BAD NEUENAHR (dpa-AFX) - Nach monatelangem Streit und Arbeitskampf haben sich Telekom und ver.di über die Konditionen der Auslagerung von 50.000 Beschäftigten in neue Service-Töchter geeinigt. Danach sinkt das Einkommensniveau um 6,5 Prozent bei einer Ausweitung der Wochenarbeitszeiten um vier auf 38 Stunden ohne Lohnausgleich. Durch Zahlungen aus einem Ausgleichsfonds und Zuschläge aus künftigen Tarifrunden würden die Einkommen auf dem jetzigen Niveau gesichert, sagte ver.di-Verhandlungsführer Lothar Schröder nach einem achttägigen Verhandlungsmarathon im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr. T-Service soll am 1. Juli an den Start gehen. Die Telekom verspricht sich vom Umbau Einsparungen zwischen 500 und 900 Millionen Euro.
Die Große Tarifkommission von ver.di stimmte am Mittwochnachmittag dem Kompromiss zu. Nach einer mehrstündigen Sitzung in Köln habe das Gremium mit überwältigender Mehrheit entschieden, die mit der Telekom erzielte Lösung anzunehmen, sagte Schröder nach dem Ende der Sitzung in Köln. Damit könnten die mehr als fünf Wochen andauernden Streiks schon bald beendet werden. Hierüber werden die Beschäftigten aber noch in einer Urabstimmung abschließend befragt.
Telekom-Personalvorstand Sattelberger begrüßte die Einigung im Tarifstreit, schränkte aber ein, bei einem Kompromiss gebe es nie strahlende Gewinner. 'Beide Seiten haben Federn gelassen', sagte er. 'Wir haben 50.000 Arbeitsplätze im Konzern gesichert und die Basis für Neueinstellungen geschaffen'. Zugleich betonte der Manager, der erst Anfang Mai zur Telekom gekommen war, dass 'der finanzielle Zielkorridor des Sparprogramms ordentlich getroffen' wurde. Weitere Details nannte er nicht.
Die Telekom hatte ursprünglich deutlich höhere Einbußen beim Einkommen verlangt - zunächst waren es zwölf Prozent, dann neun Prozent. Nun sollen Gehaltskürzungen in den ersten 18 Monaten durch einen Ausgleichsfonds zu 100 Prozent abgefedert werden, berichtete Schröder. Diese Zahlungen sollen dann bis Ende 2010 schrittweise auf Zwei Drittel abgesenkt und ab 2011 ganz entfallen. 'Die Gehälter der Beschäftigten sind gesichert', sagte er. Die betroffenen Telekom- Beschäftigten könnten darauf vertrauen, dass auf dem Weg in die neuen Gesellschaften kein Griff in ihre Geldbeutel erfolgt. Der Gewerkschafter bedankte sich zugleich bei den Streikenden. Sie hätten den Kompromiss erstritten und die Lösung möglich gemacht.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) begrüßte den Einigung als 'sehr vernünftige Lösung der Tarifparteien'. Beide Seiten hätten eine gute Lösung für Arbeitnehmer, Arbeitsplätze und das Unternehmen erzielt, sagte Steinbrück in Berlin. Es sei klug gewesen, dass die Politik die Beratungen nicht mit permanenten Ratschlägen belastet habe. Der Bund hält derzeit noch direkt oder indirekt rund 30 Prozent der Telekom-Anteile.
An der Börse führte die Einigung zu Kursaufschlägen bei den Telekom-Aktien. Während der Deutsche Aktienindex (DAX) neuen Rekorden zustrebte, legten die Telekom-Papiere im Handelsverlauf um 1,09 Prozent auf 13,91 Euro zu. Nach dem nahenden Ende des Streiks bei der Telekom werde der Abbau der bislang liegen gebliebenen Arbeit Schätzungen zufolge etwa zwölf Wochen dauern, sagte der stellvertretende ver.di-Landesleiter Saar, Kurt Hau, am Mittwoch.
Neben der Kosteneinsparung ist das Ziel der Telekom, die Serviceleistungen wesentlich zu verbessern. Die Telekom hatte im Festnetzgeschäft allein im vergangenen Jahr mehr als 2 Millionen Kunden verloren und will durch diese Maßnahmen den Wettbewerbern Paroli bieten. Hierzu gehört unter anderem die Ausweitung der Regelarbeitszeiten auf den Samstag. So könnten Auftragsspitzen deutlich besser abgefedert werden, betonte Sattelberger.
Nicht nur bei den Kunden, sondern auch bei Wettbewerbern der Telekom sorgt die Einigung derweil für Aufatmen. 'Die Branche ist heilfroh, dass der Streik vorbei ist', sagte ein Branchenkenner. So seien andere Anbieter bei der Aufschaltung von DSL-Anschlüssen auf die Telekom-Techniker angewiesen und hätten in den vergangenen Wochen mit Verzögerungen leben müssen. Die Einigung selbst sieht der Experte als einen 'wichtigen ersten Schritt dazu, dass die Telekom von ihren Kosten runterkommt', es müssten aber noch weitere Schritte folgen. Zwar könnten Einschnitte für die Beschäftigten möglicherweise auch zu Lasten der Servicequalität gehen, das Unternehmen habe aber keine andere Wahl, sagte der Experte. 'Sie steht unter einem enormen Kostendruck.'
Als 'fast einmalig in Deutschland' bezeichnete Sattelberger die getroffenen Sicherungsregelungen für die Beschäftigten der T-Service- Gesellschaften. Der Kündigungsschutz wurde bis Ende 2012 ausgeweitet und betrage somit fünfeinhalb Jahre. 'Das bietet unseren Beschäftigten ein wichtige Planungssicherheit für sie selbst und ihre Familien', sagte Sattelberger. Jetzt komme es darauf an, 'dass wir durchstarten für den Kunden'. Für die Service-Einheiten solle ein Verkaufsschutz zunächst bis 2010 gelten.
Wie Schröder weiter sagte, erklärte sich die Telekom bereit, mehr als 4.000 Nachwuchskräfte einzustellen. Dabei sollen die Einstiegsgehälter um mehr als 30 Prozent rund 21.000 bis 23.000 Euro abgesenkt werden. 'Wir haben aber verhindert, dass es auf Billiglohnniveau Neueinstellungen gibt', unterstrich Schröder./ls/DP/she |