Handyverträge Das Ende der Mobilfunk-Dienstleister
In den Anfangstagen des Mobilfunks hatten sie einen Marktanteil von 60 Prozent. Doch heute schließt kaum noch jemand Verträge bei Debitel, Mobilcom oder Freenet ab. Ihr Geschäftsmodell hat ausgedient. Fieberhaft suchen sie neue Ideen.
Debitel: Das Geschäftsmodell zieht nicht mehr
So holt man sich eine blutige Nase. Zunächst versuchte Paul Stodden mit einem Angebot für Handy-TV vorzupreschen, um zahlungsfreudige Kunden zu gewinnen. Doch der Zulauf blieb spärlich. Dann wollte der Debitel-Chef bessere Bedingungen gegenüber den Media-Markt- und Saturn-Märkten durchboxen. Doch Debitels wichtigster Vertriebspartner wurde infolge der Attacke fast abtrünnig. Damit scheiterte Stoddens zweiter Versuch, den geringen Gewinn des größten deutschen Mobilfunkdienstleisters deutlich zu steigern.
Im Juli vorigen Jahres wurde Paul Stodden durch Axel Rückert ersetzt. Doch auch der erfahrene Sanierer Rückert wird die Probleme des Mobilfunkdienstleisters kaum im Handstreich lösen. Debitel steht enorm unter Druck, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Andernfalls könnte die Firma unter die Räder kommen. Damit steht Debitel keineswegs allein. „Der klassische Service-Provider hat keine Zukunft“, sagt Torsten Gerpott, Professor für Telekommunikation an der Universität Duisburg. Auch für andere Mobilfunker wie Freenet-Mobilcom, Talkline, The Phone House oder Drillisch ist die Zukunft ungewiss. Vor gut einem Jahrzehnt, Mobilfunk galt den Deutschen noch als neue Technologie, benötigten die Netzbetreiber die Dienstleister. Debitel und Co. erwarben in großem Umfang Minutenpakete von D1, D2 und E-Plus. Anschließend formten sie daraus eigene Tarife und verkauften diese. Zahlreiche Läden in Fußgängerzonen zeugen davon. Damals ergatterten die Service-Provider einen Marktanteil von 60 Prozent. Inzwischen ist er auf weniger als 25 Prozent geschrumpft – Tendenz sinkend. Den Läden in den Fußgängerzonen mangelt es an Kunden. Der deutsche Mobilfunkmarkt ist mittlerweile gesättigt. Und so sehen die vier Netzbetreiber – T-Mobile, Vodafone, E-Plus und O2 – die Diensteanbieter heute kaum noch als zusätzlichen Vertriebskanal, sondern als unliebsame Konkurrenz. Obendrein sind die Minutenpreise für Handygespräche in den vergangenen drei Jahren drastisch gefallen. Das hat die Gewinnspannen der Service-Provider deutlich geschmälert. Das Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr.
Die Netzbetreiber diktierten die Konditionen für die Vermarktung, heißt es in einer Studie des Telekommunikationsverbandes VATM. So seien die Diensteanbieter „nicht in der Lage, eigenständig Preissenkungen einzuleiten“. Damit haben sie aber kaum eine Chance gegen Discounter wie Simyo oder Aldi-Medion, die seit Mitte 2005 den Markt aufmischen. Denn diese wiederum müssen kein eigenes Filialnetz für den Vertrieb von Handyverträgen aufbauen. Sie verkaufen die neuen Billigprodukte einfach über die ohnehin schon bestehenden Läden. „Die Billigheimer machen uns allen schwer zu schaffen“, räumt Ralf-Peter Simon, Chef von The Phone House, ein. Die meisten Marktbeobachter erwarten schon seit Längerem, dass einige Service-Provider andere übernehmen, um so wenigstens Konkurrenten auszuschalten. Bisher hat sich jedoch nur der weitgehend unbekannte Mitspieler Drillisch vorgewagt. Das Unternehmen aus der hessischen Provinz hat den kleineren Konkurrenten Telco geschluckt und zwölf Prozent an Freenet-Mobilcom ergattert. Marktbeobachter betrachten den Einstieg aber in erster Linie als Spekulationsgeschäft – mit einem baldigen Wiederausstieg von Drillisch. Solche Manöver scheinen im Zweifelsfall auch gewinnbringender als Fusionen. Denn wenn zwei Anbieter ihre Geschäfte in den besten Lagen zusammenlegen können, dann steigert dies zwar die Vertriebskraft, löst aber nicht das Kernproblem: das nicht mehr zeitgemäße Geschäftsmodell. Einige Service-Provider gehen deshalb einen anderen Weg. So will sich The Phone House von einer Telefongesellschaft in ein Handelsunternehmen verwandeln. „Dazu werden wir verstärkt die Originalprodukte der Netzbetreiber vermarkten und langfristig keine eigenen Tarife mehr kreieren“, sagt Firmenchef Simon. Aber selbst für den Händler wird sich das Geschäft verändern. Denn die ehemaligen Mobilfunker wollen auch vom Boom bei DSL-Festnetzanschlüssen profitieren. „Unser strategischer Ansatz lautet: Welcher DSL-Kunde nimmt auch noch einen Handyvertrag dazu?“ Diese neue „Verkaufsphilosophie“ muss aber erst einmal richtig bei den Kunden ankommen. Von den 1,5 Millionen Abonnenten von The Phone House sind bisher gerade einmal 100.000 DSL-Kunden. Auch Marktführer Debitel drängt in den Handel. Vorstandschef Rückert will den Stuttgarter Diensteanbieter zu einem „Haus der Marken“ machen. Dazu hat Debitel die Handelskette Dug übernommen. Es sollen dann vor allem Handy- und DSL-Verträge unter fremden Namen verkauft werden. Der einst zugkräftige Markenname Debitel wird Stück für Stück in den Hintergrund treten. Parallel dazu will Debitel eine große Anzahl von T-Punkten aufmachen. Die Stuttgarter haben wie auch The Phone House eine Lizenz erworben, um Verkaufsstellen für die Deutsche Telekom zu betreiben. Schlagworte Debitel Freenet Mobilcom Mobilfunk Geschäftsmodell „Mit zwei großen Händlern ist der Markt aber auch schon zu“, meint Telekom-Professor Gerpott. Weshalb der zweitgrößte Anbieter Freenet-Mobilcom in eine andere Richtung strebt. Das Unternehmen will sich offenbar zu einem „virtuellen Netzbetreiber“ weiterentwickeln. Mit eigener Netztechnik, die eine große Zahl eigener Dienste und auch größere Tariffreiheit ermöglicht. Die Frage ist allerdings, ob dies die Netzbetreiber zulassen. http://www.welt.de/webwelt/article798844/...ilfunk-Dienstleister.html |