,...mal noch ein paar "Soft Fakts" warum wir alle so überzeugt sind von BioNTech
Das medizinische Mastermind hinter dem Biontech-Impfstoff Ohne Özlem Türeci gäbe es den ersten Corona-Impfstoff nicht - und logischerweise jetzt auch keinen Durchbruch in den USA. Sie ist Spitzenforscherin und Unternehmerin zugleich. Das ist ihre Geschichte.
Bericht Manager Magazin
Heilmittelbringerin: Die Chefmedizinerin von Biontech, Özlem Türeci, entwickelt mit akribischer Sorgfalt aus Forschungsergebnissen Medikamente
Die Medizin revolutionieren – nichts Geringeres will Özlem Türeci (53) im Leben erreichen. Seit die Tochter eines Chirurgen am katholischen Krankenhaus der niedersächsischen Gemeinde Lastrup Anfang der 70er-Jahre das Leiden der Patienten miterlebte, bestimmte vor allem ein Wunsch ihren Werdegang: „Menschen zu helfen“.
Gekürzt = (X)
Die Entwicklung des Serums wäre ohne die Leistung der Wissenschaftlerin, die ihre ganze Forschung den Antikörpertherapien widmet, nicht möglich gewesen. Mehr noch: Ihr Rund-um-die Uhr-Einsatz bei der Entwicklung des Impfstoffs eröffnet eine vielleicht noch größere Chance: Erstmals ist der innovative Plattformansatz von Biontech validiert, mit dem Türeci die Menschheitsgeißel Krebs besiegen will.
Das Unternehmen, das Türeci 2008 mit ihrem Mann Uğur Şahin (55) gründete, stieg durch den Beweis der Wirksamkeit seines mRNA-Ansatzes zum größten Hoffnungsträger der deutschen Pharmabranche auf. Der Aktienkurs des Börsenstars hat sich seit der Erstnotiz im Oktober 2019 versiebenfacht – auf eine Marktkapitalisierung von rund 25 Milliarden Euro Mitte Dezember. Mehr als 1800 Hochqualifizierte arbeiten hier am nächsten Level der Medizin.
Die promovierte Ärztin spielt dabei die entscheidende Rolle im Labor. Hier erschafft sie gemeinsam – darauf legt sie größten Wert – mit ihrem „tollen, hochmotivierten Team“ aus mRNA-Wirkstoffen echte Therapien gegen Krebs oder Viruserkrankungen. Das Prinzip, künstlich erzeugte genetische Botenstoffe zu nutzen, um den Körper zu Abwehrreaktionen gegen fremdes Erbgut anzuregen, bildet auch die Basis des ersten Impfstoffs gegen Corona.
Als wissenschaftliche Direktorin verantwortet Türeci die klinischen Tests, mit denen neue Substanzen wie das jetzt erfolgreiche BNT162b2 an Menschen erprobt werden. Sie steuert den gesamten aufwendigen Weg bis zur Zulassung eines Medikaments. So gestaltete sie das Design der Corona-Impfstoffstudie, wählte die besten Wirkstoffkandidaten aus, koordinierte die Zusammenarbeit mit dem Entwicklungspartner Pfizer in den USA.
Die akribische Wissenschaftlerin – sie bezeichnete sich einmal selbst als „preußische Türkin“ – erarbeitete den Mitte November gestellten Antrag für die Zulassung des Covid-Vakzins bei der amerikanischen FDA. Sie betreut das Rolling-Review-Verfahren bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA, bei dem ständig aktuelle Studiendaten an die Prüfer gehen und das Anfang Dezember im Zulassungsantrag mündete. Neben dem Impfstoffprojekt steuert Türeci alle weiteren Testverfahren bei Biontech. Diese insgesamt elf Medikamentenhoffnungsträger gegen verschiedene Krebserkrankungen stellen das eigentliche Kerngeschäft von Biontech dar.
Die Mitgründerin des erfolgreichsten Biotechunternehmens Deutschlands weist mit Fakten die Sicherheit und Wirksamkeit der Konzepte nach, die sie oft schon früh am Morgen und bis tief in die Nacht mit ihrem Partner und CEO Şahin am heimischen Küchentisch diskutiert. Ihr liebstes Genussmittel, den türkischen Tee, kocht dabei Şahin auf.
Als ihre große Stärke in den Debatten sieht Türeci die „Problemlösungskompetenzen“, die sie von ihren Mentoren gelernt habe. Dazu zählt sie den Doyen der Krebsimmunologie, Christoph Huber, der Türeci und Şahin im Jahr 2000 an die Uni Mainz lockte, oder die Züricher Koryphäe Hans Hengartner, der die beiden Ärzte zu den besten Post-Docs zählt, mit denen er je zusammenarbeitete.
