Anm: Deutsche Unternehmen engagieren sich schon seit langer Zeit in China. Von Automobilindustrie bis Bankensektor. Alle sind dort präsent. Die Angst vor einer Immobilienblase in China ist ziemlih groß. Wenn Immoblase platzt, wird die Gesamtweltwirtschaft ins Bodenlose abstürzen.
Gefahr des Platzens der Blase ist sehr gross
Wann platzt die Immobilienblase in China? Was für Auswirkungen wird dies haben? Der Sinologe Christopher Detweiler, Wellershoff & Partners, zeigt sich im Interview mit NZZ Online überzeugt, dass die Blase in den nächsten 24 Monaten platzen wird. Interview: Marco Metzler
NZZ Online: Herr Detweiler, als Sinologe sprechen Sie Chinesisch und haben in China gelebt. Nun gibt es in den Research-Abteilungen der Banken viele Experten, die noch nie einen Fuss auf chinesischen Boden gesetzt haben, aber ganze Research-Paper zum Thema verfassen. Kann man die chinesische Wirtschaft überhaupt analysieren und verstehen, ohne die Sprache, das Land, die Mentalität und die Politik zu kennen? Christopher Detweiler: Analysieren geht. Aber in China gibt es zwei unterschiedliche Welten: Eine Welt für die Bevölkerung – die Zeitungen und die Reden der hohen Funktionäre der Partei sind auf Chinesisch –, und es gibt eine zweite, englische Welt, die allein für das Ausland bestimmt ist. Je nach Sprache liest und erfährt man ganz andere Sachen. Wer kein Chinesisch spricht, hat eine ganz andere Perspektive auf das Land als die Chinesen selbst. Worin liegt der Hauptunterschied zwischen den beiden Welten? In der chinesischen Sicht der Dinge spielt die kommunistische Ideologie eine wichtige Rolle. Die Funktionäre sprechen noch die alte marxistische Sprache. Kein Funktionär in China würde je behaupten in China herrsche Kapitalismus. Niemals! Es ist ein sozialistisches Land mit chinesischen Besonderheiten und Marktkräfte werden nur toleriert, weil sie in der jetzigen historischen Phase eine bessere Allokation von Ressourcen ermöglichen und der Entwicklung der Produktivkräfte dienen. Das politische System wird offiziell eine demokratische Diktatur des Volkes genannt und in der Aussenpolitik heisst es, China müsse sich mit der dritten Welt vereinigen und den Hegemonismus bekämpfen. Aber gegenüber dem Westen spricht man ganz anders. Man stellt sich als armes Entwicklungsland dar, das sich vor allem auf die wirtschaftliche und politische Reform und Öffnung fokussiert. China habe bereits eine Demokratie mit chinesischen Besonderheiten, die aber noch weiter verbessert werden könne, und die chinesische Aussenpolitik habe vor allem den Weltfrieden und die Zusammenarbeit zum Ziel zwecks Herbeiführung einer globalen Win-Win-Situation.
Kann man als Ökonom oder Analyst im Westen allein mit den aus China erhältlichen Daten ein realistisches Bild von Chinas Wirtschaft zeichnen – auch wenn man die Sprache nicht versteht? Man muss mit dem arbeiten, was einem zur Verfügung steht. Man sollte zuerst davon ausgehen, dass die offiziellen Daten richtig sind. Dann kann man beim genaueren Hinsehen im Land selbst prüfen, ob Unregelmässigkeiten vorkommen und ob es Ereignisse in China gibt, die den Daten widersprechen. Wie stark sind solche Daten manipuliert? Die chinesischen Daten sind wohl nicht mehr oder weniger manipuliert als in anderen Ländern. (Lacht.) Sehr diplomatisch ausgedrückt. Kommen wir zum Immobilienmarkt: Besteht da eine Blase? Wenn man die Entwicklung der Immobilienpreise in China über die letzten zehn Jahre beobachtet, sieht man ganz klare Parallelen zu anderen Immobilienblasen der Vergangenheit. Es bestehen zum Beispiel grosse Ähnlichkeiten zur Schweizer Immobilienblase zwischen 1981 und 1991. In dieser Periode sind die Immobilienpreise in der Schweiz real gesehen um 60 Prozent gestiegen, Mieten hingegen überhaupt nicht. Das war – wie wir gesehen haben – keine nachhaltige Entwicklung. 1981 hatte man in der Schweiz eine durchschnittliche Nettomietrendite – also das Verhältnis vom jährlichen Nettomieteinkommen zu Immobilienpreis – von 3 Prozent. Bis 1991 sank die Nettomietrendite auf 1,59 Prozent – dies ist übrigens ein Weltrekord. Nach dem Platzen der Blase 1991 fielen die Immobilienpreise; da die Mieten etwa gleich blieben, stieg die Nettomietrendite bis 2001 wieder auf 3 Prozent. Fast genau dieselbe Entwicklung kann man in China beobachten: 2001 hatte man eine Nettomietrendite von 3 Prozent. Heute liegt diese Rendite noch bei 1,7 Prozent – tiefer als in Irland oder den USA und beinahe so tief wie 1991 in der Schweiz. Auch diese Entwicklung ist nicht nachhaltig.
Spekulieren die Chinesen derzeit also vor allem auf steigende Häuserpreise? Genau. Mit Anekdoten muss man zwar vorsichtig sein, aber ich hatte Bekannte, die mir 2008 erzählten, dass sie Wohnungen praktisch als Sparkonti kaufen. Sie vermieteten die Wohnungen gar nicht. Sie kauften sie in neuem Zustand, beliessen sie unmöbliert, schlossen die Türe ab und warten darauf, mit den Preissteigerungen reich zu werden. Man liest, dass in gewissen Regionen viele Immobilien leer stehen. Wurde zu viel gebaut? Man sieht schon Beispiele leerer Häuser – leerer Städte gar. Es gibt ganze Vororte, die gebaut werden, bevor es überhaupt Käufer für die Objekte gibt. Werden nun also eher die Mieten steigen oder die Häuserpreise fallen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die kommunistische Partei zulässt, dass die Mietpreise zu schnell steigen, denn das ist nur durch Konsumentenpreisinflation machbar. Und mit Inflation haben die Kommunisten ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Vor allem 1989, als es zu politischen Unruhen kam, hatte man fast 30 Prozent Inflation. So etwas möchte die Partei auf jeden Fall vermeiden. Wenn wir also annehmen, dass hohe Inflation politisch nicht gewollt ist, dann müssen wir von fallenden Immobilienpreisen ausgehen. Auch die Bankregulatoren in China rechnen übrigens teilweise mit einem starken Preisverfall im Immobilienmarkt. Die Stresstests, die letzten Monat begonnen haben, bauen auf einem Wertzerfall der Immobilienpreise in Grossstädten von 60 Prozent auf. Die Gefahr eines Platzens ist gross? Ja, sehr gross. http://www.nzz.ch/finanzen/nachrichten/...t_sehr_gross_1.8176351.html |