http://www.ftd.de/meinung/kommentare/...-Arbeitslosigkeit/541244.html Berücksichtigt man beispielsweise in den USA auch Teilzeitbeschäftigte und Arbeitnehmer, die die Jobsuche aufgegeben haben, liegt die Arbeitslosenrate bereits bei 16,5 Prozent. In den meisten Ländern haben geld- und konjunkturpolitische Maßnahmen wenig bewirkt, um die Jobverluste einzudämmen. Dadurch fiel auch das Gesamtarbeitseinkommen - das Produkt aus Arbeitsplätzen mal geleisteten Arbeitsstunden mal durchschnittlichen Stundenlohn - dramatisch.
Um die Zahl der Entlassungen einzudämmen, bitten viele Arbeitgeber ihre Mitarbeiter auch, Lohn- und Stundenkürzungen hinzunehmen. So ersuchte British Airways beispielsweise seine Mitarbeiter um einen einmonatigen Lohnverzicht. Die gesamten Auswirkungen der Rezession auf Arbeitseinkommen sowie Lohn- und Stundenkürzungen sind also noch viel drastischer. Hohe Arbeitslosigkeit und sinkende Einkommen wirken sich in mehrfacher Hinsicht negativ auf Wirtschaft und Finanzmärkte aus.
Erstens führen sinkende Arbeitseinkommen zu einem geringeren Konsum der Haushalte. Da der private Konsum in den USA 70 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht - und in anderen Industrieländern ähnlich hohe Werte aufweist - ist dies ein Hinweis darauf, dass die Rezession länger dauern und die Erholung im nächsten Jahr anämisch ausfallen wird.
Zweitens werden die Arbeitsplatzverluste zu einer langwierigeren und stärkeren Immobilienrezession führen, da Arbeitslosigkeit und geringere Einkommen Hypothekenausfälle und Zwangsversteigerungen in die Höhe treiben.
Drittens: Fügt man in Kreditausfallsmodelle eine Arbeitslosenrate von zehn oder elf Prozent ein, ergeben sich hässliche Zahlen. Und das nicht nur bei Eigenheimen, sondern auch bei Gewerbeimmobilien, Kreditkarten, Studien- und Autokrediten. Die Verluste der Banken aus ihren toxischen Papieren und ihr Kapitalbedarf werden viel höher sein als angenommen, und das wiederum wird die Kreditklemme verschärfen.
Viertens erhöhen Arbeitsplatzverluste die Neigung zu protektionistischen Maßnahmen, da die Regierungen unter Druck geraten, im Inland Arbeitsplätze zu retten. Dadurch droht der globale Handel noch weiter zu schrumpfen.
Fünftens: Je höher die Arbeitslosenrate, desto größer werden auch die Haushaltsdefizite, da automatische Stabilisatoren die Einnahmen drücken und Ausgaben (für Arbeitslosengeld beispielsweise) in die Höhe treiben. Aus diesem Grund wird sich die bereits jetzt untragbare Haushaltssituation der USA - mit einem Defizit von über zehn Prozent des BIP und Staatsschulden, deren Anteil am BIP sich bis 2014 verdoppeln wird - noch weiter verschlechtern.
Das führt zu einer politischen Zwickmühle: Steigende Arbeitslosigkeit zwingt Politiker in den USA und anderswo, über zusätzliche Konjunkturprogramme nachzudenken, um die schwindende Nachfrage anzukurbeln. Aber trotz des beständigen Deflationsdrucks im Jahr 2010 werden steigende Haushaltsdefizite, hohe Kosten für Rettungspakete auf dem Finanzsektor und untragbare Staatsschulden letztlich zu einer höheren Inflation führen - und daher zu höheren Zinssätzen, die wiederum die Erholung der privaten Nachfrage ersticken.
Um eine noch langwierigere Rezession zu vermeiden, erscheinen also weitere Konjunkturprogramme notwendig, die sich die Regierungen allerdings kaum leisten können: Wofür sie sich auch immer entscheiden, sie haben keine Chance, es richtig zu machen. Wenn sie, wie in Japan in den späten 90er-Jahren und in den USA 1937, die Bedrohung durch große Defizite ernst nehmen und zu früh Steuern erhöhen und Ausgaben kürzen, könnten sie in die Rezession zurückfallen.
Aber diese Entwicklung könnte auch einsetzen, wenn man Defizite ausufern lässt oder sie noch mit zusätzlichen Konjunkturprogrammen zur Arbeitsplatzbeschaffung aufbläht, weil die Bondwächter dann vielleicht die Kreditkosten in die Höhe treiben.
Angesichts der Tatsache, dass steigende Arbeitslosigkeit den Konsum, Immobilienpreise, Bankbilanzen und öffentliche Finanzen belasten, wird der Spielraum für konjunkturelle Anreize immer kleiner.
Und nicht nur das: Auch die Geldpolitik verfügt in Volkswirtschaften, die unter Zahlungsproblemen leiden, über wenig kurzfristige Zugkraft. Noch schlimmer ist, dass der monetäre Überhang mittelfristig zu erheblichen Inflationsrisiken führen könnte. |