Lichtblick in die Zukunft
LED-Chips werden wohl bald die Glühbirne verdrängen - ein Siegeszug, an dem einige NRW-Firmen maßgeblich beteiligt sind von Andreas Fasel
Der Fortschritt ist in Solingen mit einer Hand zu greifen - in Form eines fünf Zentimeter kleinen Metallzylinders, der einen beeindruckend hellen Lichtstrahl durch die Nacht wirft. Man könnte das unauffällige Gerät für ein simples Taschenlämpchen halten; man kann es aber auch als „ein Stück Technikgeschichte" würdigen, wie Harald und Rainer Opolka meinen. Die beiden 47 Jahre alten Zwillingsbrüder (Firmenname: „Zweibrüder") sind die Hersteller und Vertreiber dieser Mini-Lampe, die unter dem lustigen Namen „Photonenpumpe" fünf Millionen Mal verkauft wurde - in nur zweieinhalb Jahren. Inzwischen sind Dutzende anderer Modelle hinzugekommen, und aus der einstigen Garagenfirma ist ein 500-Mitarbeiter-Unternehmen mit eigener Produktionsstätte in Südostasien geworden.
Doch das eigentlich Bemerkenswerte am Erfolg der Solinger Firma „Zweibrüder" ist, dass mit ihren Leuchten die Vorteile einer technologischen Neuerung schlaglichtartig bekannt und populär wurden. Denn in den Zweibrüder-Lampen stecken weder Glühdrähte noch Halogengase, sondern LED-Chips.
Synthetisch hergestellte Halbleiterkristalle, die Licht absondern, sobald sie durch elektrischen Strom angeregt werden (Light Emitting Diode, kurz LED), kennt man seit Jahrzehnten. Sie dienen lange schon als Kontroll- und Stand-by-Lämpchen bei Elektrogeräten, wegen ihres geringen Stromverbrauchs und ihrer Unverwüstbarkeit waren sie für solche Zwecke ideal. Doch als Ersatz für Glühbirnen taugten LED-Chips vorerst nicht, sie waren nicht hell genug. Es sei aber von Anfang an klar gewesen, dass dieses Problem bald behoben sein würde, erklärt Harald Opolka: „Denn die Helligkeit von LED-Chips nimmt ja im Jahr um 20 bis 30 Prozent zu." Und so zweifelten die „Zweibrüder" nie daran, dass in den LEDs die Zukunft des künstlich erzeugten Lichts zu suchen sei.
Dies ahnten auch die Gründer der in Aachen ansässigen Aixtron AG, ein Unternehmen, das ganz am Anfang der LED-Wertschöpfungskette steht: Aixtron liefert die chemische Verfahrenstechnik für die Herstellung jener so genannten „ultrahellen Chips", die sich nun mit ihren 100.000 Betriebsstunden Lebensdauer anschicken, die verschleißanfällige, stromfressende Glühbirne abzulösen.
Eine Hürde auf dem Erfolgsweg der LEDs waren die Patente, mit denen sich die japanische Firma Nichia die Herstellung von blau und weiß strahlenden Dioden gesichert hatte. Noch vor fünf Jahren, erinnert sich der Aixtron-Sprecher Claus Ehrenbeck, „musste man für eine einzige blaue Diode vier, fünf Dollar zahlen". Doch mittlerweile haben sich liberalere Interpretationen des Patentrechts durchgesetzt, und ein blauer LED-Chip ist nun für 70 Cent zu bekommen. „Wir freuen uns, wenn die Preise fallen", kommentiert Ehrenbeck. Denn damit wächst die Produktion - und das Geschäft der Aixtron, die bei der Technologie für die Herstellung ultraheller Chips einen weltweiten Marktanteil von 65 Prozent vorzuweisen hat.
Die meisten Aixtron-Kunden sind außerhalb Europas angesiedelt. Einer jedoch hat seinen Sitz im niederrheinischen Kamp-Lintfort: die Global Light Industries GmbH (G.L.I.), die seit fünf Jahren Dioden herstellt. Seit vor knapp zwei Jahren der süddeutsche Automobilzulieferer Schefenacker die G.L.I. in seine Holding übernahm, arbeiten die Kamp-Lintforter fieberhaft an LEDs für Rücklichter, Bremslichter, Blinklichter - und zwar ausschließlich in ihrer eigenen, heimischen Produktionshalle, und nicht etwa in China oder Taiwan, wo die meisten Leuchtdioden gefertigt werden. Sich gegen diese Billiganbieter zu behaupten, sagt G.L.I.-Geschäftsleiter Markus Kamp, sei nur möglich „durch unser einzigartiges Verfahren". Kamp erklärt es so: Üblicherweise werde eine millimeterkleine, auf ein Plättchen aufgedampfte Halbleiterschicht in Kunstharz getunkt, fertig ist eine Diode. Beim G.L.I.-Patent hingegen werden die Halbleitermoleküle im Spritzguss-Verfahren von durchsichtigem Kunststoff umschlossen, so sind LEDs in jeder beliebigen Form machbar, in jedem Design. Was dies zur Folge habe, werde man an der nächsten Mercedes-S-Klasse bestaunen können, verspricht Kamp.
Bei einigen Modellen, etwa dem VW-Phaeton, werden bereits jetzt LED-Rücklichter eingebaut. „In einigen Jahren wird das Standard sein", sagt Kamp. Denn die Vorteile der flachen, von außen aufs Blech geklebten Leuchten lägen auf der Hand: kleinere Öffnungen in der Karosserie, dadurch weniger Lärm im Innenraum sowie bessere Crash-Eigenschaften und geringere Produktionskosten. Und bald schon gebe es LEDs von einer solchen Helligkeit, dass sie auch als Frontscheinwerfer einsetzbar seien. Wann? „Im Jahr 2006", so hofft Kamp, „und wir sind dabei."
Dann wird es zu Begegnungen zweier Welten kommen. Auf der einen Seite: Autos, rundum mit LED-Leuchten ausgestattet. Ihnen gegenüber: Ampeln, in denen Glühbirnchen brennen. Denn zwar werden schon seit einigen Jahren in vielen Städten einzelne Signalanlagen mit Leuchtdioden getestet; zwar erhoffen sich die Kommunen von dieser Technik Einsparungen: weniger Stromverbrauch, weniger durchgeschmorte Lampen. Doch beim Kölner Signalanlagenbauer Stoye heißt es: „Es gibt noch zu viele unbekannte Größen für einen flächendeckenden Einsatz." Die strengen EU-Normen seien ein Problem. Andere sehen das Problem bei den Ampelherstellern selbst, die ja auch an Wartungsverträgen verdienen. „Aber", so beschwichtigt Reinhard Tews, bei der Bundesanstalt für Straßenwesen zuständig für alles, was leuchtet: „bei neu anzuschaffenden Ampeln wird in fünf Jahren kein Mensch mehr an Glühlampen denken."
Artikel erschienen am 16. Feb 2003 |