DAX SENTIMENT INDEX
Jahresendrallye-Jüngern läuft die Zeit davon
In der Adventszeit zählen Kinder die Tage bis Weihnachten; ungeduldig sehen sie dem Abend der Bescherung entgegen. Dieses Jahr dürfte auch eine Gruppe von Erwachsenen rote Markierungen auf dem Kalender vornehmen: die Aktieninvestoren. Seit einigen Wochen schon steht ganz oben auf ihrem Wunschzettel in großen Lettern „Jahresendrallye“. Da die meisten nicht unbedingt an große Umsätze zwischen den Jahren glauben, müssen die Kursgewinne sich natürlich bereits früher einstellen; idealerweise also noch vor Weihnachten. Von den drei Wochen, die dafür zur Verfügung stehen, sind anderthalb bereits verstrichen. Die von den Optimisten herbeigesehnte Hausse lässt jedoch weiter auf sich warten. Seit Mitte November versuchten die Bullen schon mehrfach zum Jahreshoch vorzupreschen – vergebens. Ihre Hörner stießen immer nur gegen eine unsichtbare Wand, die ein halbes Prozent vor dem Gipfel jedes Weiterkommen verhindert. Diese Attacken sind ermüdend und auf Dauer frustrierend. Dabei sah es jedes Mal, wenn sich der DAX seinem Jahreshoch bis auf die besagte Distanz nährte, danach aus, als ob neue Höchstkurse reine Formsache wären. Doch genau dann kam der Markt plötzlich keinen Schritt mehr weiter. Selbst die neuen Hochs am amerikanischen Aktienmarkt und der überraschend positive USArbeitsmarktbericht vom vergangenen Freitag, war dem DAX keine Hilfe. Hinzu kam nun auch noch, dass sich in den letzten beiden Wochen gleich zweimal die fundamentale Lage verdüsterte. Vor vierzehn Tagen in Form des Dubai-Schocks, der jedoch schnell verdaut wurde, und seit gestern aufgrund der Bonitätsherabstufung Griechenlands.
Trotzdem kann die optimistische Mehrheit unseres Panels nicht als unkritisch bezeichnet werden. Auch wenn einigen Gläubigern im Falle Dubais eine Lektion in puncto Kreditsicherheiten erteilt wurde. Sicherheiten, deren Qualität mancherorts anscheinend viel zu spät überprüft wurde. Weil man annahm, es bestünde im Zweifel eine Garantie der dortigen Regierung, betroffenen Unternehmen bei Zahlungsproblemen aus der Patsche zu helfen – ein stillschweigendes Versprechen das offenbar nie überprüft wurde. Wir wollen an dieser Stelle auch nicht rügen, dass man sich vor und nicht erst nach wichtigen Entscheidungen alle relevanten Informationen einholen sollte. Zumal sich mancher Anleiheinhaber beim Kauf der Bonds vermutlich ohnehin von leicht verfügbaren Informationen hat in die Irre leiten lassen. Seien es die TVBilder von riesigen Gebäuden und hohen Baukränen oder die Schilder von eindrucksvollen Bauvorhaben, in Dubai werde in den kommenden Jahren etwas Großartiges geschaffen.
Letztere Nachricht ist weder am Markt noch an der Marktstimmung spurlos vorbeigegangen. Der DAX hat zirka drei Prozent eingebüßt, das Lager der Optimisten unter den von der Börse Frankfurt befragten Vermögensverwaltern dagegen elf Prozent. Allerdings erfuhren die Pessimisten keinen Zulauf, so dass der Bull/Bear-Index lediglich auf das Niveau von vor drei Wochen korrigierte. Damals gab es einige zaghafte Gewinnmitnahmen, die aber bereits nach einer Mini-Korrektur auf 5.640 Zählern sofort wieder in neue Käufe gewandelt wurden. Genau an diesem Niveau hat der DAX übrigens heute auch wieder Nachfrager gefunden. Diese, wohl auf kurzfristige Korrekturen fixierten Händler könnten also bereits schon wieder dabei sein, sich long zu positionieren.
Viel markanter als die jüngste Verschiebung ist aber die Ausdauer, die der harte Kern der Optimisten – und das ist immerhin knapp die Hälfte des Panels – seit Anfang Oktober an den Tag legt. Abgesehen von kurzen Ansätzen innerhalb der großen 5.315er/5.885er Handelsspanne, den einen oder anderen Gewinn zu realisieren, stehen die meisten immer noch bedingungslos, ja fast schon ein wenig verbissen zu ihrer bullishen Sichtwiese. Wir hatten es an dieser Stelle schon öfter erwähnt: Für diese Händler gibt es bis zum Jahresende kein Alternativprogramm. Ein neues Jahreshoch im alten Jahr ist Pflicht, nicht Kür. Und daran werden ihrer Meinung nach weder Dubai noch Griechenland etwas ändern.
Nur läuft ihnen leider langsam aber sicher die Zeit davon. Überdies spricht keiner über den ominösen Unbekannten, der die ganze Zeit bei zirka 5.855 Punkten etwas dagegen zu haben scheint, dass sich die Wünsche der Optimisten verwirklichen. Vergessen sollten sie den mächtigen Abgeber allerdings nicht. Er könnte nämlich immer noch mitten in der besinnlichen Zeit für ein ungemütliches Jahresende sorgen. |