Klimaklub statt Alleingänge: Die aktuelle Klimapolitik ist kontraproduktiv
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Schaffen wir uns selber ab?
München – Die Welt ist sich nicht einig, wie sie gegen das Klimaproblem vorgehen soll. Einige Länder, allen voran die EU-Länder, setzen mit großer Rigorosität Verbote von fossilen Brennstoffen um und reduzieren ihren CO2-Ausstoß. Die meisten anderen Länder machen demgegenüber wenig bis nichts. Dazu gehören jene 138 Länder des Pariser Abkommens, die sich zu keinen konkreten Einschränkungen verpflichtet haben und für zwei Drittel des weltweiten CO2-Ausstoßes stehen.
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Die Macht über das Klima liegt bei den Eigentümern fossiler Ressourcen
Ob unilaterale Einsparmaßnahmen der Nachfrager nach fossilen Brennstoffen für das Klima etwas bringen, hängt allein davon ab, wie die weltweiten Anbieter solcher Brennstoffe auf unilaterale Nachfrageeinschränkungen reagieren. Nur dann, wenn sie weniger extrahieren, wird auch weniger verbrannt, denn alles, was aus der Erde herauskommt, wird irgendwo verbrannt und gelangt dann in die Atmosphäre. Und was nicht extrahiert wird, kann auch nicht verbrannt werden. Das ist die fundamentale Regel der Klimapolitik, an der auch die gutwilligsten Grünen dieser Welt nicht vorbeikommen: Die Macht über das Klima liegt allein bei den Eigentümern der fossilen Ressourcen und den Regierungen, die sie kontrollieren. Stimme der Ökonomen
Klimawandel, Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg: Wohl selten zuvor war das Interesse an Wirtschaft so groß wie jetzt. Das gilt für aktuelle Nachrichten, aber auch für ganz grundsätzliche Fragen: Wie passen die milliarden-schweren Corona-Hilfen und die Schuldenbremse zusammen? Was können wir gegen die Klimakrise tun, ohne unsere Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel zu setzen? Wie sichern wir unsere Rente? Und wie erwirtschaften wir den Wohlstand von morgen?
In unserer neuen Reihe Stimme der Ökonomen liefern Deutschlands führende Wirtschaftswissenschaftler in Gastbeiträgen Einschätzungen, Einblicke und Studien-Ergebnisse zu den wichtigsten Themen der Wirtschaft – tiefgründig, kompetent und meinungsstark.
Man könnte erwidern, dass menschengemachte Lagerstätten für Brennstoffe sowie auch Methoden zur Sequestrierung von verflüssigtem CO2 Abweichungen von dieser Regel implizieren. Das ist zwar theoretisch richtig, doch vorläufig ohne jede quantitative Bedeutung. Klimaschutz: Nachfrage nach fossilen Rohstoffen drosseln reicht nicht
Die Industrieländer, die ihre Waren an die Konsumenten der Welt liefern, haben es nur dann wirklich in der Hand, die CO2-Belastung der Atmosphäre zu senken, wenn sie selbst über Lagerstätten fossiler Brennstoffe verfügen, die sie versiegeln können. Das gilt zum Beispiel für die USA, China oder Kanada, auf deren Territorium ausgedehnte Kohlevorkommen und Ölreserven liegen, deren Extraktion sie jederzeit stoppen könnten, wenn sie es wollten. Es gilt auch für jene Länder der EU, die über signifikante Braunkohle- oder Steinkohlereserven verfügen, wie etwa Deutschland, Polen und die Tschechische Republik.
Wenn hingegen die grün denkenden Industrieländer statt ihres eigenen Ressourcenangebots bloß ihre Nachfrage nach Brennstoffen reduzieren, indem sie einen Deindustrialisierungsprozess einleiten oder auf grüne Energien setzen, dann besteht die Gefahr, dass jene Mengen an fossilen Brennstoffen, die sie nicht mehr verbrauchen, in andere Länder verkauft werden, die sie stattdessen verbrennen. Diese Gefahr besteht zwar nicht bei der Braunkohle, weil sie schwer zu transportieren ist und deshalb international nicht gehandelt wird, doch sehr wohl bei den anderen Brennstoffen, allen voran dem Öl, auf das sich die Einsparmaßnahmen der Europäer konzentrieren. Ölmarkt: Verhalten der Ölproduzenten ist entscheidend
Der Mechanismus, durch den die Verlagerung passieren kann, liegt in der Preisanpassung auf dem Ölmarkt. Wenn die grünen Verbraucher weniger Öl verbrennen, fällt der Weltmarktpreis, und bei fallendem Preis kaufen andere Verbraucher mehr. Zumindest ein Teil der Nachfrageeinschränkung der „grünen“ Verbraucher könnte auf diese Weise kompensiert werden.
Wie viel kompensiert wird, hängt allein vom Verhalten der Ölproduzenten nach einer Preissenkung ab. Vielleicht verkaufen sie weniger, weil marginale Lagerstätten unrentabel werden. Vielleicht verkaufen sie genauso viel, weil die Nutzungsgebühren (Royalties oder User costs) marginaler Lagerstätten selbst mit dem Marktpreis fallen. Vielleicht verkaufen sie mehr, weil sie noch größere Nachfrageeinschränkungen in der Zukunft erwarten (grünes Paradoxon). Vielleicht verkaufen sie auch bloß deshalb mehr, weil sie von der Hand in den Mund leben, und den Preisverfall durch einen Mehrabsatz ausgleichen, um ihren Hofstaat finanzieren zu können. In den beiden zuletzt genannten Fällen würde eine Einschränkung der Nachfrage nach Öl sogar zu einer Beschleunigung des Klimawandels führen. Die ökonomische Literatur ist sich unschlüssig darüber, welche Konstellation am ehesten zutrifft. Um so wichtiger ist die empirische Analyse, und die ist zumindest beim Erdöl, das im Zentrum der Einsparversuche vieler Länder steht, überraschend eindeutig. Welt-Ölproduktion steigt seit fast 40 Jahren an
Vom Ende der zweiten Ölkrise bis zum Beginn der Covid-Krise. Also vom Jahr 1982 bis zum Jahr 2020, also fast vier Jahrzehnte lang, folgt die Welt-Ölproduktion einem linearen, leicht ansteigenden Trend, mit minimalen, kaum sichtbaren Variationen der Extraktionsmengen. |