http://www.finanzen.net/nachricht/aktien/...neue-Chef-vor-hat-2091602
TUI: Wohin die Reise geht - Was der neue Chef vor hat
Friedrich Joussen folgt auf Noch-Konzernchef Michael Frenzel. Der hinterlässt ein verschachteltes, zum Teil chaotisches Erbe. Die Erwartungen sind entsprechend hoch.
von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag
TUI hat ein rotes Logo, das ein Lächeln symbolisiert - sonst nicht mehr viel. Europas größter Touristikkonzern ist an seinem Stammsitz in Hannover heute nur noch eine Holding. Das eigentliche Touristikgeschäft ist längst an die Konzerntochter TUI Travel in London ausgelagert. Deren Boss Peter Long verdient das Geld und hat die wahre Macht im Touristikgeschäft von Europas Nummer 1. Sein Unternehmen First Choice fusionierte vor fünf Jahren mit den Niedersachsen und wurde umbenannt. Der Mutterkonzern TUI, dem heute 56 Prozent an TUI Travel gehören, mutierte zum Dividendenempfänger der britischen Tochter.
„Fritz, der Angriffskrieger“ Am Montag wird Friedrich Joussen in diese — aus Sicht der Aktionäre — verkehrte Welt einlaufen. Der Exchef von Vodafone Deutschland ist der designierte Nachfolger von TUI-Boss Michael Frenzel. Definitiv zur Nummer 1 ernannt wird der Elektroingenieur erst auf der Hauptversammlung im Februar.
Wie froh Anleger über den Abgang Frenzels sind, zeigt der Aktienkurs. Seit klar ist, dass Joussen kommt, legte der Kurs um über 30 Prozent zu. Joussen selbst kaufte 100.000 Aktien zum Kurs von 6,84 Euro. Die Reaktion der Börse ist kein Wunder: In den vergangenen fast 20 Jahren hat Frenzel aus einem stolzen Industriekonzern im DAX, der Preussag, einen schwachbrüstigen MDAX-Wert kleingemanagt. Jetzt kann es nur besser werden. Die Vorschusslorbeeren für Joussen sind hoch.
Er sei „kein Konsolidierer, sondern ein Angriffskrieger“, sagt der 49-jährige Duisburger über sich. Er unterschreibt mit Fritz statt Friedrich. Der ganze Vorname sei zu langwierig. Bei Vodafone scheute Angriffskrieger Fritz die Konfrontation mit Konzernchef Vittorio Colao nicht. Das wird mit Noch-Chef Frenzel nicht anders sein. Über seine Strategie verriet der Neue nur das Wesentliche: „Bis jetzt war ich den Leuten meist zu schnell.“
Wie es bei TUI künftig laufen könnte, dürfte auf der Analystenkonferenz am 19. Dezember deutlicher werden. Klar ist bis jetzt nur, dass die ineffiziente und verschachtelte Konstruktion, die Frenzel aufgebaut hat, ausgedient hat. „Das Geld wird in London verdient und in Hannover schlecht verwaltet“, bringt ein Analyst den Ärger der TUI-Aktionäre auf den Punkt. Dazu kommt: Die Kosten für die Zentrale in Hannover verschlangen im jüngsten Quartal ein Drittel des operativen Gewinns. Und London ist auch eine teure Zentrale.
Die Zeche für diese einzigartig ineffiziente Konstruktion zahlen die TUI-Aktionäre: Der Mutterkonzern ist mit 1,76 Milliarden Euro Marktkapitalisierung halb so viel wert wie die Tochter TUI Travel. Der Druck, der Joussen erwartet, ist groß. Er sollte bei seiner Strategie nicht unterschätzen, dass auch viel Taktik notwendig ist. Oligarch Alexej Mordaschow, dem gut ein Viertel des Konzerns gehört, hat mehrfach deutlich gemacht, dass er es leid sei, weiter Geld zu verlieren. Der Umbau erfordert also viel Fingerspitzengefühl. Dass Joussen als exzellenter Netzwerker gilt, wird ihm helfen.
Sein Auftrag: Joussen soll die Touristiksparte zurück nach Hannover holen. Die einfache Option, nämlich TUI Travel komplett zu kaufen, ist viel zu teuer. Dafür wären deutlich mehr als 1,5 Milliarden Euro notwendig. TUI hat zwar 1,26 Milliarden Euro in der Kasse, dem stehen jedoch 1,5 Milliarden Verbindlichkeiten gegenüber. Experten erwarten daher, dass TUI bestenfalls das Mitteleuropa-Geschäft kauft. Morgan Stanley bewertet die Sparte, zu der Deutschland, Österreich, Schweiz und Polen gehören, mit 780 Millionen. Aus dem Verkauf von Anteilen an der Reederei Hapag-Lloyd flossen TUI 700 Millionen Euro zu. Diesen Deal könnte sich der Konzern also leisten.
Briten entsenden ihren Vertrauten Und offensichtlich erwarten auch die Briten eine Offerte. Anfang Oktober schickten sie Christian Clemens als neuen TUI-Deutschland-Chef nach Hannover. Der 50-jährige Schwede ist Vertrauter von TUI-Travel-Vize Johan Lundgren. Sein Auftrag lautet, die Umsatzrendite des Deutschland-Geschäfts von zwei Prozent auf mindestens 3,5 Prozent zu heben. Nach wenigen Tagen hat Clemens bereits „Potenzial für eine noch höhere Rendite“ ausgemacht. TUI Travel will für das größte Landesgeschäft eben einen guten Preis rausholen. |