war ein Lüstling und kommt als solcher Im Spiegel der Möglichkeiten nicht vor. Blickt man aber hinter die grobe Fassade des provozierenden Begriffs und erkennt, dass es ihm um die Bejahung der Natur und des Lebens und insbesondere die Lust (allgemein Link , zu Epikur Link und tausend Links, die ich lieber nicht angebe) am Denken ging, so wandelt sich die Einstellung. Schaut man noch genauer hinter den verbergenden Mantel der Vorurteile, so kann man sogar das Fundament einer Ethik erkennen, das wieder von aktuellem Interesse ist. Daher darf man diesen Philosophen nicht übergehen. Geboren wurde er, der als Gegenspieler der Stoa gilt, 342 v.Chr. auf Samos (zu dieser schönen Insel siehe Link , Link und das Buch von Thomas Schröder). Er starb 271 in Athen. – Das sollte ihm nichts ausgemacht haben, denn er lehrte, der Tod sei für uns ein Nichts: »Beruht doch alles Gute und alles Üble nur auf Empfindung, der Tod aber ist Aufhebung der Empfindung. Darum macht die Erkenntnis, daß der Tod ein Nichts ist, uns das vergängliche Leben erst köstlich. Dieses Wissen hebt natürlich die zeitliche Grenze unseres Daseins nicht auf, aber es nimmt uns das Verlangen, unsterblich zu sein, denn wer eingesehen hat, dass am Nichtleben gar nichts Schreckliches ist, den kann auch am Leben nichts schrecken. ... So ist also der Tod, das schrecklichste der Übel, für uns ein Nichts: Solange wir da sind, ist er nicht da, und wenn er da ist, sind wir nicht mehr. Folglich betrifft er weder die Lebenden noch die Gestorbenen, denn wo jene sind, ist er nicht, und diese sind ja überhaupt nicht mehr da.« (aus Link ) Um diese Aussage und die rückkoppelnde Konsequenz, sich nicht am imaginären Jenseits auszurichten, richtig zu verstehen, müssen wir zu den 71 Jahren des Epikur zwischen den genannten Daten zurück: Er lebte in einer Zeit, in der man philosophisch durch die Sophisten, Sokrates und Platon längst das Augenmerk auf die »Menschenphilosophie« (Ethik, Staatslehre, Erkenntnisfähigkeit ...) gelegt hatte und der Epoche der Naturphilosophen oder Vorsokratiker angehörte. Geprägt vom Niedergang der griechischen Vorherrschaft und Hochkultur, gab es wieder einmal mehr Fragen nach dem Sinn als allgemein akzeptierte Antworten, die man zuvor in Religion, Politik, dem geordneten Kosmos und den schönen Künsten gefunden hatte. Vor allem gab es Ratlosigkeit, weil verstärkt und in dieser Form erstmals Fragen nach dem individuellen Lebenssinn gestellt wurden – Fragen, die ganz ähnlich wieder mit der Renaissance aufbrachen, nachdem im Mittelalter die Sinnfrage religiös beantwortet und das »sich selbst entfaltende« Individuum im heutigen Sinn nahezu unbekannt gewesen war. Die Stoiker fanden ihre Lösung in der Gegenüberstellung zur Natur, in Vernunft und Pflicht, in der Rolle des Menschen als Teil des Göttlichen, in der Zügelung der Leidenschaft und im Verfolgen gesellschaftlicher Ideale. Sie beeinflussten die weitere Geschichte des christlichen Abendlands stark. Epikur aber predigte, man solle sich in der Natur erkennen, mit Freude an ihrem Angebot teilhaben und sich damit zufrieden geben. Jenseitsorientierung, Selbstvergöttlichung als Vernunftwesen, Selbstaufgabe für ein imaginäres Staatswesen, das alles sei unnatürlich, ihretwegen dürfe man die Wirklichkeit nicht leugnen. Philosophie soll nicht nach dem Unerreichbaren streben, sondern nach der Erkenntnis natürlicher Dinge. Man müsse sich von der Angst vor strafenden Göttern, die Menschenwerk seien, befreien und könne das mit einer tiefen Bejahung der Wirklichkeit auch angesichts von Leid und Vergänglichkeit. Bedingung sei die Überwindung der Furcht, speziell der größten, der vor dem Tod und der nachfolgenden Beurteilung durch die Götter. Dieser bedürfe es nicht, da die Seele sterblich sei. Dieses Anliegen versucht Epikur naturwissenschaftlich zu begründen und leitet daraus keineswegs ein zügelloses egoistisches Leben ab, sondern eine aktuell erneut diskutierbare Moral, für eine Zeit, in der wieder einmal Glaube, Tradition und staatliche Gemeinschaft und eine logische