Raimund Brichta, Moderator und Börsenexperte von n-tv.Freiherr von Münchhausen hätte an den Amerikanern seine wahre Freude. Sie machen jetzt wieder einmal das, was dem Lügenbaron nur in seiner Phantasie gelang: sich am eigenen Schopfe aus dem Morast zu ziehen!
Dieses Mal funktioniert es vermutlich so: Millionen kleiner Leute, die mit billigen Zinsen in Wohneigentum gelockt wurden, das sie sich eigentlich gar nicht leisten können, bekommen den anfänglichen Lockvogelzins auf Jahre verlängert. Normalerweise würde er nach einer Schamfrist kräftig heraufgesetzt. Bleibt er aber nun niedrig, erspart man sich unzählige Zwangsversteigerungen, die ansonsten unvermeidbar wären. Das wiederum entlastet den amerikanischen Konsumenten, von dessen Ausgabenfreude das Wohl und Wehe der gesamten Wirtschaft abhängt.
Aber das ist nur eine Seite des Münchhausen-Deals. Damit sich die Banken und all die anderen Baufinanzierer ihre "Zinsgeschenke" an die Eigenheimbesitzer überhaupt leisten können, brauchen sie die Hilfe der Notenbank. Ben Bernanke und seine Leute werden also ihren Leitzins weiter nach unten schrauben, und zwar vermutlich tiefer, als sich das die meisten Banker bis jetzt erträumen. Bravo! So macht man das. Und das ist auch keine Hilfe von außen, denn Banken, Regierung und Notenbank sitzen schließlich auf demselben Pferd, das sie gemeinsam in den Sumpf geritten haben.
Und was bedeutet das für die Börse? Dank der Selbsthilfe-Aktion können nun all die Charts und Statistiken in die Tonne getreten werden, die seit Monaten in der Finanzwelt zirkulieren und die jeder Experte, der etwas auf sich hält, schon mindestens einmal mit sorgenvoller Miene kommentiert hat. Ich meine die Grafiken, die zeigen, dass in der ersten Jahreshälfte 2008 die so genannten "Zinsanpassungen" (das ist z.B., wenn aus Lockvogelzinsen "normale" Zinsen werden) ihren Gipfel erreichen.
Diese Prognose-Charts kennt mittlerweile jeder und deshalb dürfte die Börse sie in Ihrer Bedeutung auch schon längst verarbeitet haben. Schließlich ist es hauptsächlich das Überraschende, das an der Börse zählt! Jetzt aber liegt das Überraschungspotential sogar auf der Gegenseite: Dass die Prognosen nicht - oder zumindest nicht in erwartetem Ausmaß - eintreffen, damit haben nämlich die wenigsten an der Börse gerechnet.
Deshalb ist die jüngste Kurserholung vermutlich auch mehr als das in diesen Tagen so gerne zitierte "Strohfeuer". Klar, man kann sich nie hundertprozentig sicher sein, ob es nicht doch noch mal abrutscht. Aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist nach meiner Einschätzung in nächster Zeit wesentlich geringer als 50 Prozent.
Zumal auch die Markttechnik eine deutliche Sprache spricht: Während viele Leute davon reden, dass bereits ein neuer "Bärenmarkt" begonnen habe (also ein längerfristiger Abwärtstrend), schaffen es die führenden Börsenbarometer nicht einmal, neue Tiefststände zu erreichen. Weder der Dow Jones, noch der umfassende S&P 500 konnten ihre Tiefs aus dem August unterbieten. Vom Hightech-Index Nasdaq oder unserem DAX ganz zu schweigen. Die drehten sogar DEUTLICH ÜBER ihren August-Tiefs wieder nach oben.
Ich frage Sie: Sieht so ein Bärenmarkt aus? Und gebe Ihnen gleich den Tipp: Schauen Sie lieber darauf, welche Sprache der Markt spricht. Denn nur DER gibt die Richtung vor.
Was die Amerikaner vorhaben, überrascht mich im übrigen nicht. Sie handeln nämlich nur nach dem Muster, das wir schon seit Jahren kennen: Krisen, die ihre Ursachen letztendlich in einer riesigen Flutwelle an Geld haben, die über den Globus schwappt, werden in NOCH MEHR Geld ertränkt. Schleusen auf! Leider bleibt den Verantwortlichen auch gar nichts anderes übrig, als so zu handeln. Denn die Alternative wäre eine heftige Wirtschaftskrise, für die niemand verantwortlich sein will. Diese Krise verschiebt man lieber in die Zukunft, wenn man selbst nicht mehr "verantwortlich" - sprich im Amt - ist.
Und auch das erinnert an Münchhausen, der es ja bekanntlich fertig gebracht hat, auf einer Kanonenkugel zu reiten. Ob dieser Ritt für uns so glimpflich enden wird wie für den Lügenbaron, weiß ich nicht. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass der Einschlag noch über Jahre hinausgezögert wird.
In der Zwischenzeit könnte man ja mal die Münchhausen-Spiele in Bodenwerder besuchen,
meint Ihr Raimund Brichta |