Toyota arbeitet am Abschied vom Öl von Finn Mayer-Kuckuk Der japanische Autokonzern Toyota wird angesichts der schwierigen Lage auf dem US-Markt in der Vorausschau vorsichtiger. Das Unternehmen senkte seine Absatzprognose für das kommende Jahr und kündigte einen weiteren Umbau der Produktion in Amerika an.
Toyota-Prius-Produktion im chinesischen Changchun: Auch in den USA soll in Zukunft vermehrt das Hybrid-Auto vom band laufen. HB TOKIO. Zudem zieht Toyota die Markteinführung neuer Umwelttechniken vor und will ein Steckdosenauto bereits ab kommenden Jahr auf mehreren Märkten verkaufen. "Wir passen uns flexibler an als bisher und müssen auch auf künftige Entwicklungen wendiger reagieren", sagte Firmenchef Katsuaki Watanabe gestern bei Vorstellung der neuen Mittelfriststrategie.
Es sei derzeit schwer, die Geschäftsentwicklung zu prophezeien, warnte Watanabe. Er sehe zahlreiche Unsicherheitsfaktoren wie die Konjunkturentwicklung in den USA, den Ölpreis, aber auch mögliche politische Unruhen in Schwellenländern. Toyota wollte im kommenden Jahr eigentlich erstmals über zehn Millionen Fahrzeuge absetzen - das war noch vor wenigen Monaten der Stand der Planung. "Der scharfe Abschwung auf vielen wichtigen Märkten infolge der Subprime-Krise hat uns dieses Ziel revidieren lassen", sagt Watanabe. Das Unternehmen will aber immer noch 9,7 Mill. Einheiten absetzen. Das sind 200 000 mehr, als für das laufende Jahr geplant sind. Kürzlich erst hatte Toyota des Ziel für 2008 gesenkt. "Die Lage der Branche wird immer schwerer", sagte Analyst Edwin Merner von Atlantis Investment in Tokio. "Die neuen Toyota-Zahlen sehen aber sehr realistisch aus."
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Toyota liefert sich seit drei Jahren ein knappes Rennen mit dem US-Rivalen General Motors (GM) um den höchsten Autoabsatz. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Wettbwerbern: Toyota verdient mit jedem Auto gutes Geld, während GM im Schnitt draufzahlen muss. Die operative Gewinnmarge der Japaner lag im abgelaufenen Quartal bei 6,6 Prozent. Für die kommenden Jahre kündigte Watanabe eine Steigerung der Marge gegen den Branchentrend auf zehn Prozent an. "Wir können beispielsweise das aufwändige Hybridsystem für den Prius bereits 50 Prozent günstiger herstellen als vor neun Jahren. Jetzt senken wir die Kosten weiter", sagt Watanabe. Der Prius verfügt sowohl über einen Elektro- als auch über einen Benzinmotor. Er verbraucht im Stadtverkehr ein rundes Viertel weniger Sprit als herkömmliche Autos. "Wir arbeiten am Abschied vom Öl", so Watanabe.
Der schnittige Hybridwagen steht auch im Mittelpunkt einer neuen US-Strategie. Hier krempelt das Toyota-Management die Ärmel hoch, um die Produktion dem neuen Umfeld anzupassen. In erstaunlich kurzer Zeit haben die Japaner Überkapazitäten für die aus der Mode gekommenen Stadtgeländewagen und Pritschenlaster abgebaut. Statt dieser Typen soll im Werk Mississippi künftig der Prius vom Band laufen. Am Standort Indiana sollen mehr leichte Nutzfahrzeuge statt Pkw entstehen. "Wir passen unser Modellprofil drastisch an die Gegebenheiten wie den Benzinpreis an", so Watanabe. Es tue ihm leid, die Schichten in den USA so zusammen streichen zu müssen. Andererseits sehe er hohe Motivation bei den Mitarbeitern, sich für künftiges Wachstum vorzubereiten. Von diesem auf das kommende Jahr erwartet Toyota eine Stagnation des US-Absatzes bei 2,7 Mill. Autos, leicht unter dem Wert von 2007. Ein Europa soll der Verkauf dagegen um 50 000 Stück zulegen. Die Konsumenten in Amerika haben derzeit nach einer Kreditkrise wenig Geld.
