Nachdem ich die Walze von Mittwoch überlebt habe, und der ganz besonders unsägliche Herr nicht in unmittelbarer Nähe zu sein scheint, drängt es mich doch noch einmal zu einem (partiellen) Widerspruch: Fillorkill021: "Selbstverwirklichung des Individuums ist, ernstgenommen, dem Begriff nach selbst Zweck. Dies schliesst logisch aus, sich einer kollektiven Funktionalität unterzuordnen. Die ganze Freiheit, die es im Kapitalismus zu haben gibt, fusst auf dieser Freiheit des Individuums. Das berühmte pursuit of happiness: Du kannst tun und sein, was Du willst. Die Ratio dabei ist die, dass all die 'ungeregelten' individuellen Willen in einer Art und weise zusammenwirken, die letztlich die 'Wohlfahrt der Nationen' ermöglicht und befördert. Und zwar weil sie dies ungeregelt tun. Dafür spielt es, wie die Geschichte beweist, keine Rolle, ob einzelne sich (scheinbar) unproduktiv oder dysfunktional verhalten..." Das halte ich für zutiefst falsch. Es wirkt auf mich wie ein mechanistisch-hedonistisches Credo in Weiterführung der 68-Leitmotive. Der Mensch ist von seiner Anlage her ein soziales Wesen, und heutige Glücks- (oder niedriger gehängt: Zufriedenheits-) Forschung kommt weit überwiegend zu dem Schluss, dass Glück/Zufriedenheit aus der Beziehung zu anderen und dem subjektiven Einklang mit einer Gruppe entsteht (im Gegensatz zu Materiellem). "Gruppe" ist dabei wie eine Gravitation zu sehen, d.h. es gibt ein stark wirkendes Zentrum, Familie und enge Freunde, bis hin zu kulturell geprägten Kräften, zu denen z.B. Heimat (z.B. Rheinland, Bayern), aber auch die so oft als anrüchig verteufelte Nation gehören. Aus all dem folgt, dass die Selbstverwirklichung eines Individuums sehr wohl in der Harmonie mit der Gruppe, ja vielleicht sogar besonders in dem Gefühl liegen kann, nicht nur etwas für die Gruppe getan zu haben, sondern in ihr auch nützlich zu sein. Also sich an ihr orientieren zu wollen und Selbstverwirklichung sind keine Antipoden. Zanoni028: Ich halte ebenfalls jegliche Form von Kollektivismus für eine Vorstufe eines Totalitarismus. Dem könnte ich (auch aus dem vorher gesagten) allenfalls aus Sophismus zustimmen, sozusagen wie jegliche Form von Küchenmesser eine Vorstuffe des Massenmordes ist... Im Folgenden kommst du dann aber, deinem Ruf bei mir wieder voll gerecht werdend ;-), auf das, was im Leben so oft das Geheimnis von Erfolg ist, aber so selten gut und erfolgreich praktiziert wird, nämlich die Güterabwägung: Wenn das Allgemeinwohl dem Wohl des Einzelnen absolut übergeordnet wird, was für manche auf den ersten Blick nach sozialer Gerechtigkeit klingen mag, dann ließe sich auf dieser Grundlage jegliche Form von Eingriffen in die persönlichen Freiheitsrechte des Einzelnen rechtfertigen. Wenn das Wohl des Einzelnen absolut übergeordnet würde wäre dies jedoch ebenfalls problematisch. Alle möglichen Arten von Vorteilsnahmen Einzelner zu Lasten Dritter müsste man dann nämlich als legitim ansehen - Kartellbildungen, Preisabsprachen Ausbeutungen von Arbeitnehmern etc. Das Wohl des Einzelnen sollte daher dem Allgemeinwohl immer gleichrangig gegenüber stehen, d.h. es muss immer eine Verhältnismäßigkeitsabwägung getroffen werden, bei der diese beiden Pole in einen angemessen Ausgleich gebracht werden und keines hinter dem anderen nachteilig zurücksteht. Meines Erachtens auch eine wichtige Voraussetzung für die Atmosphäre einer Demokratie, in der sich Menschen, die sich begegnen, mit einem Lächeln begegnen. Ja, so sehe ich das auch. Aber jetzt verdünnisiere ich mich mal wieder, bevor der erwähnte unsägliche Herr mit seinem Antifaschismus-Flammenwerfer wieder zuschlagen kann... |