Hier einige Auszüge:
Fliehende Zivilisten mit Mörsergranaten beschossen Und genau das passiert offenbar längst: Laut Nato gibt es etwa glaubhafte Berichte, nach denen Russland die Zivilbevölkerung angreift. "Es gibt sehr glaubwürdige Berichte, dass Zivilisten bei der Evakuierung unter Beschuss geraten", sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg. Beispielsweise soll Russland bereits mehrfach eine vereinbarte Feuerpause gebrochen haben, die eingerichtet wurde, damit Menschen etwa aus der eingeschlossenen südukrainischen Stadt Mariupol fliehen können.
Einen anderen Fall dürfte es am Sonntag in Irpin gegeben haben, den mehrere Journalisten beobachten konnten, so auch eine Korrespondentin der "New York Times". Mehrere Hundert Menschen hatten sich laut ihrem Bericht vor einer Behelfsbrücke versammelt, um aus der Stadt nahe Kiew zu fliehen. Einige ukrainische Soldaten halfen demnach den Flüchtenden. Plötzlich sei die Menge von russischer Seite mit Mörsergranaten beschossen worden. Laut dem Bürgermeister der Stadt kamen acht Menschen ums Leben. International ist die Waffe geächtet, mehr als 100 Länder einigten sich auf einen völkerrechtlichen Vertrag, der ihren Einsatz verbietet. Sowohl Russland als auch die Ukraine haben ihn allerdings nicht unterschrieben. Der Kreml streitet zwar ab, dass die russischen Truppen diese Waffen benutzen. Doch die Berichte legen nahe, dass das eine Lüge ist.
Die BBC etwa legte Experten Videos möglicher Streubombeneinsätze vor. Ergebnis: Die Experten halten den Einsatz von Streumunition für sehr wahrscheinlich. Bellingcat untersuchte einen Fall, in dem Bomblets einen Kindergarten getroffen haben könnten. Drohnenbilder von kurz nach der Attacke zeigten, wie tote oder schwerverletzte Menschen vor dem Gebäude lagen. Und die Rechercheure des russischen Conflict Intelligence Team veröffentlichten am Montag eine Reihe von Funden der Streubomben in Wohngebieten und anderen zivilen Bereichen – teilweise weit weg von militärischen Zielen. Die Berichte über Streubomben berühren auch einen anderen Bereich der Kriegsverbrechen, den Angriff auf zivile Infrastruktur. Einige Städte werden seit Tagen heftig bombardiert, wobei auch Wohnhäuser getroffen worden sind. Der Bürgermeister von Charkiw, einer hart umkämpften Stadt in der Ostukraine, warf den russischen Truppen vor, die zivile Infrastruktur gezielt anzugreifen.
"Kindergärten, Schulen, Entbindungsstationen, Kliniken werden beschossen", sagte Ihor Terechow dem US-Fernsehsender CNN. "Wenn es um Hunderte zivile Gebäude geht, dann ist das kein Versehen. Das ist ein gezielter Angriff." Auch andere Amtsträger in der Ukraine sowie die Regierung gehen davon aus, dass Kriegsverbrechen zu der Strategie Russlands gehören. In der vergangenen Woche gab es zudem Berichte, dass russische Truppen das Atomkraftwerk in Saporischschja unter Beschuss genommen haben. Auch das könnte ein Kriegsverbrechen sein, wie der Völkerrechtler Claus Kreß im Deutschlandfunk sagte: "Ein gezielter Angriff auf ein zivil genutztes Kernkraftwerk, das wäre ein Kriegsverbrechen und fiele unter die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs." Gegen Russland wird allerdings nicht nur wegen Kriegsverbrechen ermittelt, sondern auch wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, zudem steht der Vorwurf des Völkermordes im Raum. Auch der russische Präsident Wladimir Putin könnte in den Fokus der Ermittler geraten.
Die Ukraine hat vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen (UN) deswegen Klage gegen Russland eingereicht. Russland plane "Taten von Genozid in der Ukraine" und verletze und töte "absichtlich Menschen der ukrainischen Nationalität", lautet der Vorwurf. Die Ukraine rief die Richter auch dazu auf, zu klären, dass es "keinerlei rechtliche Grundlage" für die Invasion und den Krieg gebe. Zudem ermittelt der Internationale Strafgerichtshof, der auch im niederländischen Den Haag sitzt, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Besondere: Das Weltstrafgericht verfolgt keine Staaten wie das UN-Gericht, sondern militärisch und politisch Verantwortliche. Eine spätere Anklage könnte sich also auch gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin richten. Theoretisch möglich ist es allerdings, dass Putin angeklagt und verurteilt wird – obwohl Präsidenten im Amt normalerweise Immunität vor ausländischen Strafgerichten genießen, so auch in Deutschland. Der Internationale Strafgerichtshof hatte allerdings 2019 im Fall des früheren sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir entschieden, dass eine solche Immunität an diesem Gericht nicht gilt. Baschir werden Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen – drei Vorwürfe, denen sich auch Russland stellen muss.
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