Windkraft: Gemeinden stehen in Startlöchern Nach der Ankündigung der regierenden Grünen, die Energiewende vor allem durch jährlich 100 neue Windkraftanlagen (WKA) zu schaffen, wird auch der Gestaltungsspielraum der Kommunen größer. Künftig dürfen sie selbst bestimmte Flächen für WKA ausweisen. Das war bislang der übergeordneten Planungsgemeinschaft vorbehalten. Vulkaneifel. Nach der Regierungsbeteiligung der Grünen in Rheinland-Pfalz wurde rasch klar, dass sich vor allem auf dem Energiesektor erhebliche Veränderungen ergeben werden. Das war bereits dem rot-grünen Koalitionsvertrag in Grundzügen zu entnehmen. Neben der deutlichen Ausweitung der regenerativen Energien und allen voran der Windkraft erhalten die Kommunen künftig ebenfalls die Möglichkeit, Flächen für WKA auszuweisen. Bislang hatten diesbezüglich die übergeordneten Planungsgemeinschaften das Sagen. Für den Landkreis Vulkaneifel die Planungsgemeinschaft Region Trier. Deren leitender Planer Roland Wernig sagt: "Künftig kommt es zu einer Verantwortungsteilung: Die Planungsgemeinschaft wird weiterhin grundsätzlich vorgeben, wo was geht und wo nicht. Aber es werden auch ausreichend Spielräume für kommunale Entscheidungen gelassen." Der Vorstand der Planungsgemeinschaft hat bereits einen diesbezüglichen Beschluss gefasst und eine Empfehlung an die Regionalvertretung ausgesprochen, die darüber am 20. September letztlich entscheidet. Es ist aber von einer Zustimmung auszugehen. Gleich bleibt: Die Planungsgemeinschaft weist weiterhin die Vorrangflächen aus. Also die Areale, die besonders für die Windkraftnutzung wegen ihrer Lage und des hohen Windaufkommens (Windhöffigkeit) besonders geeignet sind. Und sie bestimmt auch die Ausschlussflächen, wo auf gar keinen Fall WKA genehmigt werden: also etwa Naturschutzgebiete, aktive Lavagruben oder etwa Wohngebiete. Zu denen muss wegen der mittlerweile bis zu 200 Metern hohen Anlagen künftig ein höherer Abstand eingehalten werden: 1000 statt bislang 400 Meter. Die neue Freiheit der Kommunen bezieht sich auf die Restflächen. Die werden nun von den Verbandsgemeinden detailliert überplant, um so einen Wildwuchs von WKA zu verhindern. Denn nach wie vor gilt: Überall dort, wo keine andere Nutzung dem entgegensteht, gelten WKA als privilegiert und müssen demnach in der Regel auch genehmigt werden. Der TV gibt einen Überblick, wie die Kommunen im Landkreis Vulkaneifel mit der Energiewende, der neuen Freiheit, den Begehrlichkeiten aus den Dörfern, durch die Windkraft neue Einnahmen zu erzielen, aber auch der Gefahr einer Verspargelung der Landschaft umgehen wollen. Für das Gutachten werden laut Klöckner 6000 bis 8000 Euro veranschlagt, für die anschließende Fortschreibung des Flächennutzungsplans weitere 10 000 Euro. Verbandsgemeinde Obere Kyll: Die mit am Abstand meisten WKA stehen an der Oberen Kyll. Derzeit sind es 62, zwei weitere sind bereits im Genehmigungsverfahren. Und ein neuer Boom bahnt sich bereits an. So sagt Bürgermeisterin Diane Schmitz (CDU), die die neue Planungsfreiheit für die Kommune befürwortet: "In fast allen Orten waren schon Windkraftbetreiber vorstellig geworden, um Windkraftflächen vertraglich zu sichern. Aus acht Orten liegen bereits konkrete Anfragen für die Aufstellung weiterer Anlagen vor." Derzeit ist die VG dabei, den Flächennutzungsplan durch ein Fachbüro für die neue Energieoffensive fit zu machen. Es