Nach dem Abschuss von MH17 haben die USA und Europa die Sanktionen gegenüber Russland weiter verschärft. Das hat kurzfristig zu deutlichen Ausschlägen am Markt für Öl und Gas geführt. Betroffen von den Sanktionen waren etliche russischen Unternehmen, nicht aber Gazprom. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht, warum sich Europa auf einen Machtkampf mit dem Gasmulti nicht einlassen kann – oder besser gesagt – nicht einlassen will. Denn einen Weg aus der Abhängigkeit von Gazprom gäbe es durchaus, nur könnte der für Bürger wie auch für Umweltorganisationen schmerzhaft werden – kurzfristig steigende Energiepreise wären wohl die Folge und die Suche nach Alternativen – gar ein Zurück zum Atomstrom und ein Ausbau des Fracking in Europa?
Ruhe an der Gasfront: Nach den Angaben des slowakischen Pipeline-Betreibers Eustream fließt russisches Gas trotz der Ukraine-Krise ohne Probleme über die Ukraine in die EU. „Eustream hat an der Verdichterstation in Velke Kapusany keinen Druckabfall oder ein sinkendes Gasvolumen aus Osten in Richtung Europäische Union festgestellt“, hatte der Pipeline-Betreiber zuletzt auf seiner Homepage mitgeteilt. Die Ukraine hat versichert, kein für Europa bestimmtes Gas für eigene Zwecke abzuzweigen. Die EU deckt rund ein Drittel ihres Bedarfs mit Gas aus Russland. Davon fließt etwa die Hälfte über die Ukraine. Der Gaspreis fällt Gazprom auf 10 Jahre
Gazprom auf 10 Jahre
Die Russland-Krise hat nur für einen kurzen Ausschlag der Gaspreise nach oben gesorgt. Inzwischen hat der Preis für britisches Erdgas einen Großteil der Gewinne wieder abgegeben und könnte schon bald die vorherige Talfahrt fortsetzen. Großbritannien ist der größte Gasmarkt in Europa. Laut der Brüsseler Lobby-Gruppe Gas Infrastructure Europe waren zuletzt die Gaslager in den 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu 76 Prozent gefüllt. Das liegt weit über dem Vergleichswert des Vorjahres von 53 Prozent. „Die hohen Lagervorräte quer über Europa drücken auf die Preise“, erklärte der britische Gashändler Wingas zuletzt. Sanktionen der EU schließen Gazprom nicht ein
Die EU und die USA haben zuletzt ihre Sanktionen ausgeweitet und schließen nun auch Rosneft, den größten russischen Ölförderer, ebenso wie den Gasförderer Novatek und die Gazprombank, die drittgrößte Bank, ein. Demnach können die Unternehmen in den USA keine Kapitalerhöhungen oder Anleihen mit einer Laufzeit von mehr als 90 Tagen platzieren. Das könnte langfristige Auswirkungen haben, sitzt doch der Ölmulti Rosneft auf einem Schuldenberg von fast 74 Mrd. Dollar. Bei den Sanktionen ist allerdings Gazprom außen vor. Ein Blick auf die Zahlen zeigt unmissverständlich, warum sich Europa einen Streit mit dem Gasmulti nicht leisten kann. Laut einer Präsentation von Gazprom stammten 30 Prozent des in Europa im Jahr 2013 verbrauchten Gas von Gazprom. Das ist ein kräftiger Anstieg gegenüber dem Vorjahreswert von 25,6 Prozent.
Die Gedanken etlicher Experten und Politiker, im Notfall könnten die USA Flüssiggas nach Europa liefern und damit das ausbleibende Angebot von Gazprom kompensieren, hatten die Chefs von US-Energiefirmen bereits vor Monaten in das Reich der Fabel verwiesen. Gedankenspiele wonach beispielsweise Cheniere Energy, der US-Betreiber von Flüssigas-Terminals, einspringen könnte, hatte Vorstandschef Charif Souki im April mit den Sätzen kommentiert: „Das ist so ein Blödsinn, dass ich gar nicht glauben kann, dass irgendjemand das wirklich glauben kann.“ Trotz des Fracking-Booms sind die USA weiter ein Netto-Importeur von Gas. Am Ölmarkt springt die OPEC ein Brent seit Juli 2012
Brent seit Juli 2012
Ebenso wie der Gaspreis war seit Mitte Juni auch die Notierung für Öl kräftig unter Druck. Grund waren etliche schwache Konjunkturdaten, sowohl aus den USA als auch aus Europa. Das bremst die Nachfrage nach Öl. Experten erwarten, dass der jüngste Kursausschlag nach oben nicht von Dauer sein wird. Laut den Schätzungen der Analysten von Nomura könnte die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) mögliche Produktionskürzungen durch Russland wettmachen. Laut einer Studie der International Energy Agency (IEA) hat die OPEC freie Kapazitäten von 3,25 Mio. Barrel pro Tag.
Russland hatte im Mai 6,14 Mio. Barrel pro Tag exportiert. Ein möglicher Preisausschlag nach oben könnte zudem dadurch abgefedert werden, dass die Läger weltweit sehr voll sind. Demnach sind die Läger in den Staaten der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) mit 2,6 Mrd. Barrel gefüllt, so die IEA.
Selbst bei einer Verschlechterung der Lage in der Ukraine könnten sich die EU und die USA mit Sanktionen gegen Gazprom weiter zurückhalten. In diesem Fall dürften die Gaspreise kaum nachhaltig nach oben drehen. Das gleiche gilt für den Ölpreis, denn moderate Konjunkturdaten aus den USA und Europa könnten ihn weiter im Zaum halten. Daher bleiben alle zuletzt empfohlenen Inliner auf Öl – defensiv und offensiv – weiter haltenswert. |