Solarbranche: Viel Schatten, wenig Licht von Lothar GriesEinst von der Sonne verwöhnt, wurden die Anleger von Solarwerten in diesem Jahr von einem gewaltigen Tsunami überrollt. Um bis zu 90 Prozent brachen die Kurse ein. Damit reagierten die Investoren auf die immer düstereren Aussichten der Branche in den kommenden Jahren. Dennoch bleibt ein Quantum Trost. “Wenn der Branchenprimus seine Prognosen derartig zurücknimmt, wie das Q-Cells kürzlich getan hat, wirft das ein schlechtes Bild auf den gesamten Sektor und jeder fragt sich am Ende nur, wer der nächste sein könnte”, erklärt Marco Günther, Analyst bei der Hamburger Sparkasse, das Kursdebakel der Solaraktien in den vergangenen Wochen. Die Verunsicherung ist um so größer, als Q-Cells Chef Anton Milner noch wenige Tage vor der Warnung genau das Gegenteil verkündet hatte und von anhaltend glänzenden Perspektiven der Solarindustrie schwärmte. Kein Wunder also, dass die Aktie von Q-Cells binnen einer Woche 40 Prozent ihres Wertes einbüßte. Damit wurden innerhalb von fünf Tagen 1,7 Milliarden Euro verbrannt.
Tatsächlich fallen die Preise der einstigen Börsenstars aus der Solarbranche derzeit noch schneller, als sie einst gestiegen sind. Solon, der erste Solarmodulbauer, der einräumen musste, dass die Finanzkrise auch die Nachfrage nach Photovoltaikprodukten drückt, verlor allein in diesem Jahr gut 80 Prozent seines Börsenwertes. Er sank von 900 Millionen Euro Ende 2007 auf nur noch 135 Millionen derzeit. Noch schlimmer erwischte es die Aktionäre des Solarparkentwicklers Conergy, dessen Kurs von 26 Euro Ende 2007 auf inzwischen einen Euro einbrach.
Die Analysten haben ihre Beurteilungen mehrheitlich bereits auf “Sell“ herabgestuft. Ein verheerendes Urteil, müssen die Hiobsbotschaften in der Regel doch erst knüppeldick ausfallen, bevor die meist optimistisch gestimmten Finanzexperten den Daumen über eine gesamte Branche senken. Die Gewinnwarnungen der vergangenen Wochen lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass der Branche 2009 ein rabenschwarzes Jahr bevorsteht. Die Analysten der Deutschen Bank führen gleich mehrere Gründe dafür an.
Sie sprechen von einem üblen Gemisch aus Finanzrestriktionen, höheren Kapitalkosten und dadurch zurückgestellten Investitionen. Tatsächlich scheinen die Zeiten vorbei, da die Banken zur Finanzierung von Solaranlagen nur zehn Prozent Eigenkapital verlangten. Heute werden mindestens 50 Prozent Eigenmittel verlangt. Zudem wurden die Kredite merklich teurer. Die höheren Kapitalkosten drücken die Renditen und stellen die Wirtschaftlichkeit vieler Projekte in Frage.
Verheerender Einbruch der Ölpreise Hinzu kommt die verheerende Wirkung der eingebrochenen Ölpreise. Dadurch wird die klassische Produktion von Strom wieder günstiger; umgekehrt nimmt die Bedeutung von Solarstrom - zumindest kurzfristig - ab. Viel wird deshalb davon abhängen, wie lange die Wirtschaftsflaute andauert. Auch ungünstige Regulierungsänderungen, wie etwa die Deckelung der Subventionen in Spanien, mindern die Aussichten zusätzlich. Ein Minus, das die Ausbauprojekte erneuerbarer Energien in Frankreich, Italien und Griechenland kaum ausgleichen dürften. Und in welchem Ausmaß der neue amerikanische Energieminister Steven Chu, ein Forscher für erneuerbare Energien, die Solarbranche beflügeln wird, bleibt abzuwarten.