Begründung für Ethik und kantische Pflicht kaum mehr tragen, geschweige denn verstanden werden. Mit der naturwissenschaftlichen Begründung berief sich Epikur auf die Atomisten und damit den Materialismus ( Link , Link und Link ). Die haben hier mit ihren Hauptvertretern ihre eigenen Stichwörter, so dass eine Kurzdarstellung reichen kann: Die einzig absolute (»wahre«) Größe sind unzählige unsichtbare Urteilchen, die sich nach eigenem Gesetz (das uns zufällig erscheinen mag) unendlich oft binden und lösen und damit die den Sinnen zugängliche Welt schaffen. Es ist nicht nur die eine, von uns sinnlich fassbare Welt, sondern es sind deren viele zugleich und vor und nach, und scheinbar ist stetes Werden und Vergehen. Doch dies sind nur Erscheinungen der atomaren Substanz, der Materie. Es gibt nichts außer diese winzigen Partikel im sonst absolut leeren Raum, auch keine weiteren Kräfte. Gibt es aber keine Einwirkkräfte, so erst recht keine steuernden, strafenden, belohnenden Götter. Und da auch die Seele materiell ist (sie besteht aus sehr feinen Atomen) und unser Fühlen und Denken nur Atombewegung (materiell wird die Welt durch unser Fühlen), löst auch die Welt sich mit dem Tod auf, mit der Trennung des Atomverbunds. Nun zieht aber Epikur aus dieser materialistischen und endlichen Position nicht den Schluss der Sinnlosigkeit des Lebens, vielmehr die schon beschriebene Einstellung, sich in diese Natürlichkeit zu fügen und auf die eigene Endlichkeit zu konzentrieren. Kann man die Natur sich selbst überlassen und ist nach dem Tod kein fühlendes, denkendes, persönliches Ding mehr, so muss man genau das aber – und zwar bejahend – während der Lebensspanne sein, darin sein Glück finden: im Fühlen und im Denken, in den »Entzückungen« des Geistes oder der Seele – und dies nicht im Trubel der Welt, weswegen man »im Verborgenen leben« sollte, auch nicht im Streben nach außerirdischem Lohn und ebenfalls nicht im animalischen Vergnügen. Die Seele findet ihr Glück in der Musik, in der Hingabe an die Kunst, im Wandeln durch den Garten, im freundschaftlichen Gespräch und vor allem im Philosophieren, der höchsten Seelenentzückung. Epikur war also ein Seelenlüstling, der gewiss nicht zu Orgien und ausschweifendem Leben aufforderte. Interpreten seiner Lehre mögen es (vielleicht zur Rechtfertigung eigenen Tuns) anders ausgelegt oder wegen der Zurückgezogenheit der Epikuräer in die »Lust-«Gärten interpretiert haben, doch Epikur ging es – nicht anders als der Stoa – darum, die niederen Leidenschaften und Begierden zum Schweigen zu bringen, um der höheren willen. Das zu erreichen, setzte er die Freiheit von Schmerz und Furcht voraus und musste jedem Menschen die Möglichkeiten lassen oder gar gebieten, in diesem Sinn zu leben. Somit sind bei ihm durchaus Grundzüge des relativ modernen Utilitarismus ebenso zu finden wie Anregungen für ein sich selbst Sinn gebendes Leben in heutiger Zeit, die erstmals im doppelten und eben auch negativen Wortsinn materialistisch ist. In diesem Sinn kommt der Lüstling Epikur in den Abenteuern doch reichlich vor, denn es sind ja nicht zuletzt Denkabenteuer. Doch da er nicht in der Öffentlichkeit stehen wollte, bleibt er namentlich unerwähnt. Im Netz steht Epikur nicht ganz selten, und ich verweise zunächst auf die Seiten dreier (»seiner«) Schülerinnen: auf das Referat von Johanna Specht unter Link , die Darstellungen von Lisa Kühnemund und Ulrike Grote unter Link sowie von Eva Steinberger unter Link . Eine kurze Übersicht gibt's unter Link sowie von Andreas Ruetten unter Link . Sehr ausführlich und gut ist die leider nicht autorisierte Page Link , und eine richtige Abhandlung von Iris Meier gibt es unter Link . Einen Teil seiner Werke (Sprüche, Katechismus ...) kann man lesen mit dem Klick auf Link . Will man sich über seine Schüler informieren, so greife man elektronisch zum Philosophenlexikon ( Link ). Selbstverständlich kann man aber auch zum Buch von Malte Hossenfelder greifen oder sich ganz der optischen Sinneslust hingeben und Büsten betrachten: Link . | | |