Blaumonchi: Interessanter Link zu Lars Erichsen. Wer da genauer hinhört, stellt fest, dass er Biontech unter allen "Kleinen" (einschl. Moderna) für das beste Investment hält, mit langfristiger Ertragsphantasie, aber natürlich hoher Volatilität. Er hat vorletzte Woche zum Höchststand seine Position komplett aufgelöst (der Glückliche!), und kündigt an, bei 70-75 wieder einzusteigen Sonnenstrahl: Grundsätzlich schöne Analyse/ Situationsbeschreibung, mit ein paar Schönheitsfehlern. 1. "Allerdings schätzt derzeit kein Analyst irgendeinen Gewinn für Biontech in den kommenden Jahren". Upps - schau mal hier https://www.finanzen.net/schaetzungen/biontech 6 Analysten, im Mittel geschätzt 0,06 USD Gewinn/ Aktie 2020, 5,91 USD 2021. Schätzungen vermutlich vor Verwässerung durch Kapitalerhöhung, enthaltene Annahmen unklar, USD/ Wechselkursrisiko etc., dementsprechend wie üblich mit Vorsicht zu betrachten. Aber der Konsens scheint zu sein, dass BionTech ab diesem Jahr nicht mehr zu den Firmen gehören wird, die seit Gründung noch nie Gewinn gemacht haben, und vor denen L. Erichsen richtigerweise warnt. 2. "Somit fehlen uns die wesentlichen Daten für eine faire Bewertungsmethode mit einem Discounted Cash Flow Modell." Ja. Wir können aber etwas anderes versuchen, nämlich die im derzeitigen Kurs enthaltenen impliziten Risikoeinschätzungen des Marktes offenlegen, und dann schauen, ob diese Risikoeinschätzungen rational sind.
Dazu habe ich mal 3 Szenarien gebastelt:
1. Die Corona-Impfstoffentwicklung scheitert. Dann sollte die Aktie im Prinzip wieder auf den v.a. durch die Krebsforschungsphantasie begründeten vor-Corona-Kurs von ca. 30 zurückfallen. Obwohl, nicht ganz.
a.) Es gab es die positive Meldung zur Melanomtherapie.
b.) Wenn der Corona-Impfstoff scheitert, steht bei Biontech brandneue, GMP-zertifizierte RNA-Impfstoff- Produktions- (und Abfüll-)kapazität für 300 Mio. Dosen p.a. leer. Sicher nicht lange - irgendeiner der erfolgreichen Kandidaten wird da schon zugreifen, und seinen eigenen Impfstoff abfüllen lassen. Im besten Falle jemand, der selbst einen RNA-Impfstoff hat (Moderna, CureVac), und nicht nur die Abfüllung, sondern auch die RNA-Impfstoff-Formulierung gebrauchen kann. Dann sollten mindestens 1 / Dosis Herstellungsmarge ~ 300 Mio p.a. ~ 1,25 / Aktie drin sein für 2021 /22. Wenn nur abgefüllt wird, ist die Marge sicher geringer. Sagen wir konservativ: 2021/22 jeweils 0,5/ Aktie Abfüllgewinn * KGV 15 (nicht nachhaltig) = 7,50 Kursaufschlag.
c.) BT hat, selbst wenn der Corona-Impfung letztlich scheitern sollte, unter Beweis gestellt, dass sie ein großes Impfstoffforschungsprojekt schnell und effektiv durchziehen, und aus dieser Dienstleistung Gewinn generieren können. Das eröffnet zukünftiges Ertragspotential im Bereich Auftragsforschung. Ohne Pfizer ist der entsprechende Auftragsbestand in 2019 um knapp 85 Mio. (35 Mio. Sanofi-Solide Tumore, 55 Mio.USD Gates Foundation HIV & TB Impfungen) gewachsen. Dem gegenüber stand 2019 v.a. ergebniswirksame Abarbeitung der bereits längerlaufenden Krebs-Kooperation mit Genentech im Volumen von 64 Mio. . Die Margen hier sind unbekannt. Mit Pfizer dürften sie enorm gewesen sein (Pfizers 72 Mio. USD cash up-front sollten weit über dem liegen, was BT für die Prä-Klinik aufgewendet hat), aber dieser Sonderfall kann kaum hochgerechnet werden. Jedoch sollte alleine aus der Kooperation mit der Gates-Foundation ca. 3,5 Mio Gewinn p.a. bis 2022 generierbar sein. Alles weitere ist Phantasie on top auf die Krebsforschungsphantasie.
d.) Die Tochter JPT Peptide ist 2019 um knapp 20% gewachsen, und sollte maßgeblich für die knapp 20% Gewinnsteigerung im Segment "Product Sales & External Services" (umfasst daneben v.a. Züchtung/ Verkauf von Retroviren für universitäte Forschung) verantwortlich sein. Kleines Segment (2 Mio Gewinn in 2019 ~ 0,01 / Aktie), aber stark wachsend. Der Trend zur Verbesserung des Zinsergebnisses dürfte durch die Kapitalzuflüsse ebenfalls andauern, und einige hunderttausend Finanzierungskosten sparen. Zwar alles klein-klein, aber Kleinvieh macht auch Mist..
Unterm Strich bleibt alleine durch die Werke in jedem Fall Corona-Potential erhalten, das mindestens 7,50 Aufschlag auf die Vor-Corona-Zeiten rechtfertigt. Für den Rest würde ich noch mal 2,50 drauf geben, macht summa summarum 40 , wenns mit dem eigenen Impfstoff nichts wird.
