16.01.2009NAHOST-DIPLOMATIEWettlauf der FriedensstifterVon Yassin Musharbash Zwei arabische Krisengipfel, Livni in Washington, EU-Diplomaten im Shuttle-Einsatz: Auf vielen Kanälen wird versucht, ein Ende der Kämpfe im Gaza-Streifen zu erreichen. Doch noch haben Israel und Hamas nicht eindeutig Stellung bezogen - SPIEGEL ONLINE zeigt, welche Akteure welche Strategien verfolgen. Berlin - Jitzchak Rabin, der 1995 ermordete israelische Premierminister, der einem israelisch-palästinensischen Friedensschluss vermutlich am nächsten gekommen wäre, ist bekannt für den Ausspruch: "Ein diplomatischer Frieden ist noch nicht der richtige Frieden. Er ist ein unabdingbarer Schritt in einem Friedensprozess, der zum richtigen Frieden führt." Rabin sagte allerdings auch: "Inmitten von Kampfhandlungen ist kein Platz für öffentliche Erörterungen." REUTERS Außenminister unter sich: Livni und Steinmeier Irgendwo zwischen diesen beiden Polen - zwischen Diplomatie ohne Garantie auf Erfolg und bewusster Geheimhaltung der diskutierten Details - sind die verschiedenen Initiativen einzuordnen, mit deren Hilfe zurzeit versucht wird, zumindest eine Waffenruhe im Gaza-Streifen zu erreichen, vielleicht sogar ein über längere Zeit belastbares Übereinkommen. Drei Wochen dauern die Kampfhandlungen nun schon an. Über 1100 Palästinenser und 13 Israelis wurden getötet, seit Israel kurz vor Jahresbeginn eine Offensive gegen die islamistische Hamas-Organisation in dem Landstrich begann. Seit fast einer Woche heißt es nun aus allen Lagern immer wieder, eine Waffenruhe stehe womöglich kurz bevor; bislang ist sie jedoch noch nicht zustande gekommen. Waffenruhe binnen 72 Stunden? Schon dies vermittelt einen Eindruck von den Hürden, die es zu überwinden gilt. Jede Initiative ist dabei mit dem grundlegenden Problem konfrontiert, dass Israel und die Hamas nicht direkt miteinander verhandeln, Jerusalem schließt dies kategorisch aus. Also müssen Mittler einschreiten. Am besten aufgestellt ist dafür wohl Ägypten, denn die Nilrepublik verfügt über Gesprächskanäle zu beiden Kontrahenten und ist zudem der wichtigste Araberstaat. Aber alleine kann Staatspräsident Husni Mubarak wohl keinen Durchbruch erzielen. Deswegen haben Frankreich, aber auch Deutschland sowie im Hintergrund auch die Türkei, eine aktive Rolle eingenommen. Und der engste Verbündete Israels, die USA, ist auch integriert. Wobei integriert vielleicht zu weit geht. In Wahrheit werden zurzeit wohl eher parallele Ansätze auf ihre Tauglichkeit getestet; die verschiedenen Verhandler, Vermittler und Akteure bieten Teillösungen an - und im Idealfall passen diese am Ende zusammen wie Puzzleteile und ergeben ein Gesamtbild. Bis dahin aber wird vermutlich noch etwas Zeit vergehen, selbst wenn einige dieser Teillösungen schon als gesetzt gelten können, etwa der deutsche Beitrag. SPIEGEL ONLINE zeigt die bisher bekannten Verhandlungs- und Vermittlungsansätze: Die ägyptisch-französische Initiative ist bisher der meistversprechende Ansatz. Sie begann vor etwa einer Woche deutlich an Fahrt aufzunehmen, seitdem geben sich in Kairo - immerhin - Hamas-Unterhändler, israelische Diplomaten, arabische Delegationen und EU-Emissäre die Klinke in die Hand. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy stärkte den Ansatz, indem er sein politisches Gewicht mit in die Waagschale legte. Mubaraks Plan sieht zunächst eine Waffenruhe vor, womöglich eine begrenzte, die Zeit für weitere Vereinbarungen geben soll. Am Ende soll eine internationale Truppe die Grenze zwischen Gaza-Streifen und Ägypten beobachten oder kontrollieren, in jedem Fall aber verhindern, dass die Hamas sich auf diesem Wege mit Waffen versorgt. Die Hamas müsste zudem den Raketeneinschuss einstellen. Als Gegenleistung ist nicht ausgeschlossen, dass Hamas-Sicherheitskräfte die Grenze mitkontrollieren - möglichst unter dem Dach der von Mahmud Abbas (von der rivalisierenden Fatah) geführten Palästinensischen Autonomiebehörde. Mehrere EU-Staaten erklärten, dass sie bereit seien, Personal zu stellen; auch arabische und muslimische Staaten sollten dazugebeten werden. Hier könnte sich eine wichtige Rolle für die Türkei ergeben. Denn Ankara unterhält gute Beziehungen mit Israel, ist aber als muslimischer Staat auch im Nahen Osten glaubwürdig. Angeblich ist die Türkei bereit, die Führung einer solchen Truppe zu übernehmen. In den letzten Tagen versiegten jedoch die Signale aus Ankara. Deutschland wiederum scheint bereit, eine Teillösung innerhalb der ägyptisch-französischen Initiative beizusteuern - nämlich technische Hilfe bei der Grenzsicherung. Der Einsatz deutscher Polizisten gilt als denkbar, der von Soldaten jedoch (der Ägypten lieber wäre) als ausgeschlossen. Bei seinen zwei Nahostreisen in dieser Woche hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf einen solchen Beitrag hingearbeitet. Die Position der arabischen Staaten ist derweil uneinheitlich. Unter Ächzen kam am Freitag ein Außenministertreffen der Araberstaaten in Kuwait zustande. Ob es Ergebnisse zeitigt, ist ungewiss. Jordanien, das mit Israel einen Friedensvertrag hat, steht hinter Mubaraks Plan. Es wird jedoch mit heftigen Diskussionen hinter verschlossenen Türen gerechnet. Parallel, und damit im Grunde als Konkurrenzveranstaltung, hat der Emir von Katar zu einem arabischen Gipfeltreffen in seiner Hauptstadt Doha geladen. Überraschend wurde bekannt, dass er dazu auch die Führer der Hamas und des Islamischen Dschihad mit seiner Privatmaschine zu dem Gipfel einfliegen ließ. Das steigert die potentielle Bedeutung dieses Treffens - und verdeutlicht zugleich ein Problem. Denn nicht nur die Hamas schießt Raketen auf Israel. Ein Ende des Beschusses muss also auch mit anderen Gruppen abgestimmt werden. Darüber hinaus ist die Hamas kaum wirklich in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen. Das zeigte sich bereits Mitte der Woche, als zwei Emmisäre der Organisation in Kairo die ägyptische Initiative zugleich ablehnten und begrüßten. Auch die sonstigen Signale sind verwirrend. Am Mittwoch sandte die Hamas eindeutig positive Signale. Nachdem Israel am Donnerstag jedoch den wichtigen Hamas-Führer Said Siam tötetet, schwor sie Rache. Und dann soll die Hamas auch noch ein eigenes Angebot gemacht haben, so berichten israelische Medien. Eine einjährige Waffenruhe nämlich, mit der Option auf Verlängerung. Gegenleistung: Die Öffnung aller Grenzübergänge des Gaza-Streifens, also auch der nach Israel, und ein Ende der israelischen Blockade des Landstrichs. Vorbedingung: Ein Abzug der israelischen Armee innerhalb von fünf bis sieben Tagen. Eine offizielle israelische Reaktion gab es nicht. Es blieb auch unklar, wer in der Hamas dieses angebliche Angebot gemacht hat. Die Hamas hat zwei Führungen, eine im Exil in Damaskus und eine in Gaza. Diese Trennung wird von einer weiteren Trennlinie überlagert, denn an beiden Standorten gibt es Hardliner und Pragmatiker. Aber auch Israel hat noch keine wirklich eindeutige Linie gefunden. Die Führungstroika aus Premier Ehud Olmert, Verteidigungsminister Ehud Barak und Außenministerin Zipi Livni ist sich uneins, die beiden Minister, so heißt es, sind für ein baldiges Ende des Krieges, Olmert drängt auf Ausweitung. Als sicher gelten hingegen die israelischen Bedingungen: Ende des Waffenschmuggels und des Raketenbeschusses und - wenn möglich - eine dauerhafte Schwächung der Hamas. Bevorzugt würde es, wenn die Autonomieregierung, die von der Hamas aus dem Gaza-Streifen geputscht wurde, dort wieder eine wichtige Rolle erhielte. Überhaupt, die Fatah: Sie wird von allen Seiten als Verhandlungspartner akzeptiert und gewünscht, ist aber in einem blutigen Zwist mit der Hamas gefangen und hat nur noch im Westjordanland etwas zu sagen. Zudem ist das Mandat des Präsidenten Mahmud Abbas gerade abgelaufen. Vor allem die Araber betonen daher die Notwendigkeit einer Aussöhnung zwischen den Organisationen. Wie schwer diese zu bewerkstelligen sein wird, zeigte sich am Freitag: Im Westjordanland nämlich ließ die Fatah nach Medienberichten etliche Hamas-Kader festsetzen und unterband Sympathiebekundungen für die Islamisten. Solche Aktionen, ebenso wie Abbas' frühe Festlegung, dass die Hamas Schuld am Krieg sei, wird von der Hamas als Verrat ausgelegt. Trotzdem ist die Fatah von den Ägyptern in die Gespräche eingebunden. ...gekürzt.... xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,601637,00.html Viel Erfolg beim beenden des Blutvergiessen. Und hoffentlich für alle beteiligten eine längere Kriegspause als all die male vorher. |