halfen hohe Steuervorteile über Marktschwierigkeiten hinweg. Steuern in Vermögen wandeln war das Schlagwort und aus gutem Grund immer auch umstritten. Heute ist dieser Markt zusammengebrochen. Wenn bei einem Fonds etwas schiefläuft, erleiden die Anleger nicht nur Verluste; sie müssen dann sogar die Steuervorteile zurückzahlen. Angesichts der Gefahr von Sammelklagen halten sich die Banken als Vertriebspartner aus weiser Vorsicht zurück - obwohl über einige Fernsehkanäle weiterhin für solche Beteiligungen geworben wird. Ich habe mich aus diesem Markt zurückgezogen, seit die unternehmerische Entscheidungsfreiheit von streitbaren Juristen eingeschränkt wird und vor allem, weil prognostizierte Renditen über einen längeren Zeitraum nicht erwirtschaftbar sind. Sie sind seit 15 Jahren auch in Amerika engagiert. Wie sehen Sie die dortigen Immobilienmärkte angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise? Der neue amerikanische Präsident wird weitere Milliardenbeträge zur Rettung der Wirtschaft benötigen. Auch wird das eigentliche Übel - die Niedrigzinspolitik - unvermindert fortgeführt. ANTWORT: Auf den Wohnungsmärkten sind die Finanzmakler auch heute noch unterwegs und bieten 100 oder 120 Prozent Finanzierungen für Einfamilienhäuser an, immer noch ohne Bonitätsnachweis der Darlehnsnehmer. Ich sehe in vier bis fünf Jahren die Gefahr für eine Rieseninflation und einen Dollar, der an Wert verliert. Amerikas Wirtschaft ist hoch gefährdet. Aber auch dort muss differenziert werden. Es gibt weniger anfällige, und es gibt hoch gefährdete Immobilienmärkte, darunter jene, die einen Höhenflug erlebt haben wie Las Vegas, Kalifornien, Florida und New York und jetzt in Turbulenzen geraten. Das Gespräch führte Jens Friedemann. http://www.faz.net/s/...2F8C3504D4AC297555~ATpl~Ecommon~Scontent.html |