NEUWAHLEN IN HESSEN
Koch triumphiert, Ypsilanti zaudert
Von Christian Teevs, Frankfurt am Main
Die Entscheidung ist gefallen: Hessen wählt im Januar einen neuen Landtag. Nach FDP, Grünen und Linken plädierten nun auch CDU und als letzte Partei die SPD dafür. Roland Koch tritt selbstbewusst an, Andrea Ypsilanti will sich erst am Samstag zu einer Kandidatur äußern.
Frankfurt am Main – Auf dem Podium im Frankfurter Marriot-Hotel sitzt Prominenz aus Berlin - Franz-Josef Jung, Verteidigungsminister und höchster Repräsentant der Hessen-CDU in der Bundesregierung. Doch zu Wort kommt er an diesem Tag nicht.
Dies ist allein die Stunde von Roland Koch – und er genießt es sichtlich. Der Ministerpräsident, dessen Karriere bereits beendet schien, ist wieder da. Er verkündet die Entscheidung für Neuwahlen, gibt mit dem Wunsch-Wahltermin vom 18. Januar den Zeitplan vor und zeigt sich stärker als je zuvor – den irrlichternden Sozialdemokraten bleibt nur, ihm müde und mit gesenkten Häuptern zu folgen.
Bei der Pressekonferenz am späten Nachmittag gibt sich Koch auffällig staatstragend. Nichts zu sehen von Kampfesgestik, nichts zu hören vom aggressiven Tonfall des geborenen Wahlkämpfers. Der CDU-Mann spricht ruhig und bedächtig, die Berichterstatter staunen über ungewöhnlich viele Schachtelsätze und Differenzierungen.
Klar ist: Trotz des unverhofften Triumphes kennt Koch seine Situation genau. Das zeigen seine Worte. Er wisse "sehr wohl", sagt er, "welche Botschaft die CDU von den Wählern bekommen habe". Und: Es sei an der Zeit, "die hessischen Verhältnisse zu verändern", die im ganzen Land für Kopfschütteln gesorgt haben.
Das heißt aber auch: Die Christdemokraten können in Zukunft keinen Wahlkampf mehr machen, der Ängste schürt und ausländerfeindliche Ressentiments bedient. Er wolle eine schwarz-gelbe Mehrheit, betont Koch. Dennoch versagt er sich allzu schadenfrohe Töne Richtung SPD und Grünen. Für ihn gelte, dass alle demokratischen Parteien miteinander "gesprächsfähig" sein müssten, sagt er. Die Linkspartei nimmt er dabei allerdings ausdrücklich aus.
Kontakte zu den Grünen seit dem Sommer
Obwohl angesichts der aktuellen Stimmung tatsächlich eine Regierung von CDU und FDP wahrscheinlich ist, darf Koch die Grünen nicht wieder so verprellen. Deren Parteichef Tarek Al-Wazir hatte im SPIEGEL-ONLINE-Interview gefordert, die Union müsse künftig ihre "Haudrauf-Rhetorik" unterlassen.
Im Januar hatte ein Koch-Wahlplakat mit der Aufschrift "Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen" das politische Klima vergiftet. Nicht zuletzt deshalb war es für Al-Wazir unmöglich, eine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP einzugehen.
Denn ein ernsthaftes Angebot von Koch an Al-Wazir gab es tatsächlich: Im Sommer trafen sich die beiden zu einem sechsstündigen Gespräch in Berlin, erfuhr SPIEGEL ONLINE von einem Abgeordneten, der seinen Namen aber nicht veröffentlicht sehen möchte. Bei diesem Treffen soll der Regierungschef das Angebot gemacht haben, im Falle einer Jamaika-Koalition sein Amt aufzugeben – sprich den "Koch muss weg"-Wunsch der Grünen zu erfüllen.
Doch Al-Wazir lehnte ab. Er hoffte ernsthaft darauf, das Linksbündnis mit Andrea Ypsilanti etablieren zu können. Deshalb ist die Situation der Grünen nun ebenfalls nicht ganz einfach. Zwar distanzierte sich Al-Wazir gerade noch rechtzeitig vom sinkenden Schiff SPD – doch ob es im Januar noch für eine Regierungsbeteiligung, ist ungewiss.
Koch sagte am Donnerstag, die Grünen hätten der SPD im Koalitionsvertrag "beachtliche Konzessionen abgerungen". Politisch und menschlich steht er der FDP und seinem langjährigem Freund, dem Liberalen Jörg-Uwe Hahn zweifellos näher.
Andererseits könnte Koch sein nun ohnehin gewachsenes bundespolitisches Gewicht mit einem schwarz-grünen Projekt noch steigern. Nach Hamburg wäre Hessen dann Vorreiter für eine mögliche öko-konservative Kooperation auf Bundesebene. Angela Merkel käme dann nur schwerlich dran vorbei, ihren totgesagten Stellvertreter noch stärker in die Führung der Union einzubauen.
Ypsilanti "nach wie vor die Nummer eins"
Auch der SPD-Landesvorstand traf sich am Donnerstagabend zu Gesprächen. Im Frankfurter Parteihaus versammelte Ypsilanti ihre Stellvertreter und Beisitzer, um das künftige Vorgehen abzustimmen. Ihr parlamentarischer Geschäftsführer, Reinhard Kahl, hatte zuvor gesagt, Ypsilanti sei "nach wie vor uneingeschränkt die Nummer eins".
Nach der Sitzung teilte Ypsilanti lediglich mit, jetzt befürworte auch die SPD Neuwahlen - die Partei hinkt damit peinlich hinter den anderen her. Zur SPD-Spitzenkandidatur äußerte sich die Landesvorsitzende jedoch nicht. Sie sei von der Partei aufgefordert worden, zur Verfügung zustehen, und werde dem Parteirat am kommenden Samstag einen Vorschlag unterbreiten. Das war es dann auch schon.
Vor dem Eingang des SPD-Gebäudes stand am Abend ein dunkler Kombi, im Seitenfenster prangt der Spruch: "Hessen bekommt eine neue Ministerpräsidentin. Sag's ruhig weiter!"
Dieser Traum dürfte seit Montag endgültig ausgeträumt sein.
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