Branche unter Strom: Welches Elektroauto welcher Hersteller plant
Ab dem kommenden Jahr soll der Prius auch in einer Variante mit Stecker zum Wiederaufladen an der Garagensteckdose erhältlich sein. Autofahrer mit kurzem Weg würden dann beim Pendeln zur Arbeit gar kein Benzin mehr verbrauchen - der erste Schritt auf dem Weg zum Elektroauto. Bis 2010 soll das reine Elektroauto dank praxistauglicher Lithion-Ionen-Batterien eine breite Käuferschicht ansprechen. Parallel dazu ist die Einführung eines Wasserstoffautos mit Brennstoffzelle geplant. Für alle diese Typen hat Toyota einen neuen, noch geheimen Batterietyp in Arbeit, der alle derzeit verfügbaren Techniken laut Watanabe in den Schatten stellen wird. Neue Materialen sollen die Abhängigkeit vom Stahlpreis verringern und die Autos leichter machen.
Auch andere Hersteller drücken derzeit mit Öko-Techniken aufs Gas. Der deutsche Konkurrent VW hat ähnliche Projekte in Arbeit wie Toyota - wenn auch die angepeilte Marktreife für die neue Generation von Elektro- und Hybridautos etwas weiter in der Zukunft liegt. Ausgerechnet in den USA will VW zudem ab 2010 mit einer neuen Fabrik Toyota Marktanteile abjagen und den Absatz binnen weniger Jahre verdreifachen. Analysten sind jedoch extrem skeptisch, ob sich die gut etablierten Japaner ausgerechnet in einer Absatzkrise schlagen lassen. Toyota betreibt in den USA sieben große Standorte, VW gar keinen. Zudem scheint VW ausgerechnet auf die Fahrzeugtypen zu setzen, von denen sich Toyota bereits weitgehend verabschiedet hat: Stadtgeländewagen.
Als künftige Schwerpunktmärkte nennt Watanabe dagegen ausschließlich Schwellenländer: Indien, China, Russland und Brasilien. Hier soll sich die Zahl der spezialisierten Vertragshändler nahe beim Kunden binnen kurzem vervielfachen. Seine Strategie für diese Länder umreißt er beispielhaft für Indien: Erst bietet Toyota ein neu entwickeltes Billigauto im Wert von wenigen tausend Euro an. Die neu gewonnen Kunden sollen dann - einmal zu Geld gekommen - dazu gebracht werden, auf Mittelklassemodelle wie den Corolla umzusteigen. "Das Unternehmen wirft sich auf neue Märkte und befindet sich als Marktführer dazu in einer guten Position", sagt Hitoshi Yamamoto von Fortis Asset Management in Tokio. Toyota hat im Quartal von April bis Juni einen Umsatz von knapp 40 Mrd. Euro (6,2 Bill. Yen) gemacht und dabei einen Nettogewinn von 2,7 Mrd. Euro (454 Mrd. Yen) erzielt. Im Gesamtjahr 2007 lag der Gewinn bei zehn Mrd. Euro (1,7 Bill. Yen). Toyota gibt in der Branche am meisten für Forschung und Entwicklung aus.
Der Scheinkrisenkonzern
Toyota liebt Krisenstimmung. Obwohl das Unternehmen pausenlos mehr Autos verkauft als je zuvor, macht Konzernchef Watanabe schlecht Wetter. "Wir haben viele Fehler gemacht" - "Wir befinden uns in der Krise" - Wir sind alles andere als perfekt." Auch Prognosen stellt das Unternehmen gerne allzu konservativ auf. Negativstrategie
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