Australische Unternehmen setzen ihre Bemühungen fort, die globale Lieferkette für Seltene Erden zu erweitern und Chinas Dominanz bei der Produktion und dem Vertrieb dieser kritischen Materialien zu verringern.
Eines der jüngsten australischen Bergbauunternehmen, das Lynas als bedeutender Lieferant von Praseodym und Neodym am nächsten kommt, ist Arafura Resources im Rahmen seines Nolans-Projekts im Northern Territory, das über eine Erzreserve von 29,5 Mio. t verfügt, die 2,9% des gesamten Seltenerdoxids umfasst und 26% umfasst Praseodym-Neodym (NdPr).
Das Projekt, das zur Bereitstellung von 5 bis 10 Prozent der weltweiten NdPr-Oxidversorgung eingerichtet wird, hat seit bis zu 25 Jahren Bergbau- und Umweltgenehmigungen erhalten und deckt den größten Teil seiner ursprünglich erwarteten Minenlebensdauer von 33 Jahren ab. Obwohl Arafura eine endgültige Machbarkeitsstudie abgeschlossen hat und Nolans als "schaufelbereit" bezeichnet, befindet es sich noch in Verhandlungen mit potenziellen Abnahme- und Finanzpartnern, um das 1 Mrd. A $ -Projekt durch Bau und Inbetriebnahme in die kommerzielle Produktion zu bringen.
Seltene Erden: Australien rüttelt an Chinas Dominanz Gavin Lockyer, CEO des australischen Bergbauunternehmens Arafura, im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Und mit der steigenden Nachfrage steige auch die Abhängigkeit von China – das den Markt mittlerweile fast monopolartig beherrscht. Lockyer ist auf Werbetour in Deutschland. Der Arafura-Chef plant eine riesige Mine im Norden Australiens. Die könnte schon bald zwischen fünf bis zehn Prozent der weltweiten Nachfrage nach dem begehrten Neodym decken. Neodym ist eines der wichtigsten Elemente der Gruppe der Seltenen Erden.
Lockyer warnt, dass die chinesische Dominanz bei seltenen Erden Europa in eine gefährliche Abhängigkeit bringt. Durch Covid-19 hat es eine massive Disruption der Lieferkette gegeben und die Probleme verstärkt, die ohnehin schon da waren“, sagt der Arafura-Chef.
Zahlreiche Gespräche hat er in den vergangenen Wochen in Deutschland geführt, unter anderem mit dem Verband der Automobilindustrie (VDA), wie der VDA gegenüber dem Handelsblatt bestätigte. Je mehr E-Autos die Autokonzerne verkaufen, desto wichtiger werden die Rohstoffe. Sie sind das Rückgrat des E-Motors“, sagt Lockyer. Mit dem Nolans Project will Arafura jetzt die Flucht nach vorn antreten.
Sein Argument: Neodym (chemisch Nd) wird für die Autoindustrie wichtiger sein als Lithium, das zentrale Element für die Herstellung von Batteriezellen. Erst 1982 entdeckt, gilt Neodym als Bestandteil des Neodym-Eisen-Bor (NdFeB)-Gemischs, aus dem die neuen Supermagnete hergestellt werden. Gegenüber herkömmlichen Magneten sind die NdFeBMagnete bei gleicher Leistung kleiner und behalten ihre Kraft auch bei hohen Temperaturen, ideale Voraussetzungen für den Einsatz in Elektromotoren. Deshalb ist der größte Wachstumsbereich für die kleinen Magnete auch die Elektromobilität.
Fast 95 Prozent der Supermagnete stammen mittlerweile aus China. Dabei sind die Seltenen-Erden-Metalle entgegen ihrer Bezeichnung gar nicht selten. Sie kommen überall auf der Welt vor, allerdings in kleinen Mengen. Größere und damit wirtschaftlich rentable Lagerstätten sind spärlich gesät – und China hat gleich mehrere. Zudem haben chinesische Firmen sich in den vergangenen Jahren auch in Bergbauprojekte anderer Länder eingekauft.
Aber nicht nur die Minen sind in chinesischer Hand, auch die Verarbeitung und die Produktion der Magnete finden aktuell fast ausschließlich in China statt. Der Staat sei wie ein „Opec on Steroids“, beschrieb ein australischer Ökonom die asiatische Volkswirtschaft in Sachen Seltene Erden einst.
