wie man daran sieht, hat evotec ein großes Potential, meine voll überzeugte Meinung!
andere Meinung?
Interviews 08.12.2011, 16:09 „Ein Wirkstoff kann und darf auch mal scheitern“ - Interview mit Dr. Werner Lanthaler, CEO, Evotec AG
Gewohnt markant bringt der Vorstandsvorsitzende des Hamburger Biotechnologie-Unternehmens sein grundlegende Leitprinzip auf den Punkt: Ein einzelner Wirkstoff darf nicht das gesamte Unternehmen ausmachen. Das GoingPublic Magazin sprach mit dem Österreicher über Börse, Bilanzen und biotechnologische Betriebsphilosophien.
GoingPublic: Herr Dr. Lanthaler, die Kooperation mit Roche haben Sie geschlossen, obwohl sich EVT 302 gegen Alzheimer noch nicht einmal in Phase II befindet – weiß Roche mehr als die Öffentlichkeit? Lanthaler: EVT 302 war in einer anderen Indikation, der Raucherentwöhnung, schon in Phase II. Es hatte zwar nicht zum gewünschten Ergebnis geführt, aber daraus resultierte schon das Sicherheitsprofil mit diesem Wirkstoff. Zudem gab es früher schon Daten mit sogenannten MAO-B-Inhibitoren gegen Alzheimer. Dies zusammen mit den neuen Safety-Daten legte nun nahe, EVT 302 auch in der Indikation gegen Alzheimer auszuprobieren.
GoingPublic: Dabei ist aber nicht ein komplettes Verschwinden einer Alzheimer-Erkrankung angedacht. Lanthaler: Nein, das nicht. Es geht dabei darum, das Fortschreiten der Symptome bei Alzheimer-Patienten aufzuhalten. Das ist der Ansatz, den wir uns zusammen mit Roche überlegt haben und den uns Roche auch, wie kommuniziert, finanzieren wird.
GoingPublic: Wie kann es überhaupt zu solch einer drastischen Zieländerung kommen – findet man so etwas zufällig heraus? Lanthaler: Nun, die Substanz spielt bei beiden Indikationen, Alzheimer sowie auch Nikotinsucht, eine Rolle, allerdings sind die Wirkmechanismen komplett andere. Während bei Nikotinsucht dopaminerge Mechanismen betroffen sind, geht es bei Alzheimer im Wesentlichen um den Abbau von oxidativem Stress.
GoingPublic: Und da kamen Sie von Raucherentwöhnung auf Alzheimer? Lanthaler: Einen Wirkstoff gegen Alzheimer zu finden, war schon immer das A und O dieses Forschungszweiges. Nur konnte sich Evotec so etwas nie aus eigener Kraft leisten. Manchmal ist man dann als Forschungsunternehmen versucht, eine vermeintlich leichter nachzuweisende Indikation vorzuziehen – das ging in diesem Fall aber schief. Aus einer klinischen Niederlage noch einen aussichtsreichen Versuch in einer anderen Indikation zu machen, hat es in der Pharmageschichte jedoch schon oft gegeben.
GoingPublic: Nun folgte auch eine weitere Kooperation mit der belgischen Pharmafirma UCB. Lanthaler: Bei der einen Allianz mit UCB geht es auch um eine Indikation im Bereich des zentralen Nervensystems. Beim der anderen Allianz handelt es sich um den Bereich Infektionskrankheiten, aber der genaue Indikationsbereich kann leider nicht von uns veröffentlicht werden.
GoingPublic: Ihrer Kooperation mit Boehringer haben Sie das höchste Upside-Potential für Evotec beigemessen – warum und auch jetzt noch, nach den beiden neuen Deals? Lanthaler: Das Wichtigste ist sicherlich, dass wir unser Portfolio insgesamt verbreitert und die Abhängigkeit von einem einzelnen Partner oder auch Wirkstoff genommen haben. Eine Partnerschaft wird mitunter sogar noch stärker, wenn man weitere Partner mit an Bord hat, denn das macht uns alle gemeinsam schlagkräftiger. Das werden wir bei unseren derzeitigen Forschungsbemühungen sicherlich sehen.
GoingPublic: Sind Pharmakooperationen heute der Schlüssel zum Erfolg im Biotechnologiebereich? Lanthaler: Was wir bei Evotec auf keinen Fall mehr haben wollten, waren ungeschützte klinische Studien mit vollem Kostenrisiko und zu hohem Portfoliorisiko. Geht jetzt etwas schief, und davon muss man in dieser Branche immer mal ausgehen, dann ist vielleicht der Wirkstoff am Ende, aber nicht das Unternehmen. Von daher sind solche Partnerschaften eine wirtschaftliche Notwendigkeit und strategisch ein sehr guter Grundstein.
GoingPublic: Aber wer macht dann überhaupt noch die grundlegende Wirkstoffentwicklung, wenn niemand mehr Risiken eingehen möchte? – ist der reine „Stand-alone-do-it-myself-Wirkstoffentwickler“ heute out? Lanthaler: Schwer zu sagen, aber ich kann mich nicht nach Modeerscheinungen richten. Ich würde nicht sagen, dass sich das in den letzten zwanzig Jahren grundlegend geändert hat. Als Forschungsunternehmen muss man tun, was wissenschaftlich opportun ist und am Ende auch ein Geschäft ergibt. Einen Wirkstoff durch eine Phase III bringen zu wollen, ohne 100 Mio. EUR an Finanzierung im Rücken zu haben, ist wie eine Mondreise ohne ausreichenden Treibstoff anzutreten.
GoingPublic: Biotechnologie und Börse scheinen häufig miteinander auf Kriegsfuß zu stehen. Ist es Ihnen manchmal zuwider, beispielsweise Quartalszahlen erläutern zu müssen? Lanthaler: Nein, absolut nicht. Ich bin gerne an der Börse, und da gehören einige Prinzipien wie Transparenz, Kommunikation usw. dazu. Es gibt Investoren, die verstehen die Sachverhalte in der Biotechnologie. Oft heißt es ja, bei Biotechunternehmen braucht man gar nicht erst in die Bilanz zu schauen; später dann stellen viele fest, dass man genau das doch mal besser hätte tun sollen.
GoingPublic: Herr Dr. Lanthaler, herzlichen Dank für das angenehme und interessante Gespräch!
Das Interview führte Falko Bozicevic.
Ursprünglich erschienen im GoingPublic Magazin 12/2011.
Dr. Werner Lanthaler ist seit März 2009 Vorstandsvorsitzender der Evotec AG. Zuvor war er Finanzvorstand der österreichischen Intercell AG. Er promovierte in Betriebswirtschaft an der Universität Wien und erwarb seinen Masters Abschluss an der Harvard University sowie einen Universitätsabschluss in Psychologie. http://www.goingpublic.de/news/interviews/detail.hbs?recnr=14611 ----------- "Mit Speck fängt man Mäuse, mit Versprechungenen Aktionäre" (Börsenweisheit) |