13.02.2004
Filz, Tipps und eine Kursexplosion
Firmenmantel der Realtos AG verbirgt manche Seltsamkeit
Von Stefan Loipfinger und Hannes Nickl
Auch nach dem unrühmlichen Ende des Neuen Marktes sind in Deut-schland noch Kurswunder möglich. So ist die Notierung der Realtos Grund- und Beteiligungs AG seit Mitte 2002 von 35 Cent auf mittlerweile knapp 30 Euro gestiegen. Zwischenzeitlich kostete das Papier sogar mehr als 40 Euro. Allerdings erinnern einige Begleitumstände der Hausse an diverse Skandalfälle in dem früheren Wachstumssegment.
Bislang hat von dem Kursfeuerwerk im Wesentlichen nur einer profitiert: Peter Zimmermann, Chef der „Starnberger 5-Seen Land Vermögensbetreuungs AG“ (SV). Die SV ist eine Gesellschaft, die unter anderem mit Vermögensverwaltung sowie Vermittlung und Initiierung von Beteiligungsmodellen befasst ist. Zimmermann hielt mittelbar bereits fast 86 Prozent an Realtos, als die Hauptversammlung der Gesellschaft im vergangenen Dezember beschloss, dass die SV in Realtos eingebracht wird. Seine Realtos-Titel – notiert im Freiverkehr an der Stuttgarter und Münchner Börse – hatte Zimmermann nach eigener Aussage zum Kurs von jeweils etwa 40 Cent erworben.
Die neue Gesellschaft, deren Chef seit Jahresanfang Zimmermann ist, soll noch im laufenden Jahr an den geregelten Markt wechseln. Doch schon die Mehrheitsverhältnisse bei Realtos könnten Anleger skeptisch stimmen – der Streubesitz vor dem Einbringungsbeschluss im Dezember betrug lediglich knapp 14 Prozent oder 181 000 Aktien. Angesichts dieser geringen Zahlen können bereits bei niedrigen Umsätzen extreme Kursschwankungen entstehen.
Noch seltsamer ist: Realtos ist ein börsennotierter Firmenmantel ohne operative Geschäfte und ohne nennenswertes Vermögen (und bleibt dies auch, so lange die SV-Einbringung nicht ins Handelsregister eingetragen ist). Dennoch hat die „Münchener Wirtschaftsprüfungsgesellschaft GmbH“ einen Wert von rund 53 Millionen Euro für Realtos ermittelt, zusätzlich für die SV einen Wert von gut 35 Millionen Euro. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gehört zur Münchener Steuerrevisions- und Treuhand GmbH, zu deren Partnern der Jurist Klaus Senft zählt. Dieser arbeitet mit seiner Rechtsanwaltskanzlei schon seit Jahren mit der SV zusammen. Außerdem ist Senft der Aufsichtsratsvorsitzende von Realtos. Stellvertreter ist sein Sozius Ronald Gundlach, der gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der SV ist. Senft erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme, er sehe in dieser Konstellation keinen potenziellen Interessenskonflikt.
Pikant ist auch, wer noch einen nennenswerten Anteil an der SV besitzt. Hinter dem unscheinbaren Namen der Loyr-Stiftung, die an der SV zu sechs Prozent beteiligt ist und nach Einbringung in die Realtos daran den gleichen Anteil halten soll, verbirgt sich Florian Homm – eine zweifelhafte Berühmtheit in der Investmentszene. Homm fungiert als Manager eines Hedge Fonds namens Absolute Return Europe mit Sitz auf den Cayman Islands. Dessen prominenteste Opfer waren in den vergangenen Jahren die Firmen WCM, MLP und Sixt. Ein schweizerisches Analysehaus, an dem Homm maßgeblich beteiligt sein soll, hatte die Konzerne durch die Veröffentlichung angeblicher Fakten, die extrem negativ waren, unter Druck gesetzt. Die folgenden Kursabstürze soll sich der Fonds von Homm durch vorherige Leerverkäufe der jeweiligen Aktien zu Nutze gemacht haben.
Analystenstudien spielen auch im Falle von Realtos eine unrühmliche Rolle – nicht aus dem Umfeld Homms, sondern der GSC Research GmbH, die sich als unabhängiges Analysehaus bezeichnet. Realtos ließ im Dezember von GSC eine Studie über sich erstellen, in der es unter anderem heißt, selbst nach der Kursexplosion gebe es „langfristig noch deutliches Kurspotenzial“. Eine explizite Empfehlung für den Titel blieb bei dieser Gelegenheit aus. Das holte die Anlagezeitschrift Nebenwerte Insider nach. Dort wurde eine Kaufempfehlung für die Realtos-Aktie abgegeben. Chefredakteur des Blattes ist ausgerechnet GSC-Geschäftsführer Matthias Schrade. Er sehe, sagt Schrade auf Anfrage der SZ, keinerlei Problem in dieser Personalunion.
Zweifelhafte Doppelfunktion
Ähnlich bunt durcheinander geht es bei dem Finanzmagazin Mein Geld. Die Zeitschrift bezeichnete die Realtos-Aktie 2003 als „Geheimtipp des Jahres“. Zum Redaktionsteam von Mein Geld gehört nach Angaben des Blattes eine Nathalie Kalac. Doch nach Angaben von SV-Chef Zimmermann arbeitet Kalac „ausschließlich und zu 100 Prozent“ als Anlageberaterin – in seiner Firma.
Ähnliche Doppelfunktionen anderer Personen hatten nach dem Platzen der Blase am Neuen Markt für einigen Ärger gesorgt. So hatte Sascha Opel, stellvertretender Chefredakteur des Anlegerblattes Der Aktionär, in der Zeitschrift Aktien empfohlen und die selben Papiere einem Fonds zum Kauf angedient, deren Berater er war. Die Kurse der meisten Titel schmierten anschließend ab. Und viele der Anleger, die diesen Tipps gefolgt waren oder in dem Fonds investiert hatten, verloren in dem verwirrenden Zusammenspiel eine Menge Geld.
Quelle:
http://www.sueddeutsche.de/sz/wirtschaft/red-artikel1961/