Wachstumsraten halbiert Diese Gemengelage hat die Deutsche Bank nun zum Anlass genommen, ihre Wachstumsprognosen für 2009 zu halbieren. Statt sich über jährliche Wachstumsraten von gut 20 Prozent zu freuen, werde sich die Solarindustrie nunmehr mit Raten von zehn Prozent zufrieden geben müssen, im Windbereich mit 13 Prozent, prognostizieren die Experten des Frankfurter Geldhauses. Entsprechend müssen auch die Umsatz- und Gewinnprognosen der Unternehmen nach unten korrigiert werden. Ein Schrumpfungsprozess, den die Börse in den vergangenen Wochen bereits vorweggenommen hat.
Doch es könnte noch schlimmer kommen. Während die Nachfrage sinkt, wächst das Angebot zunächst ungebrochen weiter. So hat Q-Cells zwar seine neue Absatzprognose auf 800 Megawatt bis ein Gigawatt/Peak von zuvor 2,5 Gigawatt heruntergefahren. Doch das Angebot liegt trotzdem deutlich über dem derzeitigen Produktionsvolumen von 585 Megawatt. Kein Wunder also, dass der Druck auf die Margen und Preise immer größer wird. Der Bundesverband Solarwirtschaft geht inzwischen davon aus, dass die Modulpreise im kommenden Jahr um bis zu 15 Prozent sinken werden. Die Preise für 6-Zoll Silizium-Wafer sind auf dem Spot-Markt im November weiter gefallen. Nach Branchenangaben wurden zuletzt nur noch neun US-Dollar bezahlt, nachdem der Preis im Oktober noch bei 10,0 bis 10,5 Dollar lag - ein Rückgang von 10 bis 14,3 Prozent gegenüber dem Vormonat. Zudem haben sich viele Hersteller in der Vergangenheit durch langlaufende Verträge entsprechendes Silizium-Material zu Festpreisen gesichert. Damit müssen sie nun unter Umständen einen höheren Preis als am Spot-Markt bezahlen, können aber die höheren Preise aufgrund der schwächeren Nachfrage nicht an die Kunden weitergeben.
Dramatischer Preisverfall Zudem macht sich bei einigen Käufern die Erwartung breit, durch Abwarten noch größere Preisnachlässe zu ergattern. Einige Experten sagen deshalb bereits einen Preisrutsch bei Modulen von bis zu 25 Prozent voraus. Ein Unternehmen wie Conergy mit seiner ohnehin nur eingeschränkt funktionierenden Solarfabrik in Frankfurt/Oder wird davon besonders betroffen sein, befürchtet Karsten von Blumenthal von SES Research. Weitere Umsatz- und Gewinnwarnungen aus der gesamten Branche sind deshalb absehbar. Und die dürften dafür sorgen, dass auch die Aktienkurse weiter in den Keller gehen.
Es ist also keine Überraschung, dass auch die Solarenergie-Branche bei der Regierung um Hilfe bettelt. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat den Unternehmen nun zugesichert, die Obergrenze für staatlich geförderte Kredite von 10 auf 50 Millionen Euro anzuheben. Zudem wurde die Laufzeit für die Förderung von acht auf 15 Jahre verlängert. Branchenexperten machen sich deshalb Mut. Bei Wachstumsraten von bis zu zehn Prozent könne man nicht von einer Krise sprechen, meint Karl-Heinz Remmers von der Beratungsfirma Solarpraxis. “Wir kommen aus einem überkauften Markt in eine Phase, in der der Markt weiter wächst, aber eben nicht mehr so raketenartig wie zuvor“, sagt er.
Ein Quantum Trost Ein schwacher Trost bleibt deshalb die Hoffnung, dass der rasante Kursverfall der vergangenen Wochen der tatsächlichen Entwicklung der Solarbranche weit vorauseilt. Schließlich gilt es als unstrittig, dass den erneuerbaren Energien die Zukunft gehört und die Ölquellen irgendwann versiegt sein werden. Die Solarbranche erwartet, dass Solarstrom spätestens 2015 zu den gleichen Preisen produziert werden kann als der aus herkömmlichen Kraftwerken. Doch das ist alles noch weit weg.
Experten erwarten deshalb eine rasche Konsolidierung der Branche. Einige der Stars der vergangenen Jahre werden wieder von der Börse verschwinden. Dann wird sich zeigen, wer die wahren Superstars sind. |