28.09.201412:33 Uhr LANGEWEILE ERTRAGEN
Nichtstun will gelernt sein Selbst in der Freizeit sind wir per Smartphone mit der ganzen Welt in Kontakt. Die Folge: Wir ertragen keine Langeweile. Dabei ist Nichtstun gut für uns. Im Zweifel müssen wir es lernen.
Langeweile kann missmutig machen. Denn auch das Nichtstun will gelernt sein. Getty Images Langeweile kann missmutig machen. Denn auch das Nichtstun will gelernt sein. Quelle: Getty Images
DüsseldorfDer moderne Mensch rotiert tagsüber in seinem Hamsterrad, schickt während der Arbeitszeit Nachrichten an Freunde in aller Welt und arbeitet nach Feierabend Dienstmails ab. Außerdem rennt er zum Sport und zum Sprachkurs, fährt die Kinder vom Klavierunterricht zum Kickboxen oder Reiten und geht abends noch mit dem Partner ins Kino. Die Folge: Freizeit wird als noch stressiger wahrgenommen als der Berufsalltag.
Eine Studie von Forschern der Pennsylvania State Universität zeigt sogar, dass bei vielen Menschen die Konzentration des Stresshormons Cortisol am Wochenende höher ist als unter der Woche. „Nach der Arbeit geht es nicht mehr um Entspannung, sondern darum, nichts zu verpassen“, bestätigt Psychologe Joachim Kugler von der Technischen Uni Dresden.
Technik wird zur Nabelschnur
Selbst Kinder leiden unter Freizeitstress. Mit entsprechenden Folgen für die Gesundheit: „Leistungsdruck in der Schule, Freizeitstress am Nachmittag, aber auch Reizüberflutung oder unregelmäßiges Essen führen immer häufiger zu Spannungskopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen oder lösen sogar Migräne-Anfälle aus“, erklärt Hartmut Göbel, Direktor der Schmerzklinik Kiel.
Kein Wunder, dass sich die Deutschen nach mehr Ruhe und Zeit für sich sehnen. Sind die Mußestunden dann aber da, ertragen die meisten sie nicht. In einer Reihe von Experimenten konnten US-Forscher kürzlich zeigen, dass viele Personen es schrecklich finden, mit sich selbst alleine zu sein. Einige verabreichen sich sogar lieber Elektroschocks, als ohne weitere Beschäftigung ihren Gedanken nachzuhängen, berichteten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“.
Wie Sie mit Langeweile umgehen sollten
Akzeptieren Sie das Nichtstun Langeweile ist ein Gefühl wie jedes andere auch. Sie sollten es genauso respektieren und akzeptieren. Es ist also genauso wenig sinnvoll, Ihnen selbst oder Ihrem Kind die Langeweile zu verbieten, wie sich nicht zu gestatten, fröhlich, traurig oder wütend zu sein.
Halten Sie die Langeweile aus Wochenlang haben Sie sich auf den Urlaub gefreut und wenn Sie dann endlich, endlich am Strand liegen, langweilen Sie sich. Statt jetzt alle neuen Videos bei Youtube anzusehen, sollten Sie sich die Zeit nehmen und die Langeweile aushalten. Das Gefühl für die eigenen Bedürfnisse, die im Alltagsstress untergegangen sind, kommt von selbst zurück. Und mit ihm eine Idee, wie Sie sich die zwei Wochen Strandurlaub am sinnvollsten vertreiben.
Erkennen Sie die Chance Langeweile bedeutet nichts anderes, als nicht zu wissen, was Sie jetzt gerade mit sich anfangen sollen. Ist der Job auf Dauer langweilig, sollten Sie das zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, was Ihnen im Berufsalltag fehlt, um ihn wieder spannend zu machen. Sind Sie unterfordert, in der falschen Abteilung, dem falschen Unternehmen oder gleich in der ganz falschen Branche? Die Langeweile kann also durchaus eine Chance sein, zu erkennen, was gerade schief läuft und das dann auch zu ändern.
Die Folgen kennt jeder: Auch außerhalb des Labors beschäftigen wir uns lieber mit Banalitäten als mit reinem Nichtstun: Fällt uns sonntags nichts ein, greifen wir zum Handy. Bietet auch das keinen spannenden Zeitvertreib, wird die unerträgliche Langeweile bei Facebook oder Twitter mitgeteilt – in der Hoffnung, dass ein Austausch mit anderen Gelangweilten entsteht.
„Durch die ständige Erreichbarkeit und die ständige Verfügbarkeit mit Hilfe der modernen Technik lernen Menschen nicht mehr, Verlassenheit und andere negative Gefühle auszuhalten“, sagt Jürgen Ackermann, Psychologe und Psychoanalytiker aus Frankfurt. Dank Facebook und WhatsApp unterbinde der Mensch die Auseinandersetzung mit der eigenen Person. |