Short-Seller Fraser Perring stürzt Adler Group in den Abgrund – Wer folgt? Gastautor: Armin Brack M.A. | 18.10.2021, 13:02
Immer wieder gibt es Attacken von Short-Sellern gegen Aktien und auch in Deutschland legt dieser Trend weiter zu. Das Vorgehen ist immer gleich: Der „Shortie“ analysiert ein börsennotiertes Unternehmen bis ins kleinste Detail und sucht nach Ungereimtheiten, Falschdarstellungen, Vertuschungen und im schlimmsten Fall Betrug. Wird er fündig, verkauft er eine ordentliche Stückzahl der Aktien dieses Unternehmens leer. Was nichts anderes bedeutet, als dass er sie sich bei Banken, Brokern, Investment-Fonds leiht und sie über die Börse verkauft. Dafür zahlt er dem Verleiher ein Entgelt und vereinbart einen Rückgabetermin. Die Attacke Nun nimmt seine Attacke Fahrt auf und er publiziert seinen ausführlichen Short-Report. Dabei sorgt alleine schon die Meldung, dass es eine Short-Attacke gegen die ABC AG gibt für einen starken Kurseinbruch der Aktie. Aufgrund langjähriger Erfahrung mit entsprechenden Vorgängen drücken die Aktionäre so schnell sie können auf den Verkaufsknopf und verlassen das sinkende Schiff zu beinahe jedem Preis. Dabei prüfen sie nicht einmal, ob an den Vorwürfen etwas dran ist. Denn wer erst denkt und dann handelt, ist bei einer Short-Attacke oftmals derjenige, der auf den hohen Buchverlusten sitzen bleibt, während andere sich zu höheren Kursen noch in Sicherheit bringen konnten. Die Reaktion Die attackierten Unternehmen reagieren fast alle gleich: Erstmal wird dementiert, dann wird auf den Eigennutz des Short-Sellers hingewiesen, der den Short-Report ja nur deshalb veröffentlicht habe, weil er an fallenden Aktienkursen Geld verdienen will. Das ist natürlich richtig, aber eben auch kein Grund, weshalb die erhobenen Vorwürfe falsch sein müssen. Doch es geht erstmal weniger um die Fakten als vielmehr um die Emotionen. Denn Angst und Gier sind die ewigen Begleiter an der Börse und manchmal übernehmen sie die Kontrolle. Im Fall einer Short-Attacke regiert die Angst, die Anleger haben Panik, dass ihre vermeintlich so tollen Aktien wertlos sein und sie ihr eingesetztes Geld verlieren könnten. Verständlich. Die zweite Welle Der Shortie will viel Geld verdienen und das gelingt bereits mit dem ersten scharfen Kurseinbruch. Manchmal nehmen die Short-Seller dann schon erste Gewinne mit, weil sich der Kurs nach der ersten Aufregung etwas beruhigt. Dann kann der Shortie die wieder höheren Kurse für eine zweite Verkaufswelle nutzen und seine zweite Angriffswelle starten. Meistens erfolgt die erste Reaktion des Unternehmens in aller Hast, um die eigenen Aktionäre zu beruhigen. Die Short-Seller setzen hierauf und attackieren die zusammengeschusterten Erklärungen des Unternehmens. Damit unterminieren sie nochmals das Vertrauen in den Vorstand. Des Weiteren halten Shorties oft einige Kritikpunkte bewusst zurück, um nach der ersten Replik des Unternehmens nachlegen zu können. So entsteht der Eindruck bei den Anlegern, es würden immer mehr Punkte hochpoppen und da der Schmerz kein Ende zu nehmen scheint und das Unternehmen keine 100%-ig überzeugenden Widerlegungen präsentieren kann, verlieren auch hartgesottene Aktionäre irgendwann die Fassung und verkaufen ihre Aktien. Der Short-Seller verdient ein zweites Mal und kann sich günstig eindecken. Eigennutz oder Markt-Hygiene? Da wir Menschen Verluste als viel schlimmer empfinden als uns Gewinne Freude machen, fühlt sich eine Short-Attacke auch viel gewaltiger an als ein Jubel-Report, der eine Aktie über den grünen Klee lobt. Der tut ja keinem weh. Dabei können Short-Seller durchaus auch eine nützliche Funktion erfüllen. Sie decken bisweilen wahre Betrugsfälle auf, wie bei Enron oder bei Wirecard. Nicht der Short-Seller ist