Das ist alles richtig, und daher ist A4O ja auch ein sehr aussichtsreiches Invest in meinen Augen.
Aber: die Kurssitiuation hat der Vorstand meiner Meinung nach selbst verschuldet. Zwar hat man in den letzten Jahren die richtigen Schritte unternommen (Aufbau LOB, Integration der Brands, Aufbau von Cross-Selling und Markteintritt bei anderen Kundengruppen). Aber: das hat alles SEEEHR lange gedauert.
A4O agiert hier leider manchmal etwas wie eine Behörde. Wenn man sich die Geschwindigkeit anschaut, mit der praktisch alle anderen börsennotierten Systemhäuser aus Deutschland in den letzten 5 Jahren sich selbst transformiert haben und dabei dennoch stark wachsen konnten, dann wirkt die Entwicklung von A40 in diesem Zeitraum doch eher langatmig.
Infolgedessen wurde man links und rechts überholt, sowohl beim Umsatz, beim EBIT und beim Börsenkurs. Man hat sich halt sehr an der guten Marktposition bei Stammkunden und der Zufriedenheit der Mitarbeiter festgeklammert, ohne agil zu sein und Dinge zu wagen. Für ein IT Unternehmen ist das aber in meinen Augen ein zu konservativer Ansatz. Dieser Markt ändert sich zu schnell, als dass man hier Bestandsschutz als oberstes Prinzip erklären kann.
Insofern war die HV in meinen Augen auch eine Enttäuschung. Das, was dort berichtet wurde, ist seit Jahren immer das gleiche Wir wissen ja jetzt mittlerweile, dass die HANA Welle kommt. Konkret neu war für mich nur, dass man die frühere Aussage, dass etwa ab Frühling das Geschäft besser werden könnte, nun weiter nach hinten verschoben hat. Zudem erhofft man sich mittlerweile offenbar auch nicht mehr, das Closing mit SNP Polen in Q2 hinzubekommen, sondern erst "in den nächsten Quartalen". Das erscheint mir eine eher riskante und doch sehr unübliche Herangehensweise an eine Übernahme. Ich hoffe, dass sich das nicht rächt -- und man in diesem Lock-in nicht über den Tisch gezogen wird.
Was mich an der HV ebenfalls gestört hat, war, dass man die Verschiebung der Ziele 2022/23 allein auf die Pandemie geschoben hat und mittlerweile nicht mal mehr wagt anzugeben, wann das Ziel erreicht werden könnte. Was die eigene Leistung angeht, wird hingegen immer nur gebetsmühlenartig wiederholt, wie gut man im Plan ist. Alles super!
Das ist eine Fehldarstellung in meinen Augen. Man muss sich ja nur die Wachstumsraten und Bestellbereitschaft im Maschinenbau kurz vor Corona anschauen: die waren damals schon total in der Krise, und dementsprechend hatte A4O auch schon vor der Pandemie Wachstumsraten, die weit unterhalb dem lagen, was nötig gewesen wäre, um die 2022/23 Ziele auch nur annähernd zu erreichen.
Auch hier legt ein Blick auf andere Systemhäuser nahe: Corona bringt für die meisten Anbieter nur eine einmalige Delle und hat mancherorts die Digitalisierung sogar beschleunigt. Bei All for One bisher nicht.
Das soll jetzt alles natürlich nicht heißen, dass die Firma schlecht wäre. Im Gegenteil. Mir gefällt die Unternehmenskultur, der langfristige Ansatz und die Kompetenz der Führungsriege. Aber: den Kurs hat das Management selbst zu verantworten. Man kann nicht 5 Jahre lang immer wieder die gleiche Geschichte erzählen, dass die Cloud-Umsätze nach hinten raus explodieren werden, und dann passiert im Ergebnis jahrelang nichts.
All for One hat im GJ 2014/15 ein EBIT von EUR 19 Mio. erreicht. Seitdem sind sechs Jahre ins Land gezogen. In diesen sechs Jahren haben fast alle börsennotierten Konkurrenten die größte Boomzeit ihrer Geschichte erlebt. All for One verdient in 2021 aber immer noch genau das gleiche wie damals.
Kurzum: so sehr mir das Unternehmen auch gefällt -- es gibt gute Gründe, warum der Markt hier keinen größeren Vertrauensvorschuss gibt. Ein Unternehmen wie All for One sollte in dieser Goldgräberzeit der Digitalisierung jedes Jahr 10% wachsen können. Wenn der eigene Vertrieb das organisch nicht schafft, dann hat man immer noch die hohen Cashflows die man in Übernahmen stecken kann um anorganisch zu wachsen.
Es wird hier einfach mal Zeit für Ergebnisse nach 6 Jahren Ankündigung. Außerdem wäre es aufrichtiger, auch mal einzugestehen, dass man nicht immer nur alles super gemacht. Denn Fehler, die man nicht wahrnimmt, kann man auch nicht abstellen. |