Am Dienstagabend kostete ein Euro kurze Zeit noch 1.0075 Franken. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kurs die Parität erreicht, gilt als hoch. Steuert die Nationalbank am Mittwoch gegen?
Der Euro ist am Dienstagmittag erstmals unter die psychologisch wichtige Marke von 1.05 Franken gefallen. Am Abend tauchte die Gemeinschaftswährung sogar unter 1.0075 Franken und notierte bei 1.0152 Franken. Damit ist die Schweizer Währung der bisher undenkbaren Parität – ein Euro entspricht exakt einem Franken – gefährlich nahe gekommen. «In der momentanen Panikstimmung ist es gut möglich, dass wir schon bald Richtung Parität tendieren», sagt Jan Poser, Chefökonom der Bank Sarasin, im Gespräch mit 20 Minuten Online.
Erneut und mit verschärften Mitteln gegen die Frankenstärke stemmen könnten sich aber bald die Schweizerische Nationalbank (SNB). Vergangene Woche hatte SNB-Präsident Hildebrand angekündigt, der Aufwertung des Frankens nicht mehr tatenlos zusehen zu wollen. Poser vermutet, dass die Nationalbank bereits am Mittwoch ein nächstes Zeichen setzt und weitere Schritte gegen die Frankenhausse ankündigt.
Hildebrand bringt sich in Stellung
«Ich erwarte eine Politik der Nadelstiche», meint der Sarasin-Ökonom, also eine Vielzahl von aufeinanderfolgenden Interventionen. Als erstes dürfte die Nationalbank mit Nachdruck ankündigen, dass sie die Frankenstärke nun entschieden bekämpfen will. Die Bekanntgabe eines Kursziels – wie sie es die Währungshühter 1978 zur D-Mark einmal machten – ist aber eher unwahrscheinlich. Die Nationalbank wäre danach sozusagen zum Kaufen verdammt und müsste, um die Glaubwürdigkeit zu erhalten, bis zum Erreichen des Kursziels intervenieren.
Poser erwartet, dass sich der Franken nur schon durch klare Worte der Währungshüter abschwächen könnte, worauf die Nationalbank die einsetzende Gegenbewegung mit Devisenkäufen unterstützen dürfte.
Ein Anzeichen, dass sich die Nationalbank in Stellung bringt, ist laut Poser Philipp Hildebrands Aussage von letzte Woche. Der SNB-Präsident verkündete, dass er den Franken für «absurd überbewertet» halte. Ein weiterer Hinweis auf einen baldigen Schlag der SNB: Trotz massiver Kritik am zögerlichen Vorgehen der Notenbanker hat der Bundesrat nach seiner ausserordentlichen Sitzung vom Montag den Währungshütern bewusst den Rücken gestärkt und sich hinter die Politik von Hildebrand & Co. gestellt.
Schmerzgrenze längst erreicht
Dass die Nationalbank bald eingreift, glaubt auch David Marmet von der ZKB: «Die Währungshüter können nicht mehr lange zusehen. Die Schmerzgrenze ist eigentlich schon eine Weile erreicht», so der Währungsspezialist. Im Zentrum steht dabei die Frage: Wann übersteigen die Kosten des währungsbedingten Konjunkturschadens die langfristigen Kosten einer Devisenmarktintervention, sprich Inflation?
Marmet vermutet, dass die Notenbanker mit der Intervention zuwarten werden, bis die aktuelle Panik an den Märkten vorbei ist. Der Grund: Würde die SNB zum aktuellen Zeitpunkt intervenieren, wäre die Massnahme enorm teuer. Die Schweizer Währungshüter müssten sich gegen die geballte Kraft von verängstigen Anlegern wehren, die derzeit in den Franken flüchten,
US-Zins bleibt auf Niedrig-Niveau
Auswirkungen auf den Frankenkurs hatte auch die Ankündigung der US-Notenbank. Im Anschluss an die Bekanntgabe des Zinsentscheides in den USA ist der Franken nochmals stärker geworden.
Die amerikanische Notenbank hatte wie erwartet verkündet, dass die Leitzinsen unverändert gelassen würden. Ausserdem hat sie erklärt, dass die Tiefzinsphase noch mindestens bis Mitte 2013 anhalten werde. Die Notenbank sieht gestiegene Abwärtsrisiken für die Wirtschaft.
Der Franken hat allein während des Handels am Dienstag gegenüber dem Euro von gut 1,08 Franken im frühen Geschäft um beinahe acht Rappen zugelegt.
Dass der Franken-Euro-Gleichstand ganz erreicht wird, glaubt auch Sarasin-Chefökonom Poser nicht, denn paradoxerweise gilt: «Je näher wir der Parität kommen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir sie doch nicht erreichen.»
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