Risikofaktor Yen - das Carry-Trade-Problemvon Ronald Gehrt Guten Morgen, verehrte Leserinnen und Leser! Das Prinzip ist simpel und klingt absolut sicher: Man verschulde sich in Yen. Dort sind nämlich die Kreditzinsen schön niedrig. Dann nimmt man diese billigen Yen und tauscht sie in Dollar oder Euro um und kauft sich dafür in den USA oder Europa Anleihen, die höhere Zinsen abwerfen als in Japan. Das machen die Japaner ja ebenso. Damit macht man also aus nichts Gewinn. Die Yen laufen auf Kredit ... und die Kreditzinsen sind durch die höheren US-Anleihezinsen mehr als gedeckt. Was übrig bleibt, kommt ins Körbchen. Diese feine Idee nennt sich Carry-Trade. Viel Geld ohne Arbeit soll es ja geben ...Das lief in den vergangenen Jahren einfach wunderbar. Vor allem, weil all diejenigen, die so aus Nichts Geld machten, dafür auch noch ein zusätzliches Bonbon bekamen: Währungsgewinne. Während nämlich das letztlich nur gepumpte Geld in den USA Zinsen abwarf, wurde der Yen auch noch sukzessive weniger wert. Was bedeutete: Wer von fünf Jahren einen Yen-Kredit aufnahm und ihn jetzt zurückzahlt, muss, in Euro gerechnet, um die 40% weniger Euro dafür auf den Tisch legen. Dies plus die eingestrichene Zinsdifferenz ist eine feine Rendite für letztlich minimalsten Kapitaleinsatz. Aber: Irgendwo ganz tief in jedem Menschen ist die Erkenntnis verankert, dass so etwas auf die Dauer nicht gut gehen kann. Riesengewinne ohne Arbeit und Risiko... das klingt nach einer Falle. Doch bislang hat sie nicht zugeschnappt. Nur eine gewisse Nervosität bleibt. Der Haken liegt dabei natürlich in der Währung: ... aber nie ohne RisikoSollte der Yen während der Zeit, in welcher dieser billige Kredit läuft, nicht immer weiter verlieren sondern deutlich im Wert steigen, wird es hässlich. Dann nämlich entstehen bei der Rückzahlung Währungsverluste. Und da letztlich die erreichte Zinsdifferenz nur wenige Prozentpunkte ausmacht wird das Kartenhäuschen schon bei einem Anstieg des Yen um 5-10% mit lautem Getöse in sich zusammenbrechen. Daher ist man dieser Tage zusehends auf der Hut – was die Charts verständlich machen: Sie sehen im langfristigen Euro/Yen-Chart, dass der Anstieg des Euro – sprich der Wertverfall des Yen – immer steiler wurde. Das erinnert schon sehr an eine Fahnenstange ... und die pflegen ja gemeinhin schlagartig in sich zusammen zu fallen. Doch langfristig betrachtet ist bislang noch nichts entscheidend angebrannt. Nur der MACD im langfristigen Wochenchart deutet ein Warnsignal an. 
Das Problem ist klar: Da diese Idee Schule gemacht hat, sind die Summen dieser Yen-Kredite gigantisch. Und deren Ziel ist fast immer der US- und der Euro-Kapitalmarkt gewesen. Sollten diese Kreditnehmer Währungsverluste erleiden, bleibt ihnen zur Verlustbegrenzung keine Alternative als die Auflösung dieser Kredite. Und das würde bedeuten, dass vorher die dafür gekauften Anleihen verkauft werden müssten. Euro/Yen an einer entscheidenden LinieFür die US-, aber teilweise auch die Euro-Anleihemärkte ein wahres Horrorszenario. Für die Aktienmärkte, in welche ebenfalls ein Teil dieser Yen Carry-Trades geflossen ist, ebenso. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Auf und Ab der Dollar/Yen- und der Euro/Yen-Relationen in letzter Zeit eng mit den Schwankungen der Börsen korreliert. Wobei man sich immer fragen muss, woher der jeweilige Impuls kommt – von den Devisen oder von den Aktien und Anleihen. Aber ich denke, dass das „Reißen“ wichtiger Chartmarken in den Devisenrelationen in jedem Fall ein eigener Impuls sein würde, der sich dann unmittelbar auf den Aktienmarkt niederschlagen würde. Und genau solch eine Linie hat Euro/Yen jetzt erreicht: 
Sie sehen, dass Euro/Yen bei 160/161 eine markante Unterstützungszone aufweist, in welche die Kurse vor zwei Wochen – parallel zum ersten Abwärtsschub in den Aktienmärkten – bereits einmal eingetaucht waren. Danach etablierte sich eine Erholungsbewegung, die aber genau am 20 Tage-Durchschnitt per letzten Donnerstag brüsk beendet wurde. In nur zwei Tagen sackte der Kurs wieder in die Auffangzone zurück. Sollte der Yen nun weiter steigen, sprich Euro/Yen unter diese Unterstützungszone fallen, ist mit einem schnellen Abrutschen auf 156, eher aber noch an die März-Tiefs bei 150 zu rechnen. Denn: Gefährlicher Domino-EffektWie alles an den Börsen hängen die Dinge zusammen. Bereits jetzt sind mehrere Monate Kursanstieg im Yen dahin. Doch wirklich markante Verluste sind für die Carry-Trader bislang ausgeblieben. Noch! Wenn wir unter 160 fallen und schnell sinken, müssen diejenigen, die in letzter Zeit solche Carry-Trades eingegangen sind, aber die Reißleine ziehen. Denn dann wären für alle diejenigen die Kursgewinne weg bzw. meist Verluste entstanden, die seit letztem Herbst eingestiegen sind. Und wenn diese Positionen aufgelöst werden müssen, entstehen die typischen Dominoeffekte. Denn um da herauszukommen, müssen ja erst die Positionen an den Aktien- und Anleihemärkten verkauft, dann Euro und Dollar verkauft und dafür Yen gekauft werden – was den Abstieg der Euro/Yen-Relation automatisch fortführen bzw. beschleunigen würde. Achten sie also auf diese Kursrelation – wir sind ganz nahe an der Klippe! Mit besten Grüßen Ronald Gehrt The Daily Observer |