Dass Peking nicht davor zurückschreckt, diese Monopolstellung auch gegen seine politischen Gegner einzusetzen, ließ sich erst vor wenigen Wochen beobachten. Ende Juli meldeten die chinesischen Staatsmedien, die Regierung stehe kurz davor, den US-Militär-Dienstleister Lockheed Martin unter anderem von der Versorgung mit Seltenen Erden abzuschneiden, weil Lockheed Taiwan mit Militärtechnik beliefert. Staatschef Xi Jinping posierte daraufhin öffentlichkeitswirksam vor einer der größten Minen des Landes. Am Ende blieb es zwar bei Drohgebärden, aber auch in der Militärtechnik sind die Elemente der Seltenen Erden oft unverzichtbar.
Auch Australien liegt aufgrund seiner Nähe zu US-Präsident Donald Trump derzeit im Fokus der chinesischen Regierung. Peking, als wichtigster Einzelabnehmer australischer Produkte und Dienstleistungen, hat Australien mit massiven Strafzöllen belegt. Dass die Australier jetzt auch noch mit ihren Rohstoffen in die Offensive gehen, dürfte in Peking wenig Begeisterung auslösen.
„Es gibt schon lange Bedenken vor zu viel Abhängigkeit von China und dem Einfluss, den das Land auf große Wirtschaftsnationen wie Europa, Japan oder die USA damit hat. Jetzt sehen wir aber das erste Mal auch wirklich Bewegung im Markt“, sagt David Merriman, Rohstoffexperte des britischen Marktforschungsunternehmen Roskill. Dass man jetzt nicht nur darüber redet, sondern auch handelt, führt Merriman auf den Nachfrageboom gerade bei Elementen wie Neodym, Praseodym und Dysprosium zurück, von denen in Zukunft immer mehr gebraucht werden.
E-Mobilität treibt Wachstum
Allein die schnell wachsende Zahl an Elektroautos treibt den Bedarf laut Experten bis 2030 um 24 Prozent nach oben. Viele Autokonzerne konzentrieren sich derzeit noch auf Batterierohstoffe. Dabei sollten Seltene Erden dasselbe Level an Aufmerksamkeit bekommen, denn die Magnete sind genauso wichtig für das Elektroauto wie die Batterie“, sagt Merriman. Aber wo Autokonzerne wie Volkswagen und Daimler sich inzwischen über langfristige Lieferverträge mit den Minenkonzernen den Zugriff auf Batteriemetalle wie Lithium und Kobalt sichern, werden die kleinen Magnete meist erst als fertiges Produkt am Ende der Lieferkette eingekauft.
Dass mit dem australischen Unternehmen Arafura ein weiterer neuer Anbieter bei Seltenen Erden antreten will, wird von der deutschen Automobilindustrie trotzdem grundsätzlich befürwortet. An den vergangenen Tagen habe es Gespräche mit dem Bergbaukonzern aus Australien gegeben, bestätigt ein Industrievertreter.
Die Rohstoffsicherung für neue Elektroautos ist eine zentrale Aufgabe für den Verband der Automobilindustrie (VDA) in Berlin. Da die Verfügbarkeit von Rohstoffen entscheidend für den Hochlauf der Elektromobilität sei, führe der Verband in regelmäßigen Abständen ein entsprechendes Rohstoffmonitoring durch, sagte ein VDA-Sprecher. Dazu gehörten auch die Seltenen Erden, die für die Magnete im Elektromotor benötigt werden.
Mit dem E-Auto-Boom kalkuliert der VDA auch mit einer zunehmenden Zahl von Rohstoffanbietern – Arafura aus Australien ist ein aktuelles Beispiel dafür. Da weitere Marktteilnehmer mehr Wettbewerb in diesem für die Branche wichtigen Rohstoffmarkt bedeuten, begrüßt der VDA diese Entwicklung“, sagte ein Sprecher des Industrieverbands.
Über den VDA sind auch die großen deutschen Autokonzerne mittelbar an Gesprächen mit Anbietern wie Arafura beteiligt. Das wurde beispielsweise in Konzernkreisen von Volkswagen in Wolfsburg bestätigt. VW will in den nächsten fünf Jahren zum weltgrößten Hersteller von Elektroautos aufsteigen. Vor allem in Europa und in China treibt Volkswagen den Einstieg in die Elektromobilität voran.
Neue Anbieter wie Arafura sorgen dafür, dass die Autohersteller ihren künftigen Rohstoffbedarf decken können. Es gibt allerdings auch noch einen anderen Weg – wie den von BMW beispielsweise.
