Die Knute des Conservators
Von Von Patrick Bernau DruckenVersendenSpeichernVorherige Seite yiggdeliciouslinkwebnewsdiggwong
07. September 2008 Wenn die beiden Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac in der kommenden Woche verstaatlicht werden, dann haben sie viel gemein mit einer anderen berühmten Amerikanerin: mit Britney Spears. Die ist nach einigen Alkoholexzessen Anfang des Jahres wieder unter die Vormundschaft ihres Vaters gestellt worden. Diese Vormundschaft heißt im amerikanischen Juristenenglisch "Conservatorship", und so heißt auch das Arrangement, das Fannie und Freddie jetzt erwartet. Es funktioniert ganz ähnlich: Die beiden Hypothekenfinanzierer bekommen einen "Conservator", also einen staatlichen Vormund. Er kann dann in den Firmen schalten und walten, wie er es für richtig hält, denn er hat die Macht von Vorstand, Verwaltungsrat und Aktionären gleichzeitig. Die alten Chefs werden entlassen. Dass es so kommt, soll offenbar spätestens am heutigen Sonntag verkündet werden.
Die beiden Hypothekenbanken gehen dann aber nicht in den Staatsbesitz über, sondern gehören weiterhin ihren alten Aktionären. Immerhin bekommen sie einen gewissen Schutz vor ihren Gläubigern, weil der Vormund festlegen kann, dass von Fannie und Freddie 45 Tage lang kein Geld gepfändet werden darf. Wenn er mit seiner Arbeit fertig ist, sollen Fannie und Freddie wieder allein im Privatbesitz überleben können.
Die "Conservatorship" ist die mildeste Form der Verstaatlichung, die das amerikanische Gesetz vorsieht. Die Regierung wählt diese Variante mit Absicht - schon allein, um dem Volkszorn zu entgehen. Wenn sie die beiden Unternehmen ganz in den Staatsbesitz nehmen würde, wäre die Entrüstung der Amerikaner wahrscheinlich groß gewesen. Banken im Staatsbesitz: Das hätte dann zu sehr nach dem verhassten Sozialismus ausgesehen. Zum Thema
* Amerika rettet Fannie und Freddie aus höchster Not
Außer der öffentlichen Meinung profitiert auch der amerikanische Staatshaushalt von dieser Variante, zumindest optisch. Bei einer schärferen Variante der Verstaatlichung wären nämlich die Kredite von Fannie Mae und Freddie Mac zu Staatsschulden geworden, und das hätte den Schuldenstand der amerikanischen Bundesregierung erheblich in die Höhe getrieben: Zu den aktuell neun Billionen Dollar wären weitere fünf Billionen hinzugekommen.
Den meisten dieser fünf Billionen Dollar stehen aber auch in dieser schweren Immobilienkrise ganz normale Hypothekenkredite gegenüber, deren Schuldner ihre Raten regelmäßig bezahlen. Dafür muss die Regierung nun kein Geld in die Hand nehmen. Die "Conservatorship" erlaubt es dem amerikanischen Finanzminister Henry Paulsen, die ganzen Schulden bei den Hypothekenbanken zu lassen und nur von Quartal zu Quartal den Verlust auszugleichen, den die Banken wegen der geplatzten Hypothekenkredite einfahren. Das erwarten zumindest die Experten in den Vereinigten Staaten, auch wenn die genaue Vorgehensweise nach dem Beginn der Vormundschaft noch nicht bekannt ist.
Am besten kommen nun wahrscheinlich die Gläubiger von Fannie und Freddie davon - also diejenigen, die Anleihen gekauft haben. Für die Sicherheit ihres Geldes verbürgt sich jetzt der Staat. Möglicherweise gilt das auch für die Besitzer der neuartigen Wertpapiere von Fannie Mae und Freddie Mac, die mit für das Entstehen der Finanzkrise verantwortlich waren.
Wie die Aktionäre aus der Vormundschaft herauskommen, das ist noch nicht klar. Denn es gibt zwei Typen von Anteilscheinen: Vorzugsaktien und normale. Beide stehen heute ohnehin auf einem Bruchteil des Kurses, den sie vor Ausbruch der Finanzkrise hatten. Aber der Sinn von Vorzugsaktien ist, dass ihre Besitzer mehr Geld bekommen als die herkömmlichen Aktionäre.
Wie viel dieses Versprechen nun wert ist, darüber sind sich die Auguren uneins: Einige erwarten, dass Vorzugsaktionäre ähn-
lich behandelt werden wie die Anleihengläubiger - sie müssten dann nur mit wenig zusätzlichem Verlust rechnen. Andere glauben, dass es den Vorzugsaktionären ähnlich ergeht wie den herkömmlichen Aktionären. Die müssen nämlich auf jeden Fall damit rechnen, dass ihre Anteile an den beiden Hypothekenbanken noch einmal kräftig verlieren und am Ende vielleicht wertlos sind.
Das Vormundschafts-Verfahren, das die Regierung jetzt verwendet, ist in dieser Form erst in den vergangenen Wochen ins Gesetz geschrieben worden. Und es läuft ganz ähnlich ab wie das für die Vormundschaft über Britney Spears: Erst muss klar sein, dass der Bevormundete nicht mehr auf sich selbst aufpassen kann, das heißt, Fannies und Freddies Aufsichtsbehörde "Ofheo" muss formell feststellen, dass die beiden nicht mehr genug Geld haben: Sie müssen "massiv unterkapitalisiert" sein. Dann kommt der neue Vormund. Anders als im Fall von Britney Spears wird bei Fannie und Freddie der Vormund aber wahrscheinlich derselbe sein wie der Richter: die Aufsichtsbehörde. |