dürftig, dass alte Kamellen aufgewärmt werden müssen? Langeweile, daher der krampfhafte Versuch, ein wenig Rabbatz zu stiften? Dabei sind doch nun wirklich weltbewegende Dinge geschehen:
Schiedsrichter lässt TV-Bilder entscheiden 28. Feb 09:32, netzeitung.de
Während noch munter diskutiert wird, hat Schiedsrichter Franz Xaver Wack die Initiative ergriffen. Und im Spiel Leverkusen gegen Stuttgart das Fernsehen zu Rate gezogen.
Von Josef Simon, Leverkusen
Die Entscheidung selbst war eher unspektakulär und eigentlich kaum dazu geeignet, im Nachtrag noch einmal diskutiert zu werden. Weder hatte sie gravierenden Einfluss auf den weiteren Spielverlauf, noch wirkte sie sich in irgendeiner Form auf das spätere Endergebnis aus. Und doch hatte der Pfiff von Dr. Franz Xaver Wack in der 40. Minute des Spiels Bayer 04 Leverkusen gegen den VfB Stuttgart am 23. Spieltag dieser 43. Bundesliga-Saison etwas Historisches. Zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Fußballs korriegierte ein Schiedsrichter seine Entscheidung durch aktuelle Videobilder.
Videotafel zeigte die Fehlentscheidung
Es war exakt die 40. Spielminute. Der Unparteiische aus dem bayerischen Biberbach hatte nach einem Schuss des Leverkusener Jacek Krzynowek, der knapp über das Stuttgarter Tor strich, auf Abstoß entschieden. Niemand der ansonsten so diskussionsfreudigen Akteure wollte gegen diese Entscheidung auch nur ansatzweise etwas einwenden.
Auch Wack schien sich seiner Sache zunächst sicher zu sein. Erst als er im Zurücklaufen auf der riesigen Anzeigetafel der BayArena zufällig die Szene noch einmal vorgeführt bekam, erkennt er, dass der VfB-Keeper Timo Hildebrandt den Ball doch noch mit den Fingerspitzen berührt hatte. Der erfahrene Referee zögerte keinen Augenblick, er revidierte seine Entscheidung und zeigte zur Ecke.
Dass Wack damit den bei seiner Zunft so unbeliebten und durchweg verpönten Videobeweis inoffiziell wie unfreiwillig eingeführte hatte, war ihm nicht verborgen geblieben. Darüber reden wollte er deshalb nicht unbedingt. «Wir können über alles sprechen. Nur zu dieser Frage gebe ich keinen Kommentar», ließ der ansonsten nicht gerade Kamera scheue Referee verlauten.
«Wenig ästhetisch» aber richtig
Erst die von einem Journalisten überbrachte Anerkennung von Ex-Bundestrainer Rudi Völler für die mutige wie tadellose Gesamtleistung entlockte dem eitlen Unparteiischen schließlich doch noch ein vielsagendes Statement: «Ich gebe zu, dass es ästhetisch gesehen unfein aussah. Aber lieber langsamer und richtig entscheiden als schnell und falsch», bemerkte Wack und konstatierte treffend: «Über allem muss doch stehen, das letztlich die richtige Entscheidung getroffen wurde.»
Diese nachahmenswerte Grundeinstellung war auch das Motiv für Wacks ersten großen Paukenschlag, als er einen Trikotzupfer von Markus Babbel nachträglich ahndete. Letzterer hatte in der 14. Minute den Leverkusener Dimitar Berbatov für alle im Stadion sichtbar an der Strafraumgrenze mit einer Textilbremse am Torschuss gehindert. Der Unparteiische aber deutete auf Weiterspielen, wohl auch weil sein Assistent ohne erkennbare Reaktion blieb. Erst als bei einem Freistoß in der gegnerischen Hälfte die Emotionen bei den Platzherren hoch kochten, zog Wack noch den Rat des vierten Offiziellen Guido Winkmann ein. Dieser ließ keinen Zweifel an der Unrechtmäßigkeit der Babbel-Aktion.
«Vierter Mann» erweist sich als Volltreffer
Wack begnügte sich allerdings nicht damit, dem früheren Münchner die Gelbe Karte zu zeigen, er verlegte zum Erstaunen aller den Freistoß zurück in die Stuttgarter Hälfte. „Das war wie der Weg zurück nach Kanossa, aber es war der richtigere Weg“, meinte Wack nach seiner Kehrtwende, wobei er vielmehr die Bedeutung des vierten Manns hervorgehoben sehen wollte: „Er hat heute die Situation gerettet. Deshalb ist es wichtig, dass der vierte Mann, den wir auch in der Zweiten Liga fordern, in die Entscheidung mit eingebunden wird.“
Die Dramaturgie der Ereignisse forderte es schließlich auch, dass es der Schiedsrichter war, der am Ende die Partie – und das mit einem durchaus akzeptablen Elfmeterpfiff – entschied. Auch wenn das 1:1 für den VfB eher schmeichelhaft ausfällt, an dem Strafstoß von Cacau nach einem Foul von Bernd Schneider an seinem Nationalmannschaftskollegen Kevin Kuranyi gibt es nicht viel zu deuteln.
Punkt für Leverkusen zu wenig
«Dieser eine Punkt ist für uns in der aktuellen Situation einfach zu wenig», ärgerte sich Bayer-Trainer Klaus Augenthaler der mit Wack ganz und gar nicht zufrieden war - wohl auch weil Leverkusen es damit verpasst hat, nach dem 1:3 in der Champions League beim FC Liverpool wenigsten in der Meisterschaft die Hoffnung auf die Königsklasse weiter aufrecht zu erhalten. «Das Foul von Babbel war eine klare Rote Karte.» Und auch der Elfmeter fand nicht die Zustimmung des Bayer-Coachs: «Dann müsste es bei jeder Ecke gleich zehn Elfmeter geben. In England wird ein Schiedsrichter für eine solche Entscheidung gelyncht.»
Dem VfB Stuttgart konnte es egal sein. «Mit diesem Unentschieden kann ich hervorragend leben», gestand ein zufriedener Matthias Sammer, der sich bei genauem Hinhören der Meinung seines Torhüters Timo Hildebrandt anschloss. Der gab unumwunden zu: «Es war ein sehr glücklicher Punkt für uns. Eigentlich haben wir ihn nicht verdient.» Aber, so Sammer: «Danach fragt doch schon morgen niemand mehr.» |