28.10.2009 12:41 WSJ: Dt Börse liegt im Rennen um Warschauer Börse offenbar vorn
WARSCHAU (Dow Jones)--Die Deutsche Börse hat offenbar die besten Karten im Bieterprozess für die Warschauer Börse (WSE). Die polnische Regierung könnte aber einen zu hohen Preis erwarten, sagten Analysten. Warschau ist die letzte zum Verkauf stehende Börse in Mitteleuropa und dürfte in Zukunft weiterhin eine große Zahl an Börsengängen (IPOs) in Polen anziehen. Mit Hilfe des richtigen Investors könnte die Börse auch die Schnittstelle für einen Einstieg in das noch unerschlossene Aktienmarktpotenzial in der Ukraine und im Baltikum werden.
Das polnische Finanzministerium hatte die Frist zur Abgabe von Angeboten für einen Mehrheitsanteil an der Warschauer Börse bis zum 6. November verlängert. Auch die Nasdaq OMX Group Inc und NYSE Euronext nehmen noch an dem Bieterprozess teil. Die London Stock Exchange (LSE) hat sich nach Angaben von Kreisen aus dem Verfahren verabschiedet.
"Die Deutsche Börse scheint der stärkste Kandidat zu sein, um den Bieterprozess zu gewinnen", sagte Bernardo Mariano, Analyst bei Equity Research Desk in New York. Die Marktkapitalisierung der an der WSE gelisteten Unternehmen hat sich seit 2004 auf 681 Mrd PLN (240 Mrd USD) mehr als verdoppelt. Die Börse hat mehr neue Notierungen verbucht als alle anderen europäischen Konkurrentinnen.
Sollte aber die NYSE zum Zuge kommen, werde sie Warschau wohl nicht zum Zentrum ihrer Expansionsstrategie machen, hieß es von Analysten. Einerseits dürften die NYSE-Aktionäre darauf achten, das der Konzern nach der teuern Euronext-Akquisition hier nicht zu viel bezahlt, sagte Martin Peter, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg. Andererseits sei das polnische Finanzministerium unsicher, welchen Stellenwert die Warschauer Börse bei der NYSE Euronext hätte, die in New York ansässig ist.
Der Kaufpreis für die Börse könnte das 18-fache der Gewinne 2009 betragen und dies werde von den Aktionären des US-Börsenbetreibers vermutlich verhindert, so Peter weiter.
Das Finanzministerium erhofft sich nach eigenen Angaben das 20-fache der Gewinne - soviel war 2008 für die Prager Börse gezahlt worden. Auf Basis der Ergebnisse des vergangenen Jahres entspräche dies nach Rechnung von Dow Jones Newswires einem Preis von 1,8 Mrd PLN. Der Gewinn lag 2008 jedoch um 44% unter dem Ergebnis von 160 Mio PLN 2007.
Nach Analysteneinschätzung sollte die Deutsche Börse aber maximal das 15- bis 16-fache der Ergebnisse von 2009 zahlen. Eine höher bewertete Transaktion sei eindeutig negativ für den deutschen Börsenbetreiber. Der Vorstandsvorsitzende Reto Francioni könnte aber mit einem Kauf sein Versprechen einlösen, durch Akquisitionen zu wachsen.
Die Deutsche Börse hat derzeit geschäftliche Verbindungen mit der Wiener Börse. Die natürliche Konkurrentin der Warschauer im osteuropäischen Markt nutzt die Handelsplattform Xetra der Deutschen Börse. Die Österreicher sind außerdem an den Börsen in Budapest, Prag und Ljubljana beteiligt und hatten das Unternehmen in CEE Stock Exchange umbenannt. "CEE" steht für Zentral- und Osteuropa.
Sollten die Frankfurter aber Mehrheitseigner der Warschauer Börse werden, wären die Beziehungen nach Polen wesentlich fester, als nach Wien, sagte Jochen Biedermann, der für die Geschäftsentwicklung in der Region zuständige Senior Vice President der Deutschen Börse.
Analyst Peter sagte, dass Polen und Deutschland wirtschaftlich eng verbunden. Angesichts verstärkter Konkurrenz von alternativen Handelsplattformen könnte die Warschauer Börse von der Expertise und der Technologie der Deutschen Börse profitieren. Im Gegenzug bekäme das in Frankfurt ansässige Unternehmen Zugang zu den IPOs, die in Polen im Zuge der Privatisierungsbestrebungen der Regierung noch zu erwarten sind.
Das polnische Finanzministerium wollte den Privatisierungsprozess der WSE vor Ablauf der Frist am 6. November nicht kommentieren. Auch die Sprecher der LSE, Nasdaq, NYSE und WSE lehnten eine Stellungnahme ab. |