Österreich hat viel Geld an Menschen verteilt, die es nicht brauchen. Um das zu kompensieren, könnte man die automatische Steuererhöhung für Reiche wieder wirken lassen, schlägt der designierte IHS-Chef Holger Bonin vor. ...
Bonin: Ja. In Österreich beschäftigt die Inflation die Leute viel mehr, daher ist auch die politische Diskussion stärker. Wobei Deutschland jetzt in eine technische Rezession gerutscht ist und auch dort die Inflation zu spüren ist. Und man darf nicht vergessen: Wer wie stark von der Inflation betroffen ist, lässt sich nicht am Verbraucherpreisindex ablesen. Denn im Warenkorb haben Dienstleistungen, Restaurantbesuche, Hotelierleistungen einen großen Anteil, und das treibt die Inflationsrate in die Höhe. Gleichzeitig sind diese Dienstleistungen aber für viele Menschen gar nicht relevant, weil sie sich Urlaube oder Restaurantbesuche gar nicht leisten können. Für Menschen im untersten Einkommensviertel, für armutsgefährdete Menschen, stellt sich diese Frage gar nicht. Aber von der Inflation sind sie trotzdem stärker betroffen, weil sie mehr von ihrem Einkommen für den Konsum ausgeben müssen. Man darf die Inflation nicht kleinreden, aber zum Teil sind manche Leute stärker alarmiert, als sie es sein müssten, weil sie durchaus in der Lage sind, die Situation zu meistern. STANDARD: Alles halb so schlimm? Bonin: Nein, das meine ich nicht. Die Inflation wird die Bürgerinnen und Bürger etwas kosten, es wird reale Einkommensverluste geben, die man nicht kompensieren wird. Aber die Frage ist, ob Einkommensschwache oder Einkommensreiche von diesem Realeinkommensverlusten getroffen sind. Die Tatsache, dass der Tourismus floriert, zeigt ja, dass sich Menschen Urlaube leisten können, bei ihnen muss man nichts kompensieren. Anders ist das bei Menschen, die nicht wissen, wie sie ihre Miete oder ihre Lebensmittel bezahlen sollen. STANDARD: Sie sind aber gegen Eingriffe in die Mietpreise. Warum? Bonin: Es ist immer ein Problem, in Preise und Märkte einzugreifen, weil sich das auf das Angebot auswirkt. Mietpreisgrenzen nützen nichts, wenn in der Folge weniger Wohnungen auf den Markt kommen und die verbleibenden noch teurer vermietet werden. Besser ist eine gezielte Unterstützung derer, die sich die Mieten nicht mehr leisten können. STANDARD: Der Staat könnte doch die Privaten ersetzen und selbst Wohnungen bauen. Bonin: Ja, wenn genug Bauland da ist. Und der Staat kann für seine Wohnungen auch geringe Mietpreise verlangen, kann sogar negative Renditen auf sich nehmen – aber am Ende müssen auch diese Rechnung die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler begleichen. Mit diesem Markteingriff würde der Staat dafür sorgen, dass Private ihre teureren Wohnungen nicht mehr vermieten können, und am Ende müsste der Staat den ganzen Wohnungsmarkt regulieren. Das ist ein extrem kostenintensives Instrument, das in die Breite wirkt. Machbar wäre das, wenn der Staat diese Methode beim sozialen Wohnungsbau anwendet. STANDARD: Die Gemeinde Wien hat auch die Mieten erhöht. Ökonomisch klug? Bonin: Kommt drauf an, aus welchem Grund das geschieht: Wird die Miete erhöht, weil es reale, inflationsbedingte Kostensteigerungen gibt oder weil die Mietpreise indexiert sind? In dem Fall sehe ich das problematisch. Denn diese automatischen Wertsicherungsklauseln in den Mietverträgen orientieren sich am Verbraucherpreisindex, und das ist nicht plausibel, das ist nicht der richtige Index. ...
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