wird mit Kosten von bis zu 50 000 Euro gerechnet. Dabei wird laut Bürgermeisterin Schmitz auch an Beteiligungsmodelle, Bürgerwindkraftparks und gemeindeübergreifende Kooperationen gedacht. Verbandsgemeinde Daun:In der größten VG im Kreis stehen derzeit 13 WKA. Darüber hinaus haben jüngst 15 Ortsgemeinden Interesse bekundet, ebenfalls Anlagen auf ihrem Gemeindegebiet errichten lassen zu wollen. Zudem sind laut Bürgermeister Werner Klöckner (CDU) in einzelnen Orten bereits Windkraftbetreiber vorstellig geworden. Um sich für den zu erwartenden Ansturm zu rüsten, haben die politischen Gremien eine "Potenzialanalyse für den Bereich der gesamten VG Daun" in Auftrag gegeben. Sie soll laut Klöckner die Grundlage für die künftige Planung bilden, "ob und wo" neue Anlagen errichtet werden. Klöckner denkt dabei auch an Gemeinschaftsmodelle. Er sagt: "Zum einen könnte daran gedacht werden, dass alle Gemeinden hieran partizipieren, nicht nur die Standortgemeinde von WKA, diese jedoch bevorzugt. Zum anderen käme auch ein Modell infrage, wonach die VG mit den Ortsgemeinden gemeinsam mit einem privaten Unternehmen Anlagen errichtet und betreibt und somit ein Solidarverbund besteht."
Verbandsgemeinde Gerolstein:Im Gerolsteiner Land stehen derzeit drei WKA - allesamt auf dem Gebiet von Kalenborn-Scheuern. An der Errichtung weiterer Anlagen sind nach Worten von Bürgermeister Matthias Pauly (CDU) aber "alle Orte interessiert". Derzeit liegen bereits Anfragen aus neun der 13 Gemeinden vor. Pauly macht sich für "die Ausweisung von geeigneten Windparks in Zusammenarbeit und Abstimmung mit benachbarten Kommunen" stark. So soll eine "Zerspargelung der Landschaft" verhindert werden. Auf jeden Fall würden nur Flächen ausgewiesen, die "grundsätzlich geeignet" seien, also eine große Windhöffigkeit vorwiesen. Zudem bevorzugt der Bürgermeister Flächen in Gemeindehand. Denn "von einer Windkraftanlage fühlen sich alle Bewohner einer Ortslage betroffen". Daher sollten auch alle davon profitieren, und nicht nur ein Einzelner. Die hinzugewonnene Planungsfreiheit begrüßt Pauly. Er sagt aber auch: "Wie immer ist mit Freiheit auch Verantwortung verbunden, das heißt verantwortungsvoller Umgang mit alternativen Energien, eingebunden in Natur und Landschaft und mit Rücksicht auf die Menschen, die hier wohnen oder sich erholen." Die Kosten für die Fortschreibung des Flächennutzungsplans samt notwendiger Gutachten beziffert er auf rund 70 000 Euro.
Verbandsgemeinde Kelberg:In der VG Kelberg stehen zehn WKA, aus 16 Gemeinden wird darüber hinaus Interesse angemeldet. Bürgermeister Karl Häfner (CDU), der die Delegierung der Planungshoheit ebenfalls befürwortet, sagt: "Wir gehen nach dem Ergebnis unserer verwaltungsinternen Vorprüfungen davon aus, dass in unserer VG geeignete zusätzliche Flächen für Windparks ausgewiesen sowie bestehende Vorranggebiete für WKA erweitert werden können." Häfner hat auch bereits eine konkrete Idee, wie trotz der großen Begehrlichkeiten "Wildwuchs" verhindern werden soll. Erstens sollen gemeindeübergreifende Windparks - eventuell auch über VG-Grenzen - errichtet werden. Und laut Häfner am besten von einem Betreiber. Zweitens sagt er: "Zusätzlich schlagen wir den Ortsgemeinden vor, einen Solidarfonds zu bilden, durch den auch Ortsgemeinden an den Windkrafteinnahmen beteiligt werden, in deren Gemarkungen keine WKA errichtet werden können."