hier der Bösewicht, sondern die kriminellen Vorstände, die die Anleger und ihre Aktionäre bewusst um ihr Geld betrogen haben. Die Short-Seller sind hier oft nur die Boten einer Botschaft, die niemand gerne hören möchte. Und die gegebenenfalls aber dennoch wichtig ist. „Schlimmer als Wirecard“ Fraser Perring von Viceroy Research, der schon gegen Wirecard ins Feld zog (und richtig lag) und gegen Grenke (wo er vor allem Lärm machte, aber wenig Substanzielles) hat schon vor einiger Zeit angekündigt, er hätte in Deutschland einen neuen Betrugsfall aufgetan, der selbst Wirecard in den Schatten stellen würde. Aufmacher wie „die nächste Wirecard“ kann man komplett vergessen, das soll nur das Interesse ankurbeln. Das gilt auch für die Gegenseite, wenn jemand „die neue Apple/Google/Amazon/Ronaldo“ anpreist. Es hat schon seinen Grund, weshalb die Namen so herausragend sind und emotionalisieren. Und das schafft fast kein zweiter. Trotzdem bleibt ein Betrug schlimm genug, auch wenn er keine Wirecard-Dimensionen erreicht. Und so wird seit Perrings Ankündigung gerätselt, um welches Unternehmen es sich handeln könnte. Der Adler stieg hoch – und wurde abgeschossen! Inzwischen ist dieses Rätsel gelöst, denn Viceroy hat sich die Adler Group S.A. vorgenommen, einen luxemburgischen Wohnimmobilien-Konzern, der in Deutschland an der Börse notiert ist. Ein wahrlich „dankbares“ Opfer für eine Short-Attacke. Denn die Adler Group entstand erst im letzten Jahr aus der Fusion der ADO Properties, Adler Real Estate und Consus Real Estate und ist auf Immobilien-entwicklung, Vermietung und Verwaltung von Mietwohnungen spezialisiert. Im Zuge der Fusion firmierte das Unternehmen in Adler Group um und hält ein Immobilien-Portfolio im Wert von 11,4 Milliarden Euro, vorwiegend in Deutschland mit Fokus auf den Top-7-Städten. „Dankbar“ ist die Adler Group insofern, als dass der Konzern sehr schwer zu bewerten ist. Er besteht aus drei Fusions-Partnern mit teilweise nur bedingt gleichen Geschäftsmodellen und weiteren Tochtergesellschaften (wie zum Beispiel die Wertgrund AG, die Adler Real Estate AG und deren Tochter Brack Capital Properties). Schon bei der komplexen Fusion wurden zahllose Gutachter bemüht, um die fairen Umtauschverhältnisse der drei börsennotierten Unternehmen zu bestimmen und bis heute herrscht keine völlige Klarheit darüber, ob dies gelungen ist. Immobilien-Konzerne sind selten ausschließlich mit Eigenkapital finanziert, sondern hebeln ihre Investments durch die Aufnahme von Fremdkapital. Das ist völlig legitim und zumeist auch sinnvoll. Alle drei Fusionspartner haben dies gemacht, auch die Töchter. Und alle zu unterschiedlichen Konditionen bei den Bankkrediten und den ausstehenden Anleihen. All diese Fremdkapitalgeber mussten unter einen Hut gebracht werden und dazu wurden viele neue Kredit- und Anleihebedingungen „ausbaldovert“, die eine Reihe unterschiedlichster „Covenants“ enthalten. Also Bedingungen, Eckpfeiler, Sollbruchstellen, rote Linien, wie immer man das ausdrücken möchte. Im Immobilien-Sektor ist eine der beliebtesten Covenants der Verschuldungsgrad, auch Loan-to-Value (LTV). Der eine Teil der Gleichung, die Kredite (Loan) ist dabei ja leicht festzustellen. Der andere (Value) nicht ganz so. Denn der Wert eines Assets liegt immer auch im Auge des Betrachters. Für den einen ist ein Picasso allenfalls die Summe der verwendeten Farbe wert, andere zahlen mehrstellige Millionenbeträge für die Farbergüsse. Oftmals versucht der Verkäufer, etwas mehr in den Wert hinein zu zaubern, als unter objektiver Betrachtung darin enthalten ist. Kennt man auch aus Bilanzen. Mal enthalten sie stille Reserven, mal müssen Abschreibungen vorgenommen werden. ----------- Grüne Sterne beruhen auf Gegenseitigkeit! |