Sie bewundern und beneiden das Leben homosexueller Männer: Für immer mehr Heterosexuelle haben Schwule eine Vorbildfunktion
Sie sind Lebemänner - zu finden in allen Metropolen der Welt, in teuren Mietwohnungen oder auf Rockkonzertbühnen. Im Londoner Luxuskaufhaus Harvey Nichols gehen sie zielstrebig auf das Regal mit den knallengen Röhrenjeans zu, und im Nachtklub auf jede halbwegs interessiert aussehende Frau. Sie flirten mit allem und jeder, suchen keine Beziehung, sondern vor allem Vergnügen. Drogen? Vielleicht. Sparen für später? Wozu?
Es ist schwierig, diesen Männern mit ihrem Riesenego im Moment aus dem Weg zu gehen. Sie sind überall. Nur einen Namen hatten sie bislang nicht. Metrosexuell? Zu lasch, zu sehr David Beckham. Gigolo? Zu schmierig.
Das britische Männermagazin "Arena" hat das Phänomen nun endlich betitelt: Diese Herren sind Smegs, kurz für "Straight men who envy gays", heterosexuelle Männer also, die homosexuelle Männer für ihre Lebensweise beneiden - beziehungsweise für das, was sie dafür halten. Smegs wollen wilden Sex, wechselnde Partner und möglichst wenig Verpflichtungen. All das sind zugegebenermaßen die denkbar größten Homosexuellenklischees.
Doch neben dem vermeintlichen Lust- und Spaßgewinn, den das homosexuelle Leben verspricht, sitzt der Neid (und Respekt) der Heteros noch tiefer. Seit Jahren wird der Geschmack und Stil der Masse, also das, was wir gut finden, und das, was wir haben wollen, von Homosexuellen geprägt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Heteros diese Machtstellung begreifen und ihr nachstreben würden.
"Erst kommen die Schwulen, dann die Mädchen und zuletzt die Industrie", erklärt zum Beispiel "Sex And The City"-Charakter Samantha Jones ihrem Freund, dem Schauspieler Smith Jared, wie sich sein Ruhm aufbauen würde. Und als die beiden Homosexuellen Will Truman und Jack McFarland aus der TV-Sitcom "Will & Grace" in der Folge "Sour Balls" ein Häuschen in einem Vorort von New York kaufen, da ist die Aufregung unter den Nachbarn groß. Sogar in der Provinz ist nämlich die Nachricht angekommen, dass es einer Wohngegend guttut, wenn Schwule einen Ort, eine Insel, ein Viertel oder eine ganze Stadt für sich entdecken.
Der Wirtschaftswissenschaftler Richard Florida, Autor von "The Rise Of The Creative Class", hat dieses Phänomen untersucht. Sein Fazit: Wo Homosexuelle leben, entsteht eine Atmosphäre von Toleranz und Weltoffenheit - und diese Stimmung ist wichtig, um Kreative aus der ganzen Welt anzuziehen. Diese Kreativen wiederum sorgen, egal ob nun schwul oder nacheifernder Smeg, für wirtschaftliches Wachstum. San Francisco, mit rund 14 Prozent schwulen Einwohnern quasi die Welthauptstadt homosexueller Lebensart, nimmt auf Floridas Kreativitätsranking den vordersten Platz ein. Las Vegas hingegen landet mit seiner Machoaura aus Glücksspiel und Stripklubs auf einem der hinteren Plätze.
Homosexuelle sagen dem Hetero also, wo es langgeht. Sie sorgen aber nicht nur für Aufschwung in "ihren" Städten. Sie erklären uns guten Geschmack. Als der homosexuelle Designer Hedi Slimane beispielsweise den extra schmal geschnittenen Anzug propagierte, da wurde er nur kurz belächelt, inzwischen hat sich der Trend zu körperbetonenden Anzügen natürlich durchgesetzt. Homosexuelle sagen uns aber auch, was wir für Musik hören sollen. Wenn etwa der schwule Internetblogger Perez Hilton einen Künstler wie den Sänger Mika auf seiner Internetseite lobt, dann laden Zigtausende Smegs dessen Songs auf ihre iPods. Schon bald soll Perez Hilton deshalb ein eigenes Plattenlabel bekommen.
Ein kluger Smeg weiß, wie wertvoll die Anerkennung der Homosexuellen ist. Marketingexperten bezeichnen schließlich nicht ohne Grund Schwule als typische "Early Adopter", als Konsumvorreiter also. Das Leben als Smeg ist insofern nur die konsequente Weiterentwicklung des metrosexuellen Mannes. Denn während Metrosexuellen der betont maskuline Auftritt nur egal war, sucht der Smeg bewusst die Nähe und Anerkennung der homosexuellen Szene. Auch Bill und Tom Kaulitz, die Tokio-Hotel-Brüder, fallen in die Smeg-Kategorie. Dem geschminkten Bill ist es völlig gleichgültig, ob man ihn für schwul hält, während Tom sein Image als polygamer Mädchenvernascher pflegt.
Smegs ist bewusst, dass es durchaus kein Widerspruch ist, etwas schwul, sensibel und zerbrechlich zu wirken und dennoch einen Riesenschlag bei Frauen zu haben. Smegs wie der Schauspieler Jude Law, aber auch Rocker wie Pete Doherty, der Exfreund von Kate Moss, oder sein ehemaliger Bandkumpel Johnny Borrell, der Ex von Kirsten Dunst, belegen das. Und wenn man im Hinterkopf hat, dass beinahe jede Klassefrau inzwischen einen schwulen besten Freund hat, dann verwundert der Erfolg der Smegs auch nicht.
Grundsätzlich leben sie gern allein (was die steigende Anzahl von Einpersonenhaushalten in Deutschland mit erklärt), von der Ehe halten sie nicht viel, und sie sind gern mit Frauen nur platonisch befreundet - wenn auch mitunter in der Hoffnung, dass sich daraus mal was Ernstes ergibt.
Aber ist so ein Smeg-Leben nun überhaupt das eines Möchtegern-Schwulen? Stilprägende Homosexuelle wie die Designer Tom Ford oder Marc Jacobs zumindest haben feste Partner, leben beinahe spießig-bürgerlich. Wie gesagt: Schwule setzen die Trends. Die Smegs folgen mit bewunderndem Abstand. http://www.welt.de/wams_print/article1942086/...er-habens-besser.html |