Machtkampf Bei der Solarfirma kommt es am Mittwoch zum Duell mit dem russischen Grossaktionär. Präsident Remo Lütolf kämpft um die anderen Aktionäre und bekennt sich zum Sitz in Thun.
Nach sieben Jahren mit grossen Verlusten, massivem Arbeitsplatzabbau und vielen Spartenverkäufen sucht der einstige Börsenliebling Meyer Burger den Befreiungsschlag. Doch zuerst kommt es zum Schlagabtausch zwischen dem Solarunternehmen und der Aktionärsgruppe um den russischen Milliardär Petr Kondrashev. Am Mittwoch kommt es zum Kräftemessen.
Im Stade de Suisse werden die Aktionäre an einer ausserordentlichen Generalversammlung über einen Antrag von Kondrashevs Aktionärsgruppe entscheiden, nämlich über die Wahl ihres Vertreters Mark Kerekes in den Verwaltungsrat. Die Führung von Meyer Burger lehnt dies vehement ab. CEO Hans Brändle droht gar mit Rücktritt, was Professor Peter V. Kunz in einem Rechtsgutachten für die aufbegehrende Aktionärsgruppe kritisiert (wir berichteten).
Remo Lütolf, Verwaltungsratspräsident, spricht Kerekes auf Anfrage die nötigen Qualifikationen ab, um für den Verwaltungsrat geeignet zu sein. Vielmehr habe der ehemalige Investmentbanker die Interessen von Kondrashevs Anlagegesellschaft Sentis Capital im Sinn, deren Co-Geschäftsleiter er ist.
Motiv bezweifelt
Was also will die Investorengruppe um Sentis, die inzwischen über 11 Prozent der Aktien kontrolliert? Meyer Burgerausschlachten, die zukunftsträchtigen Solartechnologien verkaufen oder gar für den russischen Machtzirkel ausspionieren? Nein, man sei an einem langfristigen Investment interessiert, heisst es in einem Schreiben an die Aktionäre. Es gebe keine Diskrepanz um die strategische Stossrichtung, man wolle als Grossaktionär aber mitreden.
Lütolf sagt hingegen: «Von Sentis haben wir kaum konstruktive alternative Vorschläge für die strategische Entwicklung gehört, sondern primär Kritik an der Vergangenheit. Wir wissen nicht, was sie vorhaben.» Ein Treffen mit Kondrashev habe sich leider nicht realisieren lassen, trotz Terminvorschlägen von beiden Seiten. Der Antrag für die Wahl von Kerekes komme zur Unzeit: «Sentis hätte schon bei der Generalversammlung im Frühling einen Kandidaten zur Wahl stellen können», sagt Lütolf. Der Aufwand für die ausserordentliche Generalversammlung sei nun beträchtlich. «Dabei müssten wir momentan unsere ganze Aufmerksamkeit vielmehr auf den Turnaround des Unternehmens lenken.»
Bekenntnis zu Thun
Die finanzielle Situation von Meyer Burger hatte sich zugespitzt. Im ersten Halbjahr 2019 sanken die flüssigen Mittel von 102 auf knapp 32 Millionen Franken. So kann es nicht weitergehen. Inzwischen hat das Unternehmen einige Aktiven zu Geld gemacht, zuletzt durch den Verkauf der deutschen Tochterfirma AIS Automation Dresden und des Konzerngebäudes in Thun. Anfang Jahr hat Meyer Burger bereits die Produktion am Stammsitz aufgegeben.
Trotzdem: «Thun bleibt ein wichtiger Standort für Meyer Burger», beteuert Lütolf. Hier befindet sich der Konzernsitz, das Unternehmen bleibt als Mieterin in dem Gebäude. «Zudem entwickeln wir hier die Smartwire-Technologie, und die Produktverantwortung dafür ist hier beheimatet.» Smartwire sind dünne Drähte zur Verbindung der Solarzellen. Wird Smartwire kopiert, kann man das bei jedem Modul sehen, wie Lütolf erklärt. «Mit einem weltweiten Patentschutz für Smartwire sind wir zusätzlich geschützt. Im Westen sind Sanktionen für Produktkopien inzwischen beträchtlich.»
Von China ernüchtert
Meyer Burger hat leidvolle Erfahrungen gemacht in China, die Investitionen haben sich nicht ausgezahlt. «Im heutigen Hauptmarkt China sind unsere Entwicklungen, unser geistiges Eigentum, nicht genügend geschützt», stellt Lütolf fest. Meyer Burger habe regelmässig Kopien entdeckt, sei aber mit Patentrechtsklagen dort mehrfach gescheitert. «Wir konnten also ein paar wenige, für viel Geld entwickelte neue Anlagen nach China verkaufen, dann gab es einige Monate später bereits ein Nachahmerprodukt.»
Lütolf glaubt, dagegen ein Rezept gefunden zu haben: Kunden, die sich verpflichten, die Technologien nicht zu kopieren. Im Gegenzug erhalten sie gegen bestimmte Volumenverpflichtungen eine gewisse Exklusivität, diese ist zeitlich und geografisch begrenzt. So will Lütolf Meyer Burgers neueste, noch effizientere Solarzellentechnologien Heterojunction und später Perovskit sowie die Zellverbindungstechnologie Smartwire schützen. Und die Thuner sind an den Gewinnen aus dem Verkauf der Technologien beteiligt.
Diese Strategie hat Meyer Burger im August vorgestellt. Trotzdem haben die Anleger kaum neue Hoffnung geschöpft. Der Aktienkurs dümpelt bei 40 Rappen herum, ein Drittel unter dem Stand von Anfang Jahr. Das Finanzportal «Cash» berichtete kürzlich, dass Stadler-Rail-Chef Peter Spuhler bei Meyer Burger einsteigen könnte. Schliesslich seien Spuhler mit dem Börsengang des Zugherstellers 1,4 Milliarden Franken zugeflossen. Und Lütolf, der Chef von ABB Schweiz war und auch Präsident von Ruag ist, kennt Spuhler gut.
Lütolf weist den Bericht zwar als spekulatives Gerücht zurück. Aber einen Schweizer Grossaktionär würde er begrüssen. «Wir führen aktuell keine konkreten Gespräche. Aber mit einer weiteren strategischen Entwicklung könnten eventuell neue Partnerschaften entstehen.» Die Solarindustrie sei eine attraktive Branche mit viel Potenzial, Meyer Burger sei unbestrittener Technologieführer.
Das haben die Aktionärinnen und Aktionäre schon oft gehört. Ob sie der Unternehmensleitung trauen, zeigt sich übermorgen beim Duell Remo Lütolf versus Mark Kerekes. |