Der Münchener Autokonzern verzichtet bei seinem neuen Elektro-SUV iX3 durch einen sogenannten Asynchronmotor komplett auf Seltene Erden. Genauso wie der Mercedes EQC oder der Audi E-Tron Quattro. Für den BMW-Konzern ist der iX3 allerdings nur der Einstieg in eine neue Rohstoffwelt: Später soll auch in allen anderen Elektromodellen aus München komplett auf den Einsatz Seltener Erden verzichtet werden. BMW hält dieses Ziel im nächsten Jahr für erreichbar.
Andere Autohersteller wie beispielsweise der US-Konzern Tesla fangen gerade erst an, Seltene Erden in ihren Motoren zu verbauen. Der Vorteil: Sie sind effizienter. Und auch die Windindustrie ist von einem Motor ohne Seltene Erden weit entfernt.
Werden nicht schnell mehr Alternativen zu chinesischen Produzenten geschaffen, tut sich damit noch ein ganz anderes Problem auf , die Versorgung mit Seltenen Erden könnte knapp werden. China ist nicht nur der größte Produzent der Rohstoffe, sondern auch sein größter Abnehmer. Aber es gibt genug Reserven und Ressourcen außerhalb Chinas. Es ist eben eine Frage der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und des Geldes“, sagt Maren Liedtke, Expertin der Deutschen Rohstoffagentur (BGR). USA und Japan sind deutlich aktiver als Deutschland
Seit dem Preisboom 2010/2011 seien die Preise für Seltene Erden wieder deutlich gefallen, das hat aber auch dazu geführt, dass zahlreiche Projekte außerhalb Chinas nicht weiterverfolgt werden, weil sie nicht mehr wirtschaftlich waren“, erklärt Liedtke.
Damals hatte China im Inselstreit mit Japan den Export seiner Seltenen Erden massiv eingeschränkt, indem es Quoten einführte und so für eine rasant steigende Nachfrage und explodierende Preise sorgte. Die Europäische Union, die USA und Japan verklagten die Volksrepublik daraufhin über die Welthandelsorganisation, und China musste seine Exportquoten abschaffen. Um einen besseren Überblick über die kritischen Rohstoffe zu haben, gründete die damalige Bundesregierung kurz darauf die Deutsche Rohstoffagentur. Die USA und Japan haben seitdem allerdings deutlich mehr getan, um ihre Abhängigkeit von China zu verringern.
So hat sich Japan unter anderem an Lynas, dem größtem Bergbauunternehmen außerhalb Chinas, beteiligt. Und auch die USA holten den australischen Konzern ins Boot und beauftragten Lynas erst Ende Juli mit dem Wiederaufbau einer alter US-Mine für Seltene Erden in Texas.
„Es gibt im Moment einige Projekte in Australien, aber auch in Afrika, Südamerika, den USA und Vietnam. Aber die Investitionskosten für eine Mine sind sehr hoch, und das macht es für nicht-chinesische Firmen sehr schwierig“, sagt Roskill-Experte Merriman. Gerade chinesische Firmen hätten einen markanten Vorteil. Sie beherrschen die Lieferkette von der Mine bis zum Motor und können ihre Rohstoffe so teilweise auch unter Preis verkaufen.
„Ja, unsere Produkte wären teurer als die der chinesischen Konkurrenz“, gibt Arafura-Chef Lockyer zu. 700 Millionen US-Dollar will das Unternehmen für das Nolans-Projekt einsammeln. Dann sollen allerdings nicht nur die Rohstoffe in Australien gefördert, sondern auch direkt vor Ort weiterverarbeitet werden. Aber den großen Strategieschwenk sehe er weder bei der Windbranche noch bei Auto- oder Rüstungsindustrie. Ja, es gibt ein größeres Bewusstsein für die Risiken. Aber gekauft werden immer noch die billigsten Rohstoffe“, moniert Lockyer.
So billig produzieren kann China allerdings auch, weil Umweltstandards und Arbeitssicherheit immer noch problematisch sind. Seltene Erden werden im Süden des Landes zum Teil auch heute noch in illegalen Gruben geschürft. Laut einer Analyse der Deutschen Rohstoffagentur aus dem Jahr 2016 kommen 40 Prozent der chinesischen Produktion aus illegalen Bergbauaktivitäten.
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/...aQlzEk9RbEF59-ap1 |