Karrieretipps für kleine Könige
Armin Käfer, vom 06.01.2012 17:30 Uhr
Berlin - Die erste Amtshandlung des Bundespräsidenten im neuen Jahr ist eine Verabschiedung. Nicht dass er selbst den Hut nehmen würde. Daran hat Christian Wulff ungeachtet aller Bedrängnis, der er sich seit nunmehr vier Wochen ausgesetzt sieht, angeblich keinen Gedanken verschwendet. So versicherte er zumindest in dem Fernsehinterview am Mittwochabend, das von ihm selbst als Begnadigungsakt in eigener Sache inszeniert wurde. Manches, was Wulff vor laufender Kamera in die Mikrofone sprach, hält einer kritischen Prüfung nicht stand. Das Dementi akuter Rücktrittsgedanken darf man hingegen für bare Münze nehmen. Verabschiedet wird am Dreikönigstag stattdessen der Botschafter von Sambia. Als der Diplomat Schloss Bellevue verlässt, versammelt sich dort eine Heerschar gekrönter Häupter, um dem Hausherrn ihre Aufwartung zu machen. Sie schreiten durch den Ehrenhof daher, von dem bisher nicht bekannt ist, dass er umbenannt worden wäre, weil Zweifel an der Ehre des Mannes nicht auszuräumen sind, der hier residiert. Er selbst hat sich offenkundig längst vergeben. Christian Wulff ist schon wieder zu Scherzen aufgelegt. Er nutzt den traditionellen Empfang der Sternsinger, um zu demonstrieren, wie entspannt er der Kritik an seiner Person, seinem Amtsgebaren, seinem Umgang mit der Kreditaffäre zu trotzen vermag, wie wenig ihn die nicht verstummenden Vorwürfe anfechten. Fernsehauftritt hat bezweckte Wirkung erreicht "Lieber Herr Bundespräsident, wir bringen Ihnen den Segen für das neue Jahr", sagt die elfjährige Anna Schulte stellvertretend für ihre 54 Sternsingerkollegen aus dem Bistum Essen. Einer der kleinen Könige steigt auf eine Trittleiter und schreibt mit Kreide die Heil versprechende Chiffre ans Schlossportal: "20 *C+M+B*12" - Christus möge dieses Haus segnen. Für Christian Wulff ist dieser Akt vor Dutzenden von Fotografen und Kameraleuten wahrhaftig ein Segen. Bessere Bilder kann er sich in diesen Tagen gar nicht wünschen. Der Segen möge "noch das ganze Jahr hier walten", wird er später sagen - noch eine Botschaft, die ausdrücken soll, dass er keinesfalls glaube, demnächst in Ungnade zu fallen. Die Frühstückslektüre dürfte ihn in diesem Glauben bestärkt haben. Aktuelle Umfragen bestätigen ihm, dass sein Fernsehauftritt die bezweckte Wirkung erreicht hat. Fast zwei Drittel der Bundesbürger wollen, dass er im Amt bleibt. Sie sind der Ansicht, er habe eine zweite Chance verdient. Dass ähnlich viele ihn nicht mehr für glaubwürdig oder ehrlich halten, scheint Wulff in seiner Entschlossenheit, auf dem ranghöchsten Posten der Republik zu beharren, jedenfalls nicht zu beirren. Wertschätzung der Kanzlerin Das gilt auch für anhaltend kritische Nachfragen selbst aus den Reihen der FDP, die ihm immerhin mit in dieses Amt verholfen hat. Wichtiger sind andere Signale. Etwa die Auskunft des Regierungssprechers Steffen Seibert, wonach Wulff weiterhin das "vollste Vertrauen" der Kanzlerin genieße. Angela Merkel lässt noch einmal ihre "große Wertschätzung" für den Präsidenten verkünden. Unterdessen verkünden die Sternsinger in Schloss Bellevue ihre frohen Botschaften. Und ihr Gastgeber hat für sie neben einem Kuvert mit Geldscheinen für die Sammelbüchse auch ein paar Lebensweisheiten parat. An fremde Türen zu klopfen und um Spenden zu bitten erfordere Mut, so Wulff. Das wisse er seit seiner eigenen Sternsingerzeit. Jener Mut helfe ihm noch heute. "Wenn ihr nicht König bleiben, sondern Präsident werden wollt, müsst ihr das Jahr so beginnen", sagt Wulff den kostümierten Kindern mit ihren Goldfolienkronen und deutet auf die Kameras. Er kündigt an, dass er ihnen später das ganze Schloss zeigen wolle, auch sein Arbeitszimmer. Wenn sie im nächsten Jahr wiederkämen, dann müssten sie ihm unbedingt erzählen, wie erfolgreich sie mit ihrer "Solidaritätsaktion" gewesen seien. Ja, als solche empfindet er dieses Termin ganz offenkundig. In den Worten schwingt auch ein bisschen Hohn über die vielen Journalisten mit, die extra gekommen sind. Denen ruft er zum Abschied zu: "Die letzten Wochen waren so, dass man sich das in meinem Leben nicht noch mal zumuten muss." |