Verbandsgemeinde Hillesheim:Im Hillesheimer Land stehen drei Anlagen (bei Zilsdorf), aus fünf weiteren Gemeinden wurde bereits Interesse an der Errichtung von WKA angemeldet. Mit dabei sind Kerpen, Üxheim und Wiesbaum, wo bereits Gespräche über einen Windpark im Wald geführt worden sind, gegen den sich aber auch schon Widerstand artikuliert hat. Bürgermeisterin Heike Bohn (parteilos) gibt die weitere Devise für die künftige Windkraftplanung vor: "Unsere Zielsetzung wird es sein, Konzentrationsflächen für die Nutzung der Windenergie zu schaffen. Das heißt, wir wollen keine Flächen für einzelne Windkraftanlagen ausweisen." Bohn denkt dabei auch an gemeindeübergreifende Windparks. Sie sagt aber auch: "Über die Art und Form der Kooperation müssen wir noch nachdenken, auch im Sinne der Gemeinden, auf deren Flächen dann keine Windkraftflächen ausgewiesen würden."
Meinung Mehr Freiheit und Verantwortung Mit Windkraft ist viel Geld zu verdienen: dank der bis zu 200 Meter hohen und leistungsstarken Anlagen auch in früher unrentablen und ehemals geschützten Gebieten wie dem Wald. Bei vielen Kommunen kommt nun Goldgräberstimmung auf. Die wird dadurch verstärkt, dass die Entscheidung pro oder kontra Windrad nun nicht mehr ausschließlich im fernen Trier, sondern im Rathaus vor der Haustür gefällt wird. Schließlich kennt man sich und ist auch voneinander abhängig. Es besteht die Gefahr, dass nicht im Sinne des Großen und Ganzen entschieden wird. Die Folgen wären fatal: Zerspargelung der Landschaft, Tourismuseinbußen, Neid und Missgunst innerhalb und zwischen den Dörfern. Dazu darf es nicht kommen. Vielmehr müssen sich allen voran die VG-Bürgermeister ihrer neuen Verantwortung bewusst sein und: sauber planen, auf Konzentration weniger Windparks sowie auf gemeindeübergreifende Modelle setzen. m.huebner@volksfreund.de
ExtraIm rot-grünen Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass sich der Anteil der Stromproduktion durch Windenergieim Land bis 2020 verfünffachen, und ab 2030 der gesamte Stromverbrauch im Land durch regenerative Energien gedeckt werden soll. Experten gehen davon aus, dass das wegen der höheren Leistungsfähigkeit und der Möglichkeit, alte schwache gegen neue leistungsstärkere Anlagen auszutauschen (Repowering) zwar nicht zu einer Verfünffachung der Anlagen führen wird, aber dennoch zu einer sehr deutlichen Zunahme. Ebenfalls festgelegt ist, dass zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft genutzt werden sollen - also 400 Quadratkilometer oder 400 Millionen Quadratmeter. Das entspricht einer Fläche von rund 56 000 Fußballfeldern. Dabei wird der Norden des Landes vermutlich deutlich stärker in Sachen Windkraftnutzung berücksichtigt werden, da die Mittelgebirgsregionen Eifel, Westerwald und Hunsrück hoch liegen und somit ertragreiche Regionen darstellen. Auch im Landkreis Vulkaneifel, der rund 910 Quadratkilometer groß ist, gibt es schon jetzt ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Die mit Abstand meisten Windräder drehen sich bereits in der nördlich gelegenen Verbandsgemeinde Obere Kyll. mh |