Woher willst du wissen, dass wir gerade das Mittelteil einer W-Formation ausbilden? Die W-Formation ist nur eine Möglichkeit von vielen.
Keine Ahnung, warum fast alle wie selbstverständlich davon ausgehen, dass die wirtschaftlichen Folgen zwingend einen zweiten bottom zur Folge haben müssen.
Scheint aber absolute Mehrheitsmeinung zu sein. Danach soll es entweder noch tiefere Tiefs geben oder im Sinne deiner W-Formation zumindest einen zweiten bottom auf ähnlichem Niveau..
1. Es ist immer verdächtig, wenn ein derartiger Konsens besteht, denn dann greift zwangsläufig Murphys law.
2. Diese Retailer-Konsens-Denkweise vernachlässigt völlig die Denke und Situation der major market player. Nur auf diese kommt es an. Diese Leute sitzen aktuell auf Unsummen an Geld, welches sie gewinnbringend anlegen müssen und stehen untereinander in harter Konkurrenz. Deshalb gehen diese Leute auch recht früh wieder long, eben weil es sich keiner leisten kann, etwas zu verpassen. Geht der eine rein, folgen auch die anderen aus lauter Angst, den Zug zu verpassen. Und je höher die Kurse steigen, desto mehr gehen rein, eben weil die Anderen es ja auch machen . Ist quasi nen gruppendynamischer Prozess derjenigen, auf deren Verhalten es im Markt entscheidend ankommt. Wer da nach ca. 40 % Verlust in den Indizes passiv bleibt, riskiert schlichtweg seinen Job. Daher ist eine zumindest temporäre Kaufpanik dieser Kreise nach ca. 40 % verlust in den Indices für mich zumindest nachvollziehbar und auch rational erklärbar.
3. Auch wenn in den Krisen Anfang 2000 und 2009 die Bodenbildung deutlich länger gedauert hat, ist das kein Widerspruch. Aktuell werden die Märkte mit Kohle ohne Ende geflutet und Gelder staatlicherseits für alles und jeden bereitgestellt. Das ist definitiv ebenso beispiellos in der jüngeren Geschichte, wie das Virus selber. Natürlich wird es bei kleineren Firmen und Selbständigen Insolvenzen geben. Aber wenn es im Grundsatz gute (mittelständische) Firmen sind, stehen am Ende der Krise mit Sicherheit schon die Investoren mit prallgefüllten Taschen zur Übernahme bereit. Und das viele größere Firmen ihre Dividenden kürzen, ihre Prognosen revidieren und ggf. aufgenommene Kredite in den Folgejahren zurückzahlen müssen, dürfte gegenwärtig bereits als allgemein bekannt (und somit halbwegs eingepreist) angesehen werden. Von daher ist es durchaus denkbar, dass wir anstelle einer W-Formation z.B. nur am Boden ein V ausbilden, welches dann aber ab einem gewissen Erholungniveau in eine sägezahnartige Seitwärtsbewegung übergeht. Es muss ja nicht gleich die V-förmige Erholung à la GS mit ATHs zum Jahresende sein. 4. Oft werden am Anfang einer Erholung - fälschlicherweise - immer Short-Eindeckungen für die auf breiter Front wieder anziehenden Kurse verantwortlich gemacht, weil man es sich nicht anders zu erklären vermag. Bei gewissen, runtergeprügelten Einzelwerten, mag das auch temporär stimmen. Aber mitnichten im Großen und Ganzen. Nach ca. 40 % Verlust in den Indizes steckt kein vernünftig denkender major market player mehr auf breiter Front in kurzen Hosen. Das ist schlichtweg absurd.
5. Charttechnik hilft übrigens in solchen Situationen kaum. Ebenso wie im Downtrend all die Unterstützunglinien der Reihe nach durchbrochen wurden, werden im Up deren Pendants in Gestalt der Widerstandslinen in Nullkommanichts Makulatur. 6. Zurück bleiben dann am Ende fassungslose Retailer, die zugedröhnt von den aktuellen Negativ-News die Welt nicht mehr verstehen, den Kapitalismus beklagen und sich z. T. in Verschwörungstheorien ergehen. Aber auch hier wird immer wieder vergessen oder es ist zumindest nicht wirklich verinnerlicht worden, dass an der Börse nicht die aktuelle Situation, sondern eine - fiktive - Zukunft gehandelt wird. So wie die Welt in ca. 6-9 Monaten - gedacht - aussieht. Und da muss man ehrlicherweise sagen, dass die Annahme, das Virus bis dahin halbwegs vernünftig in den Griff bekommen zu haben, nicht unbedingt realitätsfern erscheint, zumal fast die ganze Welt mit Hochdruck an einem Impfstoff forscht und u.a. bereits große Fortschritte z.B. in Richtung Schnellerkennung einer Infizierung (innerhalb von 2 Stunden) gemacht wurden.
Hinzu kommt: Die sich - trotz gelegentlicher Zweifel - allgemein durchsetzende Erwartung bzw. Annahme, in 6-9 Monaten noch zu leben, also mehr oder weniger kollektiv dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen zu sein, rechfertigt ja wohl auf jeden Fall einen 30-40 % igen Kurssprung ohne zwingend einen zweiten oder gar tieferen Boden - aufgrund der wirtschaftlichen Folgen - befürchten zu müssen.
Ist ähnlich wie nach dem 2. Weltkrieg. Da waren auch erst einmal alle froh, dass Ding überhaupt überlebt zu haben. Den Rest hat man dann schon gewuppt. :-) |