interessanter ftd-Artikel von heute, kopiert von finanztreff.de: Wenn man es "so billig macht" wie die EZB, oder gar wie die FED Müll-Anleihen offenmarkt-aufkauft, dann darf man sich nicht wundern, wenn auch bislang verantwortungsbewußte Banken demnächst mal einen richtigen Schluck aus der Risiko-Pulle nehmen. Peanuts, die Bank zahlt alles, und wenn nicht, dann eben die Zentralbank :o(
FTD: Die Saat der Instabilität
Die Zentralbanken mussten handeln, als in den vergangenen Tagen die Liquidität austrocknete. Ihre Rettungsaktion belohnt aber auch Finanzhasardeure - und das kann sich rächen. Die Zentralbanken haben in den vergangenen Tagen in erheblichem Umfang eingegriffen, um die Liquidität zu stärken. Das wirft schwierige Fragen auf: Haben sie damit richtig gehandelt? Haben die Notenbanken - und insbesondere die Europäische Zentralbank (EZB), die mehr Liquidität ins System pumpte als alle anderen Notenbanken zusammen - nicht überreagiert? Legen diese Interventionen vielleicht die Saat für künftige Krisen im Finanzsystem?
Banken stehen im Mittelpunkt eines jeden Zahlungssystems. Wird aus irgendeinem Grund das Zahlungssystem gestört, dann leidet die ganze Wirtschaft. Handel und Investitionen werden in Mitleidenschaft gezogen, eine Lawine der Konkurse zieht gesunde Banken und Unternehmen mit in den Abgrund.
Aus diesem Grund ist das Zahlungssystem ein Kollektivgut. Die Zentralbank als Refinanzierungsinstitut der letzten Instanz garantiert dieses Kollektivgut. Das impliziert, dass sie in Krisenzeiten unbegrenzte Mengen an Liquidität bereitstellen sollte, um ein reibungsloses Funktionieren des Zahlungssystems zu gewährleisten.
Das klingt simpel, doch es gibt ein Problem. Zentralbanken sind nicht nur für die aktuelle, sondern auch für die künftige Stabilität des Zahlungssystems verantwortlich. Und damit geraten die Zentralbanken in ein Dilemma, das die Ausmaße einer griechischen Tragödie hat: Schütten sie wie vergangene Woche große Mengen an Liquidität in das System, kommen die Banken, die Dummheiten gemacht haben, noch einmal davon. Und viele Banken haben Dummheiten gemacht. Manche haben Hedge-Fonds immense Beträge geliehen, ohne zu bedenken, welches Risiko sie damit eingingen oder wie illiquide ihre Position dadurch wird.
Schwierige Unterscheidung
Grundsätzlich kann die Zentralbank dieses Dilemma vermeiden, indem sie nur Liquidität bietet, wenn diese durch gute Vermögenswerte besichert werden kann. Dadurch werden Assets derjenigen Banken ausgeschlossen, die sich durch ihr eigenes halsbrecherisches Verhalten in eine Krise manövriert haben.
In der Praxis ist es jedoch sehr schwierig zu unterscheiden, ob eine Bank nur vorübergehend Probleme mit der Liquidität hat oder ob sie ihre Bilanz mit faulen Krediten überladen hat. Das gilt insbesondere in der derzeitigen Krise, da einige Banken Verluste angekündigt haben, diese aber nicht quantifizieren konnten.
Aus dem Dilemma erwachsen zwei Probleme. Zum einen wird unser Gerechtigkeitsgefühl verletzt: Banken, die sich unverantwortlich verhalten haben kommen billig davon.
Zum anderen bedeutet die heutige Stabilisierung des Marktes, dass die Saat für künftige Instabilitäten des Finanzmarkts gelegt wird. Die Notenbanken vermitteln den Banken nämlich indirekt, dass rücksichtsloses Verhalten nur leicht bestraft wird. Das stachelt sie dazu an, etwas Derartiges erneut zu tun. Dieses von Ökonomen oft angeführte Problem nennt sich Moral Hazard.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die derzeitige Finanzkrise zum Teil auch durch frühere Hilfsaktionen von Zentralbanken verursacht wurde. Sie hatten zur Folge, dass die Risikowahrnehmung am Markt gesunken ist.
Wie in der griechischen Tragödie
Haben die Zentralbanken, und insbesondere die Europäische Zentralbank, richtig gehandelt?
Wie in der griechischen Tragödie trägt die Entwicklung Züge des Unvermeidbaren. Die Notenbanken mussten handeln. Das Risiko einer Störung war real.
Gleichzeitig hat man aber den Eindruck, dass zu viele Finanzinstitute zu leicht davonkommen und dass sich das Moral-Hazard-Problem verstärkt hat.
Hätten die Zentralbanken mehr leisten können, um das Problem des Moral Hazard zu verringern? Walter Bagehot, der große englische Ökonom des 19. Jahrhunderts, sagte einmal, dass Zentralbanken in Krisenzeiten Liquidität nur gegen einen Strafaufschlag beim Zins bereitstellen sollten.
Vergangene Woche missachteten die Zentralbanken diesen Rat. Stattdessen fluteten sie, vor allem die EZB, schon bei der kleinsten Erhöhung des kurzfristigen Zinssatzes über den Richtsatz den Markt mit Liquidität. Hätte die EZB zugelassen dass sich der kurzfristige Zinssatz bei vielleicht einem halben Prozentpunkt über dem Richtsatz von vier Prozent einpendelt, wäre nichts Schlimmes passiert.
Natürlich hätte ein geringer Strafaufschlag auf den Zins das Grundproblem des Moral Hazard nicht gelöst, aber er hätte signalisiert, dass es den Zentralbanken ernst damit ist, das Problem anzugehen. Es sind drastischere Reformen notwendig. Die Banken agieren zunehmend außerhalb des durch Aufsicht und Regulierung festgesetzten Rahmens. Das ist ihnen gelungen, indem sie einen Teil ihrer riskanteren Aktivitäten an Hedge-Fonds weitergereicht haben.
Banken, die an derlei Aktivitäten beteiligt sind, müssen akzeptieren, dass die automatisch von den Zentralbanken geleistete Versicherung ihren Preis hat. Dieser besteht darin, dass diese Hedge-Fonds-Tätigkeiten in denselben Rahmen von Aufsicht und Regulierung zurückgebracht werden wie die anderen Tätigkeiten der Banken.
Das wird nicht leicht werden, denn es macht die schwierige Prozedur internationaler Zusammenarbeit erforderlich. Aber es ist dringend notwendig, um die künftige Finanzstabilität zu erhalten.
Paul de Grauwe ist Wirtschaftsprofessor an der Universität Leuven.
Autor/Autoren: Paul de Grauwe
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