Immer wieder betont Türeci, dass zwischen den Erkenntnissen aus dem Elfenbeinturm und einem am Krankenbett verwertbaren Ergebnis „ein wichtiger Unterschied“ besteht: „
Eine Erfindung ist nicht unmittelbar eine Innovation.“
Diese Kluft zwischen wissenschaftlichem Fortschritt und konkreter Therapie zu überwinden hat Türeci zu ihrer Lebensaufgabe gemacht: „Die Entwicklung eines neuartigen Medikaments ist ein langer, beschwerlicher Weg, entlang dessen stetig weitere Innovationen aus anderen Disziplinen eingefüttert werden – so ähnlich wie im Ingenieurwesen.“ (X) Derlei öffentliche Ausführungen überlässt Türeci allerdings am liebsten CEO Şahin. Der führt im Corona-Lockdown von ihrem mit Büchern vollgestopften Wohnzimmer aus Interviews mit den Weltmedien oder telefoniert mit Partnern wie Pfizer-Chef Albert Bourla (58). Sie studiert derweil im Arbeitsraum der überschaubar großen Wohnung nahe ihrem Unternehmen in Mainz die neuesten Forschungsergebnisse oder tüftelt per Videoschalte mit den Teams in aller Welt an noch besseren Untersuchungsmethoden.
Diesen entscheidenden Beitrag zum wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg von Biontech mag Aufsichtsratschef Helmut Jeggle (50) nicht hoch genug loben: „Özlem steckt tief in der DNA des Unternehmens und spielt eine wichtige Rolle in unserem Team.“ Sie hinterfrage immer kritisch und zeige „nicht gedachte Wege“ auf.
Sie bilde das perfekte Regulativ zu ihrem Mann, der vor Ideen nur so sprudele. „Kongeniale Partner“ seien die beiden: „Er dirigiert, aber sie gibt als erste Geigerin Ton und Tempo vor.“ (X) Die Spitzenforscherin erwies sich als exzellente Unternehmerin. (x) Vor allem die Pharmaspezialisten Thomas und Andreas Strüngmann (70) konnte Türeci von ihrem Vorhaben begeistern. Sie investierten zunächst rund 65 Millionen Euro in ihr Unternehmen und kauften, nachdem andere Geldgeber beim ersten Rückschlag aufgeben wollten, 2008 die Mehrheit an Ganymed.
Heute gehört den Brüdern rund die Hälfte an Biontech, dessen Entstehen sie fast vollständig finanzierten – auch weil sie die Fähigkeiten der Gründer schon kannten. Thomas Strüngmann jedenfalls schwärmt von Türeci: „Sie kann die kompliziertesten Sachverhalte verständlich erklären.“ Vor allem aber schätzt er ihre Authentizität und Integrität, auf deren Grundlage er ihr – wie auch ihrem Mann – zutiefst vertraut.
Der Glaube an die wissenschaftlichen und unternehmerischen Fähigkeiten von Türeci hat sich für die Strüngmann-Zwillinge schon einmal ausgezahlt. 2016 kaufte der japanische Pharmakonzern Astellas Ganymed für 422 Millionen Euro. Sollte sich das Magenkrebsmittel, das aus Türecis Forschungsarbeit entstand, als tatsächlich so wirkungsvoll erweisen, wie die ersten klinischen Tests zeigten, könnten noch einmal rund 800 Millionen Euro fällig werden.
Eine bescheidene Summe im Vergleich zu den mehr als zehn Milliarden Euro, die der Strüngmann-Anteil an Biontech heute wert ist. Derlei Rechenspielchen lassen die Gründer kalt. Dass Şahin auf der manager-magazin-Liste der reichsten Deutschen Platz 84 belegt, ist ihnen herzlich egal. Milliarden interessieren die Unternehmer einzig als Mittel,
um „neueste wissenschaftliche Erkenntnisse für den Patienten nutzbar zu machen“, sagt Türeci. Denn dahin „gibt es selten einen gradlinigen Weg, und nicht immer ist der erste Lösungsversuch erfolgreich“.
Deshalb ackert die leitende Wissenschaftlerin disziplinübergreifend am großen gemeinsamen Ziel: „Es darf keine Silos geben, Probleme werden von allen Seiten adressiert und gemeinsam gelöst“, beschreibt sie die Führungskultur bei Biontech. Den egobefreiten Geist der Kooperation lebt sie vor, denn „wenn Chefs mit gutem Beispiel vorangehen, kann das jene Dynamik entfalten, die es braucht, um eine herausfordernde Aufgabe zu lösen“.
Für gelungenes Unternehmertum sei es entscheidend, „die Balance aus Mut und Demut zu finden“, sagt Türeci. Schließlich entstünden in der Medikamentenentwicklung immer wieder Erkenntnisse, die „andere als Rückschläge bezeichnen würden“.
Ihr Grundsatz lautet deshalb: Identifiziere, was wir nicht ändern können, und akzeptiere es. Konzentriere dich „mit Entschlossenheit und Mut“ auf die Dinge, die wir anpacken können: „Dieser Einflussbereich ist oft größer, als wir glauben.“ |