Zur Bewertung: Auch wenn das nominelle KGV mittlerweile halbwegs sportlich aussieht, so muss man meiner Meinung nach doch auch den Kontext im Auge behalten.
Insbesondere schleppt All for One aus vergangenen Übernahmen noch einiges an rein buchhalterischen PPA Abschreibungen gegenüber. Das Steuerrecht erlaubt es, hier den Kauf bestimmter Assets wie Kundenstämme als Kapitalausgabe abzuschreiben. Kurz: wenn Unternehmen A und B separat operieren, fallen diese Abschreibungen nicht an. Wenn A und B jedoch fusionieren, dann dürfen für viele Jahre diese Abschreibungen gebildet werden. Ihnen steht nach der Fusion kein realer Kostenpunkt entgegen, weswegen zahlreiche Unternehmen umgehend den Gewinn um solche Abschreibungen bereinigen.
Im letzten Jahr betrugen die PPAs bei A4O EUR 3,754 Mio., wenn ich mich nicht verrechnet habe. Das EBIT wäre daher um diesen Betrag höher gewesen, wenn man hier nicht fiktive Abschreibungen ansetzen dürfte. Natürlich hätte man auf den höheren Gewinn dann auch Steuern bezahlen müssen. Aber selbst bei einer hohen angenommenen Steuerquote von 33% ergäbe das noch ein plus von ca. 0,50 EUR auf das EPS. Einige der PPAs bei All for One stammen noch aus sehr alter Zeit und sollten demnächst auslaufen. Wenn wir aber mal davon ausgehen, dass auch 2020/21 noch ähnlich hohe PPAs anfallen wie 2019/20, dann wäre das erwartete EPS für das im September auslaufende Geschäftsjahr daher nicht ca. EUR 2,80, sondern eher ca. EUR 3,30. Und damit wäre das aktuelle KGV dann nur 21.
Wenn man nun bedenkt, dass:
(1.) das GJ 2021/22 bereits in einem Monat beginnt, (2.) momentan ca. 10% Mitarbeiter neu eingestellt werden YOY, was für perspektivisch ca. 10% organisches Umsatzwachstum erlauben könnte, (3.) man mit SNP Polen einen recht dicken Brummer als anorganischen Zukauf bereits fast in trockenen Tüchern hat, (4.) SNP Polen bereits allein einen guten EBIT Beitrag ermöglichen sollte (siehe aktuelle SNP Quartalsmeldung zu positivem Geschäft in Osteuropa), (5.) man im Schwabenländle ggfs. ein paar teure Freelancer sparen kann, weil man auf günstigere Ressourcen in Zlotniki zurückgreifen kann (6.) trotz Personalaufbau dennoch ein leicht positiver Margentrend möglich sein könnte, (7.) man ordentlich Cash/Kredit bereithält für weitere Übernahmen (auch um Personal auszuweiten) (8.) die Conversion/4 Welle gerade erst losgeht, und die Skalenerträge im industriellen Bearbeiten der Transformation erst noch gehoben werden,
dann erscheint mir ein effektives KGV von 21 auf ein bald abgelaufenes Geschäftsjahr einfach nicht sehr aggressiv.
Mir ist auch klar, dass in einem so schnellen technologischen Wandel in zyklischen Endkundenmärkten immer mal wieder negative Kostenüberraschungen auftauchen können. Conversion/4 ist noch neu, da kann auch mal was aus dem Ruder laufen. Und wenn man die Kundennachfragen kurzfristig nicht gut gemanagt bekommt, können hohe Kosten für Freelancer entstehen. Auch wird man weiter in Bereiche wie IOT und IT Security investieren müssen, wo man einfach noch nicht die nötige Größe und Kompetenz zu haben scheint. Und schließlich werden die Reisekosten für die Consultants irgendwann auch wieder hoch gehen (wenn auch vielleicht nicht auf alte Levels).
Dennoch: Die S/4 Welle, auf die viele hier (ich jedenfalls) über viele Jahre gewartet haben, geht endlich los. Damit sollten zweistellige Wachtsumsraten über viele Jahre möglich sein, hoffentlich mit überproportionalem EBIT-Wachstum, wenn man es gut gemanagt bekommt. Und das bei einem fundamental soliden Geschäftsmodell, das auch in schweren Zeiten immer ordentliche Erträge erwirtschaftet hat.
Bin ich bereit, in so einer Situation ein effektives KGV von 21 auf das vergangene Jahr zu zahlen? Ähhhh... mal kurz überlegen .... JA! |