News - 03.06.07 17:55 Später Geldsegen für Jürgen Schrempp
Der ehemalige Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp kann durch die Rückabwicklung seines Lebenswerks zweistellige Millionenbeträge einstreichen: Durch den Kursanstieg der Aktie wegen des Chrysler-Verkaufs ist Schrempp jetzt in der Lage, millionenschwere Aktienoptionen zu realisieren.
STUTTGART. Allein in der vergangenen Woche wurden durch den Kursanstieg der Daimler-Chrysler-Aktie Optionen fällig, die Schrempp 5,9 Mill. Euro einbringen. Insgesamt beläuft sich der Wert seiner Aktienoptionen auf mehr als 50 Mill. Euro. Das ergaben Berechnungen des Handelsblatts auf Basis der Geschäftsberichte von Daimler-Chrysler.
Schrempp hatte die Daimler-Benz AG 1998 mit Chrysler in einem 30-Mrd.-Euro-Deal fusioniert. Sein Nachfolger Dieter Zetsche gab vor kurzem den Verkauf des US-Autobauers an den Finanzinvestor Cerberus für 5,5 Mrd. Euro bekannt. Der Daimler-Chrysler-Kurs hat seitdem rund 14 Prozent zugelegt. Der Stuttgarter Konzern zog mit der Trennung einen teuren Schlussstrich unter eine neun Jahre währende Konzernehe und zerschlug endgültig die von Schrempp postulierte Welt AG. Beim japanischen Autokonzern Mitsubishi war Daimler bereits 2004 ausgestiegen.
In dem Zeitraum, als Schrempp seine Träume von einem globalen Autogiganten umsetzte, brach der Gewinn ein, die Verbindlichkeiten stiegen drastisch an, und die Ratingagenturen stuften das Unternehmen mehrfach herunter. Der Aktienkurs fiel in dieser Zeit um bis zu 76 Prozent.
Genau dieser Einbruch ist die Basis für die Gewinne, die Schrempp jetzt einstreichen kann. Seit seinem Rücktritt im Juli 2005 sind rund 1,6 Millionen Aktienoptionen fällig geworden, die der Aufsichtsrat Schrempp von 2000 bis 2004 gewährt hat. Am Donnerstag übersprang der Daimler-Kurs die Marke von 66,96 Euro. Dies ist der Preis, zu dem Schrempp seine Aktienoptionen aus dem Jahr 2001 ausüben kann. Insgesamt stehen ihm seit 2000 Aktien im Wert von 44,3 Mill. Euro zu. Hinzu kommen weitere Aktienoptionen aus dem Jahr 2005 im Wert von sechs Mill. Euro. Diese können allerdings frühestens 2009 ausgezahlt werden.
Im Aufsichtsrat des Konzerns war im Jahr 2000 die Vergütung von Schrempp ein Streitthema. Die Arbeitnehmerseite sprach sich laut Betriebsratschef Erich Klemm fast geschlossen dagegen aus. Nur der Vertreter der leitenden Angestellten, der selbst von dem Programm profitierte, stimmte dafür.
Auch bei Wirtschaftsrechtlern stößt die Vergütungspraxis nach der Fusion von Daimler und Chrysler auf Kritik. "Das Programm war von Anfang an eine Fehlkonstruktion", sagt Michael Adams von der Universität Hamburg. Er bezeichnet die Aktienoptionen als erschreckend leistungsfeindlich, weil es den Führungskräften bei ausbleibendem Erfolg immer leichter gemacht wurde, hohe Boni einzustreichen.
Daimler-Chrysler hatte im Jahr 2000 ein Optionsprogramm für 6 000 Führungskräfte aufgelegt, das sich am Aktienkurs des Unternehmens orientierte. Konnte der Kurs um 20 Prozent gesteigert werden, wurden die Optionen fällig. Der Würzburger Wirtschaftsprofessor Ekkehard Wenger klagte gegen das Programm, scheiterte aber vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Der Bundesgerichtshof ließ eine Revision nicht zu, das Bundesverfassungsgericht nahm den Fall zur Entscheidung nicht an. "Die Gerichte tragen an diesem Desaster eine Mitschuld", sagt Wenger.
Tatsächlich trat genau das ein, was Wenger und Adams vorhergesagt hatten. Der Aktienkurs brach ein, und die Bonus-Hürde für die Manager wurde nach unten angepasst. Im Jahr 2000 lag der Ausübungspreis für die Optionen bei 74,76 Euro, 2001 bei 66,96 Euro und 2003 nur noch bei 34,40 Euro. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem der Gewinn um 91 Prozent fiel, gewährte der Aufsichtsrat Schrempp die meisten Optionen. Nach aktuellem Kurs stehen ihm allein für 2003 mehr als 19,4 Mill. Euro zu.
Die Aktienoptionen für den Daimler-Chrysler-Vorstand sind zum aktuellen Kurs 281 Mill. Euro wert. Die 6 000 Führungskräfte erhielten insgesamt Aktienoptionen im Wert von 2,1 Mrd. Euro. Sollte die Aktie den Wert von 100 Euro erreichen, den sie zu Beginn der Daimler-Chrysler-Fusion hatte, wären die Optionen aus den Jahren 2000 bis 2004 für den Vorstand 693 Mill. Euro wert. Allein Schrempps Anteil käme auf 108 Mill. Euro.
Der Corporate-Governance-Experte und DWS-Aufsichtsrat Christian Strenger sieht in diesen Zahlen eine übermäßig hohe Vergütung des Vorstands. "Der Aufsichtsrat hätte durchrechnen müssen, was dieses Optionsprogramm bei verschiedenen Kursszenarien eigentlich bedeutet", sagt Strenger.
Schrempp beantwortete Anfragen des Handelsblatts zu seinen Aktienoptionen nicht. Ein Daimler-Sprecher sagte, man habe das Programm inzwischen geändert; es entspreche jetzt dem Corporate-Governance-Kodex. Hilmar Kopper, der damalige Aufsichtsratsvorsitzende von Daimler-Chrysler, wollte keine Stellung beziehen.
Quelle: Handelsblatt.com
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