2. Corona-Impfstoff klappt: Grundannahmen hier
a) Zulassung bis Ende 2020. 2020 bleibt ansonsten aussen vor (aber s.o.: ca. 300 Mio. Gewinn nach Steuern alleine durch die Pfizer-Zahlungen);
b) Kapazitäten 300 Mio. Dosen p.a. BionTech, 900 Mio. Pfizer; Mengen bis mindestens Mitte 2022 voll absetzbar;
c) 11,75% vom Gesamtumsatz Pfizer/BT als Lizenzeinnahme BT
d) 500 Mio. anteilige Phase 3-Kosten
e) China/ Fosun bleibt erstmal ausser Betracht, ebenso Grippe- und weitere RNA-Impfstoffe (alles jedoch Stabilisatoren für nach 2021).
2.1) Optimistisch:
f) US- Preis (19,5 USD ~ 17 / Dosis) weltweit durchsetzbar ~ 2 / Dosis für BT;
g) BT Herstellungsmarge 5 / Dosis;
h) 2 / Pfizer-Dosis für Produktionslizenz / technische Unterstützung. Ergibt für 2021: 2,4 Mrd. aus Produktlizenz + 1,5 Mrd Marge Eigenproduktion + 1,8 Mrd aus Produktionslizenz - 0,5 Mrd anteilige Zulassungskosten - 0,18 Mrd Verlust aus sonstiger Geschäftstätigkeit (wie 2019) ~ 5 Mrd Gewinn vor Steuern
- 0,77 Mrd Gewerbesteuer (15,4%, Mainz, Idar-Oberstein niedriger) - 1,27 Mrd Körperschaftssteuer (D, 30% auf Gewinn nach Gewerbesteuer) ~ 3 Mrd. Gewinn nach Steuern ./. ca. 240 Mio. Aktien ~ 12,50 / Aktie x KGV 15 (nicht nachhaltig) ~ 187,50 Zielkurs. 2.2) Konservativ: f) Global im Schnitt nur ca. 11/ Dosis (Niveau Grippeschutzimpfung) durchsetzbar ~ 1,30 / Dosis für BT; g) BT Herstellungsmarge 2 / Dosis; h) 1 / Pfizer-Dosis für Produktionslizenz / technische Unterstützung. Ergibt für 2021: 1,55 Mrd. aus Produktlizenz + 0,6 Mrd Marge Eigenproduktion + 0,9 Mrd aus Produktionslizenz - 0,5 Mrd anteilige Zulassungskosten - 0,18 Mrd Verlust aus sonstiger Geschäftstätigkeit (wie 2019) ~ 2,4 Mrd Gewinn vor Steuern - 0,37 Mrd Gewerbesteuer (15,4%, Mainz, Idar-Oberstein niedriger) - 0,61 Mrd Körperschaftssteuer (D, 30% auf Gewinn nach Gewerbesteuer) ~ 1,4 Mrd. Gewinn nach Steuern ./. ca. 240 Mio. Aktien ~ 5,85 / Aktie x KGV 15 (nicht nachhaltig) ~ 87,50 Zielkurs.
Nun rein stochastische Betrachtung, d.h. 50% Eintrittswahrscheinlichkeit von Szenario 1 (Impfstoffentwicklung scheitert), und bei Szenario 2 (Erfolg) jeweils 50% Chance für das optimistische oder das pessimistische Szenario. Ergibt als Kurs 20,00 (Szenario 1: 40 * 50%) + 46,88 (Szenario 2.1: 187,50 * 25%) + 21,88 (Szenario 2.2: 87,50 + 25%). ~ 89,75
Liegt deutlich über dem deutlichen Kurs, da wird also derzeit eine übermäßige Unsicherheit eingepreist.
Gehen wir mal anders ran:
A. Mitteln wir Szenarien 2.1. und 2.2, erhalten wir einen Zielkurs von 133,50. Hieraus können wir jetzt errechnen, wie die Märkte derzeit die Wahrscheinlichkeit, dass die Impfstoffentwicklung erfolgreich verläuft, einschätzen. Zu lösen ist:
x% Erfolgswahrscheinlichkeit Impfstoffentwicklung * 133,50 + (1-x) * 40 = 70 (derzeitiger Kurs).
Den detaillierten Lösungsweg erspare ich Euch (fragt notfalls den nächstverfügbaren Siebtklässler) - Ergebnis ist 31,17%. Da mag sich nun jeder selbst seine Meinung bilden, ob er diesbezüglich optimistischer oder pessimistischer als die momentane Schwarmintelligenz des Marktes ist. B. Alternativ können wir eine 50-50 Erfolgschance in der Impfstoffentwicklung unterstellen, und untersuchen, welches Ergebnis der Markt denn im Erfolgsfall unterstellt. Zu lösen ist: 50% * 40 +(x% * 187,50 + (1-x%) * 87,50 ) * 50% = 70 /*2 => 40 + x% * 187,50 + (1-x%) * 87,50 = 140 . /- 40 => x%* 187,50 - x% * 87,50 - 87,50 = 100 / eliminieren; -87,50 => 100 x = 12,50; x = 12,5%.
Bei 50/50- Chance auf Impfstofferfolg tendiert also z.Z. 87,5% des Marktes zu einer konservativen, und nur 12,5% zu einer optimistischen Ergebnisprognose. Wie schon vorstehend gesagtt - da muss sich jetzt jede/r ein eigenes Bild machen, wo sie/er sich diesbezüglich sieht.
Eines wird aber klar: Von "Blase" und "hochgehypt" kann auf dem aktuellen Kursniveau keine